Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 663 Rinteln, Enge Straße 35 17. Jh.

Beschreibung

Haus. Fachwerk, giebelständig, dreigeschossig. Das vorkragende zweite Obergeschoss und der Giebel waren zum Zeitpunkt der Aufnahme im Frühjahr 2009 verschalt. Zierschnitzereien sind nicht zu erkennen. Die Inschrift verläuft in drei Zeilen auf dem Sturzriegel oberhalb der zwei Fenster im Erdgeschoss links der Tür. In der dritten Textzeile ein größerer Abstand zwischen dem Wort HEILIG und den Ziffern; die Ziffern und der Eigenname in geringerer Buchstabenhöhe. Die Inschrift ist eingeschnitzt und in Gold auf blauem Grund gefasst; sie wird durch ein Ornament abgeschlossen.

Maße: Bu.: ca. 4–8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. WER · DICH · JESV · RECHT · ERKENNT VND VON HERTZEN HEILAND . NENNT WER ALLES / HERRa) · IN DIESER · ZEIT · IN DIER · SVCHET · LVST · VND . FREVDT ·DER · IST · WARLICH HOCH . VND / HEILIG //LVXX – M[D]b) HEINRICH GENVSc)d)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Unregelmäßig gearbeitete, sporenlose Kapitalis mit variierenden Buchstabenabständen. Retrogrades N in HEINRICH. Z in ZEIT mit Mittelbalken. G in der Grundform des unzialen G, das aus einem kleinen, bis zur Mittellinie herabreichenden Bogen und einer unten ansetzenden senkrechten Cauda besteht, die unten nach links umgebogen ist.

Der Anfang des Textes ähnelt einer Passage aus dem Weihnachtslied Schaut, welch ein Wunder stellt sich dar von Paul Gerhardt: O selig, selig alle Welt, die sich an dieses Kindlein hält; wohl dem, der dieses recht erkennt, und gläubig seinen Heiland nennt.1) Ob tatsächlich eine Rezeption dieses Liedes vorliegt, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit belegen, daher kann hieraus auch kein Datierungsansatz abgeleitet werden.

Die Zahlzeichen am Beginn der letzten Zeile werden von Künkel als Jahreszahl 1575 gedeutet (M DL XXV ).2) Ein so frühes Entstehungsdatum ist für die rein hochdeutsch formulierte Inschrift jedoch äußerst unwahrscheinlich. Auch die Schriftgestaltung und das Fachwerk weisen ins 17. Jahrhundert.

Textkritischer Apparat

  1. HERR] größeres Spatium zwischen HE und RR; erstes R möglicherweise Ergebnis einer Restaurierung; WER Erdniß.
  2. M[D]] Lesung unsicher, möglicherweise als MO zu lesen.
  3. DER · IST … GENVS] fehlt Erdniß.
  4. GENVS] SENVS Künkel; möglicherweise ist GENVS Ergebnis einer Fehlrestaurierung.

Anmerkungen

  1. Paul Gerhardt, Das Fünffte Dutzet. Geistlicher Andacht-Lieder […] zu singen und spielen gesetzet von Johann Georg Ebeling, Berlin 1667, Nr. 55, S. 134f., Strophe 16.
  2. Künkel, Stadt Rinteln Lexikon, S. 422.

Nachweise

  1. Erdniß, Gang durch Rinteln, S. 16.
  2. Künkel, Stadt Rinteln Lexikon, S. 422.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 663 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0066306.