Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 602 Bückeburg, Stadtkirche 1638

Beschreibung

Grabplatte für Anna Catharina Gans. Stein. Die hochrechteckige Grabplatte ist außen an der Südseite der Kirche als zehnte Platte von Westen aufgestellt. Sie zeigt im achteckigen, vertieften Innenfeld die zentriert angeordnete eingehauene Inschrift A; die Eigennamen sind mit größerer Buchstabenhöhe ausgeführt. In den vier Ecken der Platte in rechteckigen, jeweils zum Innenfeld hin abgeschrägten, vertieften Feldern vier Vollwappen mit den ehemals jeweils darüber (obere Wappen) bzw. vermutlich darunter (untere Wappen) eingehauenen Beischriften B, von denen jedoch die beiden unteren Beischriften durch Beschnitt an der unteren Plattenkante bzw. das Einlassen in den Boden nicht mehr zu sehen sind.

Maße: H.: 227 cm; B.: 133,5 cm; Bu.: 4–5,5 cm (A), 2,8 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/2]

  1. A

    B(ONAE) M(EMORIAE) S(ACRVM) / ANNA CATHARINA / GANS / MATRONA / DE GENTE FAMIGERABILI NOBI=/LISSIMA, / ATQVE VLTRA SEXVM, / PRVDENS, FACVNDA / ET / QVOD ANTE GENVS, FORTVNAM, / ET TITVLOS PONENDVM, / PIENTISSIMA, / SVO, NVPER, MARITO / WILHELMO À FRONHORST, / AD QVEM / AETATIS FLOREM, IN ANNIS, O=/LIM FELICIBVS, TVLIT, / NON DIV SVPERSTES,a) / CVM LVCEM, / QVAE / ANNO M. D LXXIII. XXVII MAII / NASCENTI PRIMVM FVLSIT / INTER INFANDOS BELLORVM TV=/MVLTVS, / QVOS ET IPSA VIVENS SENSIT, / ANNO M. DC. XXXVIII . DIE IAN(VARII) / XXII . HABERET POSTREMAM / QVIETA NVNC ET TALIVM / SECVRA / HEIC CVBAT, / HAVE ET VALE.

  2. B

    DIE GENSE [ . . . B]RA[ - - - ] 
    [ - - - ] [ - - - ] 

Übersetzung:

Dem guten Andenken geweiht. Anna Catharina Gans war eine sehr edle Ehefrau von berühmter Herkunft, und sie war in höherem Maße, als man von einer Frau erwartet, klug, redegewandt und, was man über Herkunft, Glück und Ehrentitel stellen muss, sehr fromm. Ihren Ehemann Wilhelm von Fronhorst, mit dem sie bis vor kurzem verheiratet war und dem sie die Blüte ihrer Jugend in einst glücklichen Jahren darbrachte, überlebte sie nicht lange, da das Licht, das ihr nach ihrer Geburt im Jahr 1573 am 27. Mai zum ersten Mal leuchtete, für sie im Jahr 1638 am 22. Januar unter den unsäglichen Kriegswirren, die sie zu Lebzeiten auch selbst zu spüren bekam, zum letzten Mal strahlte. Sie liegt nun hier in Ruhe und befreit von den Sorgen um dergleichen Dinge. Sei gegrüßt und lebe wohl. (A)

Wappen:
Gans zu Putlitz1)Brandenstein3)
Harras2)Planitz4)

Kommentar

Die Grabplatte gleicht hinsichtlich der Buchstabenformen und der äußeren Gestaltung denjenigen für Johann Hermann von Münchhausen (Nr. 601) und für Amalia Lucia von Münchhausen (Nr. 605). Das für die Buchstabenformen der Grabplatte Nr. 601 Gesagte gilt auch für das vorliegende Stück, mit der Einschränkung, dass hier durchgehende V-Schreibung herrscht. Der Steinmetz verwendet Interpunktionszeichen und Diakritika.

Zur sprachlichen Gestaltung der Grabinschrift vgl. Einleitung Kap. 6.1.

Anna Catharina Gans wurde am 27. Mai 1573 als Tochter des braunschweig-lüneburgischen Hofmeisters Peter Gans zu Wolfenbüttel und der Elisabeth von Brandenstein geboren.5) Im Jahr 1604 heiratete sie den in der Inschrift erwähnten Wilhelm von Fronhorst. Dieser wurde am 24. August 1573 als Sohn des Georg von Fronhorst, Jägermeister bei Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg (Celler Linie), und der Margaretha von Stockheim geboren. Er wuchs, nachdem er früh den Vater verloren hatte, am Hof in Wolfenbüttel auf und studierte anschließend in Helmstedt und Straßburg. Dort wurde er Hofmeister der Herzöge Christoff und Otto von Braunschweig-Lüneburg (Harburger Linie). 1602 wurde er Hofstallmeister bei Graf Ernst von Holstein-Schaumburg.6) Zusammen mit dem Marschall Herman Simon von Wartensleben, seinem Schwager, führte er am 20. März 1622 den Trauerzug für Fürst Ernst nach Stadthagen an. Am nächsten Tag führte er zusammen mit Johann Hilmar von Haxthausen (Nr. 556) das Leib- und Trauerpferd des Fürsten im Trauerzug.7) Nach Ernsts Tod wurde Wilhelm von Fronhorst Hofmeister unter Fürst Jobst Hermann.8)

In Bückeburg bezog Wilhelm von Fronhorst nach dem Regierungsantritt des Grafen Ernst (1601) einen 1591 erbauten Freihof, den zuvor der Kammersekretär Franz Reichmann bewohnt hatte. Ernst bestätigte ihm den Besitz am 20. Mai 1609 und stattete den Freihof am 23. Mai 1613 mit Privilegien aus. Nach Wilhelm von Fronhorsts Tod am 22. März 16369) versuchten die Erben Franz Reichmanns, den Freihof auf gerichtlichem Weg wiederzuerlangen, jedoch anscheinend ohne Erfolg. 1686 wurde der Hof abgebrochen; an seiner Stelle wurde die Unterpfarre der lutherischen Gemeinde errichtet.10)

Aus der Ehe zwischen Anna Catharina Gans und Wilhelm von Fronhorst gingen zwei Söhne und acht Töchter hervor; zum Zeitpunkt des Todes Wilhelm von Frohnhorsts lebten noch ein Sohn namens Ernst sowie die Töchter Anna Margrete, Dorothee Elisabeth, Christine und Hedwig.11) Anna Catharina Gans starb der Inschrift zufolge am 22. Januar 1638.

Textkritischer Apparat

  1. Mittleres S in SVPERSTES kleiner und auf Höhe der Mittellinie gestellt.

Anmerkungen

  1. Wappen Gans zu Putlitz (Gans); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 10, S. 36 u. Tafel 19.
  2. Wappen Harras (Balken; Helmzier: Schaft mit drei Federn zwischen einem offenen Flug); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 159 u. Tafel 207. Der Schildinhalt ist kaum mehr kenntlich. Eigentlich wäre an dieser Stelle das Wappen der Catharina von Witzleben zu erwarten, der Großmutter väterlicherseits. Dies scheidet jedoch aufgrund der Helmzier aus, die beim Wappen Witzleben immer aus einem mit zwei Schäften besteckten Hut besteht, wobei diese Schäfte an den Seiten mit Kugeln oder Schellen, oben mit Federn verziert sind (vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 7, S. 11 u. Tafel 11). Dargestellt ist das Wappen Harras: Mechtild von Harras war die Ehefrau des Dietrich Gans, des Urgroßvaters der Anna Catharina Gans väterlicherseits (Leichenpredigt für Dorothea Gans, S. 40).
  3. Wappen Brandenstein (laufender Fuchs mit Gans im Maul); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 96 u. Tafel 125.
  4. Wappen Planitz (gespalten; Helmzier: offener Flug); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 299 u. Tafel 352. Der Schildinhalt ist nahezu unkenntlich, doch erlaubt die Helmzier eine Zuordnung. Die Großmutter mütterlicherseits der Anna Catharina Gans war Maria von der Planitz (Leichenpredigt für Dorothea Gans, S. 40).
  5. Leichenpredigt für Wilhelm von Fronhorst, S. 54. Ihre Schwester Dorothea Gans war die Ehefrau Hermann Simon von Wartenslebens (vgl. Nr. 566).
  6. Leichenpredigt für Wilhelm von Fronhorst, S. 50–54. Das Studium in Helmstedt lässt sich durch einen entsprechenden Matrikeleintrag vom 8. Mai 1581 nachweisen (Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 31, Nr. 16).
  7. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 10 (1959), Nr. 2, ohne Seitenzählung, Grabstein 10.
  8. Leichenpredigt für Wilhelm von Fronhorst, S. 55f.
  9. In der Leichenpredigt auf Wilhelm von Fronhorst (S. 70) ist der Entwurf einer Grabinschrift abgedruckt, die formal einer Reihe von anderen Grabplatten an der Bückeburger Stadtkirche ähnelt. Vermutlich wurde sie tatsächlich in dieser Form inschriftlich ausgeführt, allerdings lässt sich die Existenz einer entsprechenden Grabplatte nicht nachweisen. Der Text lautet: B(ONAE) M(EMORIAE) S(ACRUM) / WILHELMUS à FRONHORST / E GENTE, INTER GERMANOS, NOBILISSIMA, / PRIMIS AB ANNIS, / ILLVSTRISSIMORVM BRAVNSVVIG(ENSIVM) DVCVM / AVLIS INNVTRITVS, / AETATE ET JUDICIO DEINCEPS AUGESCENTE, / IN FAMILIAM / ILLVSTRISSIMI PRINCIPIS ERNESTI COMIT(IS) / HOLSAT(O) SCHAVVENB(VRGICI) ASSVMPTVS / EQUILI, PRIMUM, DOMINICO, / POST / SUCCEDENTE ILLUSTRISSIMO JUSTO HER-/MANNO, etc. / AULAE PRAEFECTUS, / SUI SEMPER, DUM VITA FUIT, SIMILLIMUS, / RARAEQVE MAGNUM, IN OMNES LIBERA=/LITATIS EXEMPLUM, / MORBIS TANDEM ET FATIS URGENTIBUS, / DOMINUM NON LONGE ANTECEDEN=/TEM, SECUTUS, / HEIC IACET / EXCESSIT ANNO M. DC. XXXVI. / DIE XXII. MARTII. / TULITQ(UE) SECVM ANNOS LXIII. / HAVE ET VALE, / DILECTUM DEO CAPUT / QUI TE, PATRIAE RUINIS EREPTUM, / AETERNAE TRANQUILLITATI / SECURUM COMMEN=/DAVIT. („Dem guten Andenken geweiht. Hier liegt Wilhelm von Fronhorst begraben. Er stammte aus einem in Deutschland sehr vornehmen Adelsgeschlecht. Von frühester Kindheit an wurde er an den Höfen der durchlauchtigsten Herzöge von Braunschweig aufgezogen. Als sein Alter und sein Urteilsvermögen anschließend wuchsen, wurde er in den Hofstaat des durchlauchtigsten Fürsten, Graf Ernst von Holstein-Schaumburg, aufgenommen und stand zuerst dem Marstall seines Herrn vor; dann wurde er unter dem Nachfolger, dem durchlauchtigsten usw. Jobst Hermann, Hofmeister. Solange er lebte, blieb er sich immer gleich; er war ein großes Musterbeispiel einer selten anzutreffenden Freigebigkeit allen gegenüber. Als er schließlich von Krankheiten und Schicksalsschlägen bedrängt wurde, folgte er seinem Herrn, der noch nicht weit vorausgegangen war, nach. Er starb im Jahr 1636 am 22. März und nahm 63 Jahre mit sich. Sei gegrüßt und lebe wohl, von Gott geliebtes Haupt. Gott hat dich, nachdem du dem Verderben des Vaterlandes entrissen worden bist, von Sorgen befreit und der ewigen Ruhe überantwortet.“) In den vier Ecken waren die Wappen Fronhorst und Stöckheim (oben) sowie Studerheim und Bock von Northolz (unten) vorgesehen.
  10. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 10 (1959), Nr. 2, ohne Seitenzählung, Grabstein 10; Prinz, Adelssitze, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 10 (1959), Nr. 3, ohne Seitenzählung; Albrecht, Adelshöfe in Bückeburg, S. 17.
  11. Leichenpredigt für Wilhelm von Fronhorst, S. 2 u. 55.

Nachweise

  1. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 10 (1959), Nr. 2, ohne Seitenzählung, Grabstein 10.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 602 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0060203.