Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 636 Stadthagen, St. Martini 1649

Beschreibung

Epitaph für den Pastor Ludolph Peithmann. Holz, farbig gefasst. Das Epitaph ist im Inneren der Kirche im dritten Joch der Südwand angebracht; Ende des 19. Jahrhunderts befand es sich am ersten Pfeiler links von Westen aus gesehen.1) Im Hauptgeschoss ein Gemälde im Holzrahmen mit einer Darstellung des Verstorbenen unter einem drapierten grünen Vorhang. Er ist in Ganzfigur mit schwarzem Talar, Halskrause und einer Kappe wiedergegeben, in den Händen ein Buch haltend. Inschrift A läuft in zwei Spalten über das Sockelfeld, die letzte Zeile übergreifend über beide Spalten. Unterhalb des Sockelfelds die Inschrift B. Im Giebel, umgeben von Rollwerk, ein Blattkranz, darin zwei aneinandergeschobene Vollwappen, denen die Beischriften C auf einem Schriftband beigeordnet sind. Alle Inschriften sind aufgemalt, A und B in Gold auf dunkelbraunem Grund, C in Schwarz auf goldenem Grund.

Maße: H.: ca. 400 cm; B.: ca. 200 cm; Bu.: ca. 2 cm (A), ca. 3 cm (B, C).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel mit Kapitalisversalien und mit Kapitalis mit Versalien (A), humanistische Minuskel mit Kapitalisversalien (B), Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/3]

  1. A

    Ora haec LVDOLPHI PEITHMANNI, sanguine creti DAMMANNI MAGNI, quem e regione vides: HAGA dedit Uitam, doctrinam multa LŸCEA; Docta cohors laudem, GIESSA MAGISTERIVM, ROSTOCHIO vocat hunc NEWBRANDENBVRGA SCHOLAEQ(VE)Praefecit, sed mox TEMPLA docere jubet;Unde jpsum agnati traxerunt, PATRIA, amici //Electus sanctae hîc dum SENIOR CATHEDRAE. CIMBRIA bis senos, bis PATRIA quattuor annos,Svaviter hunc audit CAELICA VERBA loqui.Ast vitae undecimo lustro, heu! ECCLESIA lugetQuassatus morbis concidit assiduis.Praemisit coelum duo casti PIGNORA lecti.Erexit CONIVNXa) haec MONVMENTAb) viro.Obyt II juny A(nn)o M DC XLVIIIc)

  2. B

    Epitaphium hoc exstructum xv Februarÿ A(nn)o M DC XLIX.d)

  3. C

    M(AGISTER) LUDOLPH PEITHMAN // ESTERA KOCRSe).

Übersetzung:

Dies ist das Antlitz des Ludolph Peithmann, der von dem großen Dammann abstammte, den du gegenüber siehst. Stadthagen gab ihm das Leben, Bildung viele Schulen, die Gemeinschaft der Gelehrten Lob, Gießen den Magistergrad. Von Rostock rief ihn Neubrandenburg und machte ihn zum Schulrektor, aber bald wies es ihn an, in den Kirchen zu predigen. Von dort zogen ihn die Verwandten, die Vaterstadt, die Freunde weg, bis er hier zum Senior der heiligen Kanzel gewählt wurde. Mecklenburg hörte ihn zweimal sechs, seine Vaterstadt zweimal vier Jahre angenehm die himmlischen Worte reden. Aber im elften Lustrum seines Lebens (= 55. Jahr) – wehe! es trauert darüber die Kirche – brach er, von dauernden Krankheiten erschüttert, zusammen. Voraus sandte er zum Himmel zwei Pfänder seiner keuschen Ehe. Die Ehefrau errichtete dieses Denkmal ihrem Mann.

Er starb am 11. Juni im Jahr 1648. (A)

Dieses Grabmal wurde am 15. Februar im Jahr 1649 errichtet. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (A).

Wappen:
Peithmann,2) Kock3)

Kommentar

Gleichmäßig ausgeführte humanistische Minuskel mit Strichsporen; Eigennamen und sonstige zentrale Begriffe sind durch Kapitalis mit Versalien hervorgehoben. u mit u-Haken, der einem Accentus gravis ähnelt. Beim B setzen die beiden Bögen getrennt untereinander am Schaft an; Analoges gilt für Bogen und Cauda des R. Beim x ist der Rechtsschrägschaft links unter die Grundlinie ausgezogen.

Ludolph Peithmann wurde 1593 als Sohn des Kammerrats und Stadthäger Ratsherrn Dietrich Peithmann und seiner Ehefrau Elisabeth Dammann, einer Tochter Jakob Dammanns (Nr. 341), in Stadthagen geboren. Sein Bruder Hermann wurde Pastor in Nenndorf, sein Bruder Ludwig war Verwalter der Familie von Wietersheim in Stadthagen.4)

Ludolph Peithmann selbst nahm sein Studium in Stadthagen auf; weitere Studienorte waren Gießen, wo er 1620 den Magistergrad erlangte,5) und Rostock.6) Von dort aus übernahm er 1626 eine Pastorenstelle in Neubrandenburg. Während des Angriffs der Truppen der Katholischen Liga auf die Stadt im Jahr 1631 erlitt Peithmann eine Kopfverletzung. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit wurde er 1639 Pastor in Stadthagen. Die in der Inschrift gewählte Bezeichnung SENIOR CATHEDRAE entspricht dem Amt des Oberpredigers. Peithmann war ferner Beichtvater der Gräfinwitwe Hedwig. Auch an der durch Gräfin Elisabeth initiierten Kirchenvisitation nahm er teil. Zu Ludolph Peithmanns Besitz zählte eine umfangreiche Bibliothek, die nach seinem Tod am 12. Juni 1648 an die Stadthäger Stadtschule überging.7)

Seine Grabstelle lag in der Nähe des Altars.8) Nach Aussage der Inschriften wurde das Epitaph von Ludolph Peithmanns Ehefrau Esther Kock in Auftrag gegeben. Sie war die Tochter von Peithmanns Amtsvorgänger als Schulrektor in Neubrandenburg.9) Esther Kocks 1672 aufgesetztes Testament wurde am 8. Dezember 1674 eröffnet; sie dürfte also 1674 verstorben sein. Die Ehe blieb kinderlos.10) Für die beiden Eheleute existierte in der St. Martini-Kirche ein weiteres Epitaph aus Stein, das vermutlich nach 1674 entstanden ist.11)

Textkritischer Apparat

  1. CONIVNX] CONJUX TU(A) Tebbe.
  2. MONVMENTA] MONUMENTUM Tebbe, gegen das Versmaß.
  3. M DC XLVIII] M D als neulateinische Zahlzeichen.
  4. M DC XLIX.] M D als neulateinische Zahlzeichen.
  5. Statt KOCKS.

Anmerkungen

  1. Wehling, Johann und Heinrich Heinecke, S. 55.
  2. Wappen Peithmann (liegender Ast, daraus hervorwachsend ein Eichenzweig mit Eicheln).
  3. Wappen Kock (von Blättern eingefasstes Herz mit Kreuz, umkränzt von Eichenlaub).
  4. Roth, Auswertungen von Leichenpredigten, Bd. 5, Nr. 4464 (Leichenpredigt auf den Neffen Ludolph Peithmanns).
  5. Vgl. Matrikel Rostock, Bd. 3: Idem [der Dekan Georg Dasenius] in facultatem recepit […] M. Ludolphum Peitmannum Stadhaga-Schaunburgensem Giessae promotum.
  6. Matrikel Rostock, Bd. 3, S. 52, Nr. 124 (Eintrag vom Juni 1623): Mgr. Ludolphus Peitmannus Stadthaga-Schawenburgicus.
  7. Die Angaben zur Biographie sind Haubers Primitiae Schauenburgicae (S. 203–208) entnommen; vgl. auch Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 396 und Tebbe, Epitaphien, S. 252. Zu seiner Bibliothek Bernstorf, Bibliothek, S. 195–204 (mit einer Liste der Titel); vgl. Dolle, Vermischte Beytraege 1, S. 65–68.
  8. Tebbe, Epitaphien, S. 252; vgl. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 206, Anm. z.
  9. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 206f.
  10. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 465,27ff.
  11. B(onae) M(emoriae) S(acrum) / Hic ad altare / Vivus ubi ad sacra stetit / Mortuus (et) cubare debuit / D(omi)n(us) M(agister) LUDOLPHUS PEITHMANNUS / Neo Brandenburgae Ducat(us) Megapol(itani) Urbis / Primitus sacerdos XII / Post Ecclesiae hujus Patriae / Archi Diaconus annos VIII / praeter seculi morem / Humanus Pius Eruditus Facundus / Ejusdemque Conjux Laudatissima / ESTER COKS / Primo Loco Mariti antecessoris gnata / animo (et) virtute pulchra / Ad templi columnam Epitaphii egregii picturam ac hujus saxi vidua procurans sepulturam Affectum conjugalem est sat contestata / Et ex eo huc sua quoque ossa destinavit / Evixerunt / Ille A(nn)o Sal(utis) MDCXLVIII AEtatis LV / Haec MDC / Conjugii XX. („Dem guten Andenken geweiht. Hier am Altar, wo er zu Lebzeiten zur Feier des Gottesdienstes stand, sollte auch als Toter ruhen der Herr Magister Ludolph Peithmann, zwölf Jahre lang Oberpfarrer der Stadt Neubrandenburg im Herzogtum Mecklenburg, danach acht Jahre lang Oberpfarrer dieser Kirche seiner Heimatstadt. Er war über das in unserer Zeit Übliche hinaus menschlich, fromm, gebildet und wortgewandt. Und seine ausgezeichnete Ehefrau Ester Kock, die älteste Tochter des Vorgängers ihres Ehemanns, die in Gesinnung und Tugend vortrefflich war, stellte, indem sie als Witwe ein herausragendes gemaltes Epitaph an einer Säule der Kirche sowie diese steinerne Grabstätte in Auftrag gab, ihre eheliche Liebe reichlich unter Beweis, und aus demselben Grund legte sie fest, dass auch ihre Gebeine hier begraben werden sollten. Sie starben, jener im Jahr des Heils 1648 im Alter von 55 Jahren, sie im Jahr 1600 [die Zahl ist bei Hauber falsch überliefert] im 20. Jahr ihrer Ehe.“); Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 206f., Anm. z.

Nachweise

  1. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 206 (A, B).
  2. Tebbe, Epitaphien, Nr. 150, S. 252 (A, B).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 636 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0063609.