Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 589 Rinteln, St. Nikolai 1634

Beschreibung

Epitaph für den Pastor Josua Stegmann. Gemälde (Öl auf Leinwand) im Holzrahmen mit Bekrönung und Unterhang. Das Epitaph ist an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs angebracht. Ursprünglich war es in der Nähe der Grabstelle Josua Stegmanns (neben dem Altar) im Chor aufgehängt.1) Es zeigt den Verstorbenen unter einem Vorhang in Ganzfigur im schwarzen Talar mit weißer Halskrause. In der linken Hand hält er ein Buch, in der Rechten ein Paar Handschuhe. Auf einer querovalen Kartusche im Unterhang die in Gold auf schwarzem Grund aufgemalte Inschrift A in zwei Kolumnen, darunter ebenfalls in Gold aufgemalt die Inschrift B. Auf dem die Kartusche umgebenden Rollwerk unterhalb des Wortes Anno dünn mit Bleistift geschrieben eine Inschrift aus jüngerer Zeit.2) Unten im Rollwerk auf einem Oval die ineinander verschlungenen, erhaben geschnitzten und golden gefassten Initialen C. Auf dem Giebel ebenfalls eine querovale Kartusche mit der in Gold auf schwarzem Grund aufgemalten Inschrift D, darüber im Rollwerk ein Wappen. Die in Schwarz auf grauem Grund aufgemalte Inschrift E befindet sich auf dem Gemälde neben dem rechten Fuß des Dargestellten auf einer Bodenfliese. Unterhalb der Inschrift E eine Restaurierungsinschrift aus jüngerer Zeit.3) Das Epitaph wurde 1686, 1929 und 1981 restauriert.4)

Maße: H.: ca. 300 cm; B.: 153 cm; Bu.: ca. 1–3 cm (A, B), ca. 7,5 cm (C), ca. 4 cm (D), ca. 0,5 cm (E).

Schriftart(en): Mischminuskel mit Kapitalis mit Versalien (A, B), Kapitalis (C, D), Fraktur (E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    Sic oculos, sic ora, manus STEGMANNVS habebat:a) / Ingenÿ dotes inclÿta fama refert.5) / Francia Sultzfeldi vitam: Thuringia vitae / Culturam Eckhardti monte Rosaeq(ue) dedit. // LIPSIA Doctorem Sophiae: WITEBERGA sionisb) / Fecerat: in laudes foverat HAGA Dei. / Excepit Vesaris docturum: dona Lÿcaeum / Miratur:c) Saxum corpus inane tegit.

  2. B

    In memoriam piè defuncti Stegmanni, soceri sui bene de se meriti, hoc condolentiae etd) gratitudinis / monumentum poni curavit. / FRIDERICVS WINEKER. Anno 1634.

  3. C

    J(OSVA) S(TEGMAN)

  4. D

    IOSVA STEGMAN . SS.e) THEOL(OGIAE) DOCTOR. PROFESS(OR) RINTELENS(IS) ET SVPERIN/TEND(ENS) SCHAVMBVRG(ENSIS) NATVS ANNO 1583.f) 14. SEPTEMB(RIS) OBŸT ANNO CHRISTI / 1632. 3 AVGVST(I) AETATIS SVAE 44.

  5. E

    Berendt Woltemate / fecit

Übersetzung:

Solche Augen, ein solches Antlitz, solche Hände hatte Stegmann. Seine geistigen Anlagen jedoch spiegelt sein berühmter Ruf wider. Franken gab ihm in Sülzfeld das Leben, Thüringen in Eckartsberga und Rosa seine Bildung; Leipzig hatte ihn zum Doktor der Philosophie gemacht, Wittenberg zum Doktor der Theologie. Zum Lob Gottes hatte Stadthagen ihn gehegt. Die Weser empfing ihn als künftigen Lehrer; die Universität bewundert seine Gaben. Ein Stein bedeckt seinen leblosen Körper. (A)

Zur Erinnerung an den selig entschlafenen Stegmann, an seinen Schwiegervater, der sich sehr um ihn verdient gemacht hat, ließ Friedrich Wineker dieses Denkmal der trauernden Anteilnahme und der Dankbarkeit setzen im Jahr 1634. (B)

Josua Stegman, Doktor der hochheiligen Theologie, Professor in Rinteln und Superintendent in Schaumburg, geboren im Jahr 1583 am 14. September, starb im Jahr Christi 1632 am 3. August im 44. Lebensjahr. (D)

Berendt Woltemate hat es angefertigt. (E)

Versmaß: Elegische Distichen (A).

Wappen:
Stegmann6)

Kommentar

Josua Stegmann wurde am 14. September 1588 in Sülzfeld (Lkr. Schmalkalden-Meiningen, Thüringen) geboren.7) Sein Vater war der Pfarrer und spätere Superintendent Ambrosius Stegmann, seine Mutter Rebekka die Tochter des Dekans Josua Loner aus Meiningen. Seine Ausbildung nahm in Eckartsberga (Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt) und Rosa (Lkr. Schmalkalden-Meiningen, Thüringen) ihren Anfang. 1608 begann er als Stipendiat des sächsischen Kurfürsten sein Studium an der Universität Leipzig, wo er 1609 den Grad eines Baccalaureus, 1611 den Magistergrad erwarb.8) 1617 wurde er Professor für Theologie am Gymnasium in Stadthagen und übernahm zugleich die Ämter des Oberpredigers und des Superintendenten. Im Rahmen des Reformationsjubiläums 1617 wurde ihm an der Universität Wittenberg die theologische Doktorwürde verliehen.9) 1618 heiratete Stegmann seine Frau Elisabeth Margarete, die Tochter des Amtmanns und Bürgermeisters Heinrich Cropp (Nr. 328) und Witwe seines Amtsvorgängers Johann Jakob Bernhardi (zu ihm Nr. 484).10)

Nach der Verlegung der Universität von Stadthagen nach Rinteln hatte Josua Stegmann dort die zweite Professur für Theologie inne. Bei der Wieden nimmt an, dass Stegmann die erste Professur, die Johannes Gisenius erhielt, nicht angestrebt habe, da er nach einer außerordentlichen Professur suchte, die ihm Zeit zum Schreiben gewähren sollte. Aus demselben Grund habe Stegmann auch Rufe an die Universitäten in Marburg und Helmstedt abgelehnt.11) Anlässlich der Eröffnung der Academia Holsato-Schaumburgica hielt Stegmann am 17. Juli 1621 in der Rintelner Nikolaikirche den Festvortrag mit dem Titel Paradisus Ernestinus.12) 1623 floh Stegmann mit seiner Familie kurzzeitig vor den marodierenden Truppen Christians von Braunschweig-Lüneburg. Nach seiner Rückkehr übernahm er gegenüber den Geistlichen der Grafschaft das Amt des Ephorus.13)

Stegmann, den Gerhard Schormann in seiner Monographie zur Universität Rinteln als „einen der profiliertesten Theologen der Ernestina“14) bezeichnet, veröffentlichte eine Vielzahl kontroverstheologischer Schriften, u. a. gegen den nach dem italienischen Häretiker Lelio Sozzini benannten Sozinianismus, der durch eine Ablehnung des Trinitätsdogmas gekennzeichnet ist.15) Auch mit den Calvinisten setzte Stegmann sich kritisch auseinander.16) Daneben betätigte er sich als Verfasser von Erbauungsliteratur17) und als Kirchenlieddichter. In Stegmanns Schriften sind eine ganze Reihe von Liedtexten ohne Verfasserangabe abgedruckt, doch bleibt in den meisten Fällen unklar, ob er selbst sie gedichtet hat.18) Mit einiger Sicherheit stammt das Lied „Ach bleib mit deiner Gnade“ von ihm, das bis heute im Evangelischen Gesangbuch enthalten ist.19)

Nachdem die Universität Rinteln 1629 durch das Restitutionsedikt nicht nur ihre wirtschaftliche Grundlage verloren hatte, sondern Benediktiner gegen den Widerstand der Professoren auch versuchten, den Lehrbetrieb einzustellen, wurde Stegmann am 13. Juli 1632 zu einer Scheindisputation genötigt, bei der man ihn aber mit Geschrei übertönte.20) Kurze Zeit darauf erkrankte er und starb am 3. August 1632. Er wurde in der Nikolaikirche in Rinteln beigesetzt. Seine Grabplatte ist erhalten (Nr. 580).

Das vorliegende Epitaph wurde von dem Hamelner Maler Berendt Woltemate († 1680) angefertigt.21) Auftraggeber war Friedrich Wineker aus Rodenberg, Stegmanns Schwiegersohn. Wineker studierte den Angaben Christian Dolles zufolge in Rinteln, Leipzig, Rostock, Wittenberg und Jena. 1634 erlangte er den Grad des Lizentiaten an der Universität Rinteln.22) Er war von 1635 bis 1643 Pastor in Hameln, ab 1644 Hofprediger und Mitglied des Konsistoriums in Hannover. Er starb 1666.23)

Textkritischer Apparat

  1. habebat:] kleiner unterhalb der Zeile.
  2. sionis] kleiner unterhalb der Zeile. Sionis Hauber, Dolle.
  3. Miratur:] Hauber, Dolle; jetziger Befund: Miratia: (Fehlrestaurierung; der u-Haken ist noch erkennbar).
  4. et] E Tebbe.
  5. Aufzulösen als S(ACRO)S(ANCTAE) oder S(ANCTISSIMAE).
  6. 1583.] statt 1588.; vermutlich Fehlrestaurierung.

Anmerkungen

  1. Tebbe, Epitaphien, S. 232.
  2. F W. N.
  3. Renovatus Anno 1686 / â N. I. T. R.
  4. Von Poser, St. Nikolai Rinteln, S. 18.
  5. Vgl. zu diesem topischen Gegensatz, wonach die bildende Kunst nur den Körper eines Gelehrten darstellen kann, wohingegen sein wahres Bild nur aus seinen geistigen Leistungen zu ersehen ist, Walther Ludwig, Das bessere Bild des Gelehrten, in: Philologus 142 (1998), S. 123–161.
  6. Wappen Stegmann (Pelikan mit drei Jungen). Der Pelikan als Symbol Christi ist typisch für Pfarrerwappen.
  7. Dass in dem Epigramm in Inschrift A behauptet wird, der Ort liege in Franken, könnte auf einer Verwechslung mit Sulzfeld im fränkischen Lkr. Kitzingen (Bayern) beruhen.
  8. Jüngere Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 444.
  9. Matrikel Wittenberg, Jüngere Reihe, Teil 1, S. 212f.
  10. Bei der Wieden, Stegmann, Josua, Sp. 1271; Hänsel, Catalogus Professorum Rinteliensium, Nr. 3, S. 2f.
  11. Bei der Wieden, Stegmann, Josua, Sp. 1271.
  12. Heidkämper, Josua Stegmann. Ein Kämpfer für Rechtgläubigkeit, S. 236; Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 145, S. 109.
  13. Bei der Wieden, Stegmann, Josua, Sp. 1271.
  14. Schormann, Academia Ernestina, S. 60.
  15. Dazu Schormann, Academia Ernestina, S. 65–71; vgl. Heidkämper, Josua Stegmann. Ein Kämpfer für Rechtgläubigkeit, S. 230–235.
  16. Vgl. Schormann, Academia Ernestina, S. 121; eine Liste der Publikationen Stegmanns bei Bei der Wieden, Stegmann, Josua, Sp. 1272–1274.
  17. Vgl. dazu Heidkämper, Josua Stegmann. Ein Kämpfer für Rechtgläubigkeit, S. 237f.
  18. Fischer/Tümpel, Das deutsche evangelische Kirchenlied, Bd. 2, Nr. 456–479 (S. 476–499). Dolle (Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 143) schreibt Stegmann sieben Lieder zu.
  19. Evangelisches Gesangbuch, Nr. 347. Vgl. zu dem Lied Heidkämper, Josua Stegmann. Ein Kämpfer für Rechtgläubigkeit, S. 238f.
  20. Dazu Schormann, Academia Ernestina, S. 121f.; vgl. Dolle, Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 121–126.
  21. Woltemate bezeichnete sich auf einem 1651 geschaffenen Altar in der Andreaskirche von Harderode (Lkr. Hameln-Pyrmont) als pictor Hamelensis (Kdm. Kreis Holzminden, S. 285). Die Angabe des Todesjahrs nach Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat.-Nr. 968, S. 898. Weitere Werke: Abendmahlsbild in der Kirche Niederbörry (Börry, Lkr. Hameln-Pyrmont; vgl. Kdm. Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 116), Altarretabel in St. Nikolai in Lemgo (DI 59 (Stadt Lemgo), Nr. 218).
  22. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 517f. Durch Matrikelbücher nachweisbar ist nur das Studium in Rostock (Matrikel Rostock, Bd. 3, S. 65, Nr. 31, Eintrag vom Mai 1626) und in Jena (Matrikel Jena, Bd. 1, S. 364, Eintrag vom Jahr 1631).
  23. Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 400 u. 441; Dolle Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 517–519 mit einer Liste seiner Publikationen.

Nachweise

  1. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 108f. (A, B).
  2. Dolle, Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 129 (A, B).
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 122, S. 323 (A–C nach Dolle).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 589 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0058902.