Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 630 Rinteln, St. Nikolai 1647

Beschreibung

Epitaph für Bruno Samsonius. Holz, farbig gefasst.1) Das in Ädikulaform mit gesprengtem Giebel gestaltete Epitaph ist an der Nordwand des Seitenschiffs angebracht. In der Nische des Hauptgeschosses eine hochrechteckige Tafel, auf der die zentriert angeordnete Inschrift A in Gold auf schwarzem Grund aufgemalt ist. Am Ende der ersten Zeile ein Ornament. Die Tafel wird flankiert von Säulen und Rollwerk. Das Sockelfeld ist leer. Im verschlungenen Rollwerk des Unterhangs ein herzförmiges Gemälde, darauf ein Totenkopf mit Knochen, im Hintergrund eine blühende und eine geschlossene Blume, über allem die in Gold auf schwarzem Grund gemalte Inschrift B. Auf dem Giebel ein Aufsatz in Form einer von Rollwerk gerahmten Kartusche, die ein gemaltes Vollwappen zeigt. Auf den Giebelschrägen und auf dem Aufsatz drei vollplastische Putten. Möglicherweise waren auf zwei Postamenten neben den Säulen weitere Figuren angebracht.2)

Maße: H.: ca. 350 cm; B.: 170 cm; Bu.: 2–3 cm (A), 3 cm (B).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel mit Kapitalisversalien und mit Kapitalis mit Versalien (A), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/3]

  1. A

    RIGA . PATRIA . / Heu . longe . A . TE . MISSUM . EST . / DULCE . Tuum . ac . BONORUM . omnium . DECUS3) . / M(AGISTER) . BRUNO SAMSONIUS . / MAGNI . TUI . SED . QUONDAM . AC . NOBILISSIMI . / THEOLOGI . / M(AGISTRI) HERMANNI SAMSONII . / REGIa) . Per . Livoniam . SUPERINTENDENTIS . Pastoris . / Ac . PROFESSORIS . PRIMARIb) . Filius . / HERES . Paternarum . Dotium . et . Virtutum . / Natus A(nn)o : M DC XXc) . M(ense) . Majo . D(ie) . VII . / QUI . jam . Per . Singularia . in . multis . Academiis . Specimina / Dum . Privatus . erat . Privato . major . erat . Brevi . admovendus . / Publicis . Hunc . Lugdunum . Batavorum . adamavit . / Lipsia . aestimavit . Witteberga . gradu . Magisterij . / honoravit . Marpurgum . ad . suggestus . animavit . / Quid . Rintelium ? Hoc . dum . adamare . / aestimare . honorare . Bene . meritum . quoq(ue) . / voluit . / Denatum . A(nno) . M DC XLVIId) . Mens(e) . Nov(embri) . D(ie) . VIe) . / TUMULAVIT . / Ô . triste . officium . Uberem . lacrumarum . / materiem . / MATER . NOBILISSIMA . / HELENA . HARTMANNIANA . / Tot . luctibus . miserè . superstes . / Filio . desideratissimo . / H(OC) · M(ONUMENTUM) · P(ONI) · C(URAVIT) ·

  2. B

    HODIE MIHI / CRAS TIBI4) .

Übersetzung:

Du Heimat Riga, ach, weit fort von dir ist deine und aller Guten schöne Zierde, der Magister Bruno Samsonius, geschickt worden. Als Sohn deines großen – aber gewesenen – und hochedlen Theologen, des Magisters Hermann Samsonius, des königlichen Superintendenten für Livland, des Pastors und ersten Professors, war er der Erbe der väterlichen Begabungen und Tugenden. Geboren im Jahr 1620 im Monat Mai am siebten Tag, übertraf er schon, solange er noch Privatmann war, durch einzigartige Leistungen an vielen Universitäten den Status eines Privatmanns und empfahl sich unmittelbar für öffentliche Aufgaben. Das holländische Leiden gewann ihn lieb, Leipzig schätzte ihn hoch, Wittenberg ehrte ihn mit dem Magistergrad, Marburg ermunterte ihn zum Amt des Predigers. Was ist mit Rinteln? Als auch Rinteln ihn, den Hochverdienten, liebgewinnen, hochschätzen und ehren wollte, musste es ihn, nachdem er im Jahr 1647 im Monat November am sechsten Tag gestorben war, beerdigen. Oh, welch traurige Pflicht, welch reiche Quelle der Tränen! Die edle Mutter, Helena Hartmann, die in so tiefer Trauer elend zurückblieb, hat dem sehnlich vermissten Sohn dieses Denkmal setzen lassen. (A)5)

Heute mir, morgen dir. (B)

Wappen:
Samson von Himmelstjerna6)

Kommentar

U und u in Inschrift A mit einem Akut als u-Haken. R mit geschwungener Cauda, die nach rechts ausgezogen ist und unter die Grundlinie reicht. Die humanistische Minuskel weist folgende Besonderheiten auf: Beim t ist das obere Schaftende nach rechts gebogen. Beim p ist das untere Schaftende nach links gebogen und dann in einer Schlinge nach rechts gezogen. Beim f und beim Schaft-s ist das untere Schaftende nach links gebogen. Beim g bildet der untere Bogen, der unter die Grundlinie reicht, eine Schlinge. An den Bogenenden Strichsporen.

Ein eindeutiges Prinzip für die Wahl von Kapitalis und Minuskeln ist nicht immer erkennbar. Als Grundtendenz ist festzuhalten, dass die wichtigsten biographischen Fakten über Samsonius und dessen Eltern in Kapitalis gegeben werden, während sein Ausbildungsgang in humanistischer Minuskel beschrieben wird.

Bruno Samsonius wurde am 7. Mai 1620 in Riga als Sohn des Hermann Samsonius und seiner Ehefrau Helena Hartmann geboren. Hermann Samsonius (1579–1643), der in Rostock und Wittenberg studiert hatte,7) war seit 1622 Superintendent von Livland und seit 1630 Professor der Theologie am Gymnasium von Riga. 1640 wurde er vom schwedischen König Gustav Adolph in den Adelsstand erhoben und erhielt den Namenszusatz „von Himmelstjerna“. Er veröffentlichte eine Vielzahl kontroverstheologischer Schriften, die insbesondere gegen den Katholizismus und speziell gegen die Jesuiten gerichtet waren.8)

Sein Sohn Bruno Samsonius reiste nach dem Schulbesuch in Riga im Jahr 1641 nach Leiden, um seine Kenntnisse der lateinischen und anderer Sprachen zu vervollkommnen.9) Ein Jahr später schrieb er sich an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig ein.10) 1643 immatrikulierte er sich in Wittenberg und erwarb dort den Magistergrad.11) 1645 ging er an die Universität Marburg.12) Am 29. September 1647 kam er nach Rinteln, wo er seine theologischen Studien fortsetzen wollte und sich im Predigen übte.13) Er verstarb bereits fünf Wochen später, am 4. November 1647 morgens um 3 Uhr, an einer Fiebererkrankung, die unter den Rintelner Studenten grassierte. Drei Tage später wurde er in der Rintelner Nikolaikirche begraben (vgl. Nr. 629). Die Leichenpredigt hielt Adolf Rothmann.14) Am selben Tag, vor und nach dem Begräbnis, wurde des Toten auch an der Universität Rinteln gedacht. Die an die Universitätsangehörigen gerichtete lateinische Trauerrede des Rektors der Universität, in der er sie auffordert, zahlreich an der Trauerfeier für Samsonius teilzunehmen, ist im Anhang zur Leichenpredigt abgedruckt,15) ebenso wie eine Gratiarum actio Habita à M. Joh-Francisco Hersfeldio, Waldecco, die nach der Bestattung gehalten wurde.16)

Textkritischer Apparat

  1. REGI] I höher (statt REGII).
  2. PRIMARI] I höher (statt PRIMARII).
  3. M D neulateinische Zahlzeichen.
  4. M D neulateinische Zahlzeichen.
  5. VI] statt IV.

Anmerkungen

  1. Tebbe gibt an, dass „Ornamente, Säulenkapitelle und Putten“ aus Alabaster gefertigt seien (Tebbe, Epitaphien, S. 233), in den Kunstdenkmälerinventaren werden die Putten und Säulenkapitelle als „aus weißem Marmor gehauen“ bezeichnet (Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 15). Ob die flankierenden Säulen tatsächlich aus echtem Marmor sind (Tebbe, a.a.O.), scheint fraglich.
  2. Tebbe, Epitaphien, S. 233.
  3. Vgl. Horaz, carmina 1,1,2: dulce decus meum.
  4. Vgl. Walther, Proverbia 2, Nr. 11085a. Der in Grabdenkmälern verbreitete Spruch ist von Sir 38,23 abgeleitet. Dazu DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis), Nr. 477.
  5. Für Hilfe bei der Übersetzung danke ich Fidel Rädle (Göttingen).
  6. Wappen Samson von Himmelstjerna (gespalten: 1. Stern, 2. vorwärtsgekehrter Büffelkopf); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 11, Teil 1, Bd. 2, S. 322 u. Tafel 111.
  7. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 264, Z. 98 (Eintrag vom August 1599); Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 467a, Z. 24 (Eintrag vom 5. Mai 1600).
  8. Art. „Samson, Hermann“, in: Carola L. Gottzmann/Petra Hörner, Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 3, Berlin New York 2007, S. 1106–1110 mit einer Werkliste und weiterführenden Literaturangaben.
  9. Leichenpredigt für Bruno Samsonius, S. 20f.
  10. Jüngere Matrikel Leipzig, Bd. 2, S. 377.
  11. Matrikel Wittenberg, Jüngere Reihe, Teil 1, S. 422, Z. 5 (Eintrag vom 28. Januar 1643). Den Magistergrad erlangte er am 12. Oktober 1643 (ebd., Anm. 1).
  12. Die Matrikeln der Universität Marburg für die Jahre 1637–1652 sind verschollen (Matrikel Marburg, Personen- und Ortsregister, S. VI). Das Studium des Samsonius an der Universität Marburg wird jedoch der Trauerrede des Rektors zufolge (Leichenpredigt für Bruno Samsonius, S. 32) von dem Rintelner Professor Balthasar Mentzer bezeugt, der von 1641 bis 1646 Professor für Philosophie in Marburg gewesen war (Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, S. 287f.).
  13. Leichenpredigt für Bruno Samsonius, S. 23 u. 29f.
  14. Leichenpredigt für Bruno Samsonius, Titelblatt und S. 33. Das in der Inschrift angegebene Todesdatum 6. November dürfte auf einer Vertauschung der lateinischen Ziffern beruhen.
  15. Leichenpredigt für Bruno Samsonius, S. 29–33; Aufforderung S. 32.
  16. Leichenpredigt für Bruno Samsonius, S. 33–37.

Nachweise

  1. Bentrup, Kirchen in Schaumburg (B).
  2. Tebbe, Epitaphien, Nr. 123, S. 233 u. Abb. 19.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 630 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0063007.