Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 20 Frille (Kreis Minden-Lübbecke, NRW), Kirche 2. H. 14. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die Glocke, die 1921 oder später von der evangelischen Kirchengemeinde Frille (Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen) angekauft wurde, stammt aus der Kirche St. Bartholomäus in Meerbeck.1) Die weit spationierte Inschrift A verläuft unterhalb der Schulter zwischen zwei gedrehten Schnurstegen. Das Meisterzeichen der Inschrift B (M1) befindet sich an der Flanke unterhalb des Kreuzes nach PLENA. Beide Inschriften sind stark erhaben gegossen. Unterhalb von Inschrift B ein Brakteatenabdruck sowie rechts unterhalb von Inschrift B fünf ins Kreuz gestellte Brakteatenabdrücke. Am Wolm ein Steg.

Maße: H.: ca. 85 cm; Dm.: 100,5 cm; Bu.: ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/2]

  1. A

    GRACIAa) · PLENAb) +2)

  2. B

    G

Übersetzung:

Voll der Gnade. (A)

Kommentar

Die einzelnen Buchstaben lassen die Merkmale einer voll ausgeprägten gotischen Majuskel erkennen. A, E und N treten in runder Form auf. C und E mit Abschlussstrich, N mit einem schrägen Zierstrich im Buchstabeninneren. Auch der Abschlussstrich des E ist innen von einem senkrechten Zierstrich begleitet. Der Mittelbalken setzt am Abschlussstrich an. Die Bogenschwellungen sind spitz ausgezogen. Die Buchstabenenden sind unregelmäßig stark verdickt; bei E ausgeprägte Perlsporen am Abschlussstrich. Die gebogenen Schäfte des vollrunden A enden unten in asymmetrischen tropfenförmigen Verdickungen. Der Deckbalken ist zu einem Haken (in GRACIA) bzw. zu einem Dreipass (in PLENA) reduziert. I mit Nodus. Der Bogen des eingerollten, unten spitzen G endet in einer Verdickung, die möglicherweise als Dreipass (Blättchen) intendiert war. L mit Balkensporn.

Die gleichen Buchstabenformen weist eine auf 1398 datierte Glocke in St. Johann in Lemgo (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen) auf.3) Auch hier befindet sich die Inschrift zwischen gedrehten Schnurstegen; auch fünf ins Kreuz gestellte Brakteatenabdrücke sind zu sehen. Allerdings ist hier als Gießerzeichen ein Minuskel-g angebracht. Eine weitere, nicht datierte Glocke in der Kirche in Lemgo-Brake, die ebenfalls die gleichen Buchstabenformen zeigt, trägt die Inschrift + AVE · MARIA · GRACIA · PLENA · DOMINVS · TECVM + GEREKE.4) Die Buchstaben sind bei allen drei Glocken ca. 4 cm hoch. Auffällige Übereinstimmungen sind die Form des A und der schräge Zierstrich beim N, bei der Glocke in Lemgo-Brake außerdem das Blättchen am Bogenende des schlanken eingerollten G. GEREKE dürfte der Name des Gießers sein; für ihn steht möglicherweise auch das G auf der vorliegenden Glocke (Inschrift B).

Textkritischer Apparat

  1. GRACIA] GRENA Schmidt-Burdorf.
  2. PLENA] PLC(E)RA Glocken-Inschriften; PLANA NLA BU, Dep. 22 Nr. 610, Munk.

Anmerkungen

  1. Das Dorf Frille gehörte bis zur Kreisreform teilweise zum Kreis Schaumburg-Lippe; die ev.-luth. Kirchengemeinde gehört zur Schaumburg-Lippischen Landeskirche. Die Glocke ist am 24. Juli 1920 noch in Meerbeck nachgewiesen (NLA BU, Dep. 22 Nr. 610, fol. 115r). Als in Meerbeck 1921 ein dreistimmiges Gussstahlgeläut angeschafft wurde, sollte sie zunächst an die Firma Radler in Hildesheim verkauft werden (vgl. NLA BU, Dep. 22 Nr. 610, fol. 171–172). Vermutlich wurde die Glocke im selben Jahr nach Frille verkauft (vgl. Walther Schmidt-Burdorf, Die Glocken der St. Bartholomäuskirche zu Meerbeck, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 63 (2012), H. 3, S. 4–11, dort S. 9).
  2. Lc 1,28.
  3. DI 59 (Stadt Lemgo), Nr. 3.
  4. DI 59 (Stadt Lemgo), Nr. 7.

Nachweise

  1. Glocken-Inschriften, 1891 (Archiv des Museums Bückeburg, M 75), ohne Blattzählung.
  2. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 121.
  3. NLA BU, Dep. 22 Nr. 610, fol. 250cv (Heidkämper, Die Glocken in den luth. Kirchen Schaumburg-Lippes) (A).
  4. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 53 (A).
  5. Munk, Meribiki, S. 27 (A).
  6. Walther Schmidt-Burdorf, Die Glocken der St. Bartholomäuskirche zu Meerbeck, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 63 (2012), H. 3, S 4–11, dort S. 4.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 20 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0002001.