Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 582 Bückeburg, Stadtkirche 1633

Beschreibung

Grabplatte für Ahasver Luther von Amelunxen. Stein. Die hochrechteckige Grabplatte ist außen an der Südseite der Kirche als siebte Platte von Westen aufgestellt. Sie zeigt im achteckigen, vertieften Innenfeld die erhaben ausgeführte, zentriert angeordnete Inschrift A. In den vier Ecken der Platte in hochrechteckigen, jeweils zum Innenfeld hin abgeschrägten, vertieften Feldern vier Vollwappen mit den vermutlich ehemals jeweils darüber (obere Wappen) bzw. darunter (untere Wappen) eingehauenen Beischriften B, von denen jedoch die beiden oberen Beischriften und die heraldisch linke unten nicht mehr erkennbar sind. Die Inschriften sind durch Abnutzung und Verwitterung der Platte stellenweise beschädigt.

Maße: H.: 260 cm; B.: 164 cm; Bu.: 5 cm (A), 2,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/2]

  1. A

    B(ONAE) M(EMORIAE) S(ACRUM) / AHASSVERUS LUTHERUS AB AMELUNXEN / CONSILIARIUS NUPER HOLSATO SCHAUMBURGICUS / VIR DUM VITA FUIT / IUSTI ET RECTI TENACISSIMUS1) / INTERQVE NOVATOS SUBINDE MORES / ET TOT VARIANTIS FORTUNAE ACERBITATES / ANTIQVA SEMPER VIRTUTE / ET CONSTANTI IN SUM[M]UM NUMEN FIDUCIA / TUM VERO / PIETATE IN OMNE AEVUM PRO EXEMPLO ME/MORANDAa) / ATQVE ADEO / MAGNUM GERMANAE NOBILITATIS / ET / MAIORUM SUORUM DECUS / DECLINANTE POSTREMUM AETATE / NON VNO IMPETITUS MORBO / TANDEMQVE DEIECTUS ET VIVIS EXEMPTUS / HEIC IACET / EXCESSIT ANNO M DC XXXIII / DIE XXI OCTOB(RIS) / TULITQVE SECVM ANNOS [L]VII[I]b) / MENSES VII[I]c) / DIES XVI / TU NUNC VIDE VIATOR / DE VITA ET FORTUNA TIBI QVID PRO=/MITTAS AMPLIUS / QVANDO INTER ORBIS HUIUS ASPERITATES / TAM LUBRICA OPTIMORUM / SUNT CURRICULA / HAVE ET VALE.d)

  2. B

    [ - - - ]  [ - - - ] 
    V(ON) B[ . . ]T[ . ]ERSW[ . ]CH  [ - - - ] 

Übersetzung:

Dem guten Andenken geweiht. Ahasver Luther von Amelunxen, ehemals holstein-schaumburgischer Rat, hielt, solange er am Leben war, beharrlich an dem fest, was recht und billig ist. Unter nicht selten sich ändernden Gepflogenheiten und so vielen bitteren Wechselfällen des Schicksals zeigte er immer seine bewährte Tapferkeit und beständige Treue gegenüber dem höchsten Gott, schließlich aber ein Pflichtbewusstsein, an das man sich für alle Zeiten als Beispiel erinnern sollte; und deshalb war er eine große Zierde des wahren Adels und seiner Vorfahren. Als sich schließlich seine Lebenszeit neigte, wurde er von nicht nur einer Krankheit befallen und schließlich zu Boden gestreckt und aus dem Kreis der Lebenden genommen. Er liegt hier begraben. Er starb im Jahr 1633 am 21. Oktober und nahm [58] Jahre, acht Monate und 16 Tage mit sich. Du, Wanderer, sieh jetzt, was du dir vom Leben und vom Schicksal noch weiter versprichst, wenn doch in den Schwierigkeiten dieser Welt die Bahnen selbst der Besten so unsicher sind. Sei gegrüßt und lebe wohl. (A)

Wappen:
Amelunxen2)Stockhausen4)
Blitterswick3)Pladise5)

Kommentar

Eng spationierte Kapitalis mit breiter Strichstärke und ausgeprägten schräggestellten Sporen, die über die Oberlinie hinausragen, insbesondere beim Balken des T und beim oberen Balken des E. Rundes U und V werden je nach Lautwert gebraucht (mit Ausnahme von SECVM; am Wortanfang und nach Q wird stets V verwendet). Die s-förmig geschwungene Cauda des Q durchschneidet an zwei Stellen die geschlossene Bogenlinie. Das untere Bogenende des S endet teilweise in einer tropfenförmigen Verdickung. Die Schriftgestaltung ähnelt derjenigen auf der Grabplatte für Josua Stegmann (Nr. 580). Eine ähnliche Kapitalis, allerdings aus eingehauenen Buchstaben, zeigen die Grabplatten für Johann Hermann von Münchhausen (Nr. 601), Anna Catharina Gans (Nr. 602) und Amalia Lucia von Münchhausen (Nr. 605).

Zur sprachlichen Gestaltung der Grabinschrift vgl. Einleitung Kap. 6.1.

Ahasver Luther (Schweder Lutger) von Amelunxen, Erbherr auf Amelunxen (Kreis Höxter, Nordrhein-Westfalen), wurde 1575 als Sohn des Robert von Amelunxen6) und der Marie von Stockhausen geboren.7) Er immatrikulierte sich am 27. Oktober 1594 an der Universität Helmstedt.8) Von Amelunxen gehörte zum engeren Beraterkreis des Grafen Ernst von Holstein-Schaumburg und war schaumburgischer Geheimrat am Hof in Bückeburg. Über seine Tätigkeit ist nur wenig bekannt.9) Unter anderem unternahm er 1631 eine Gesandtschaftsreise an den Hof in Kassel.10) 1612 erhielt von Amelunxen einen Hof in der Trompeterstraße 10 in Bückeburg von Graf Ernst als Geschenk. 1620 erwarb er zusätzlich den Oberstenhof.11) Ein Postament mit seinen Initialen, das von einem dieser Adelshöfe stammen dürfte, befindet sich im Museum Bückeburg (Nr. 535).

Ahasver Luther von Amelunxen war in erster Ehe seit 1601 mit Catharina Osterheld von der Lippe verheiratet, einer Tochter des Erich von der Lippe und der Catharina von Kanne.12) Nach deren Tod im Jahr 1613 heiratete er 1619 Dorothea von Wrisberg, eine Tochter des Christoph von Wrisberg und der Gertrud von Münchhausen.13) Sie wurde am 8. April 1587 in Wrisbergholzen geboren, wo sie am 6. April 1624 auch starb und begraben wurde.14)

Zwei der Kinder Ahasver Luthers von Amelunxen fielen im Jahr 1626 Krankheiten zum Opfer: die damals 16-jährige Elisabeth, eine Tochter aus der ersten Ehe, am 24. November15) und der sechsjährige Sohn Ernst aus der Ehe mit Dorothea von Wrisberg am 4. Juni.16)

Ahasver Luther von Amelunxen starb der Inschrift zufolge am 21. Oktober 1633. Ein Porträt findet sich im Stammbuch der Katharina von Canstein.17)

Textkritischer Apparat

  1. ME/MORANDA] MEMORANDO Michel.
  2. [L]VII[I]] ergänzt nach Michel.
  3. VII[I]] VII Michel.
  4. TENACISSIMUS … VALE.] fehlt Kdm.

Anmerkungen

  1. Die Formulierung ist inspiriert vom Anfang der dritten Römerode des Horaz (carmina 3,3,1): Iustum et tenacem propositi virum.
  2. Wappen Amelunxen (zwei mit je vier Eisenhüten belegte Pfähle, Helmzier: acht Lanzen mit nachwehenden Wimpeln); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 4 u. Tafel 6 (Eisenhüte hier nur fragmentarisch erhalten).
  3. Wappen Blitterswick (schreitender Löwe mit beringtem Halsband); vgl. DI 59 (Stadt Lemgo), Nr. 104, Anm. 28.
  4. Wappen Stockhausen (gestümmelter Eichenstamm mit zwei Blättern); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 122 u. Bd. 2, Tafel 309; hier abweichend: Lindenblätter.
  5. Wappen Pladise (drei Stechpalmblätter 2:1); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 99 u. Bd. 2, Tafel 244; hier abweichend: balkenweise gestellt (vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 105, 117, 204 u. 241).
  6. Dieser war der Sohn des Moritz von Amelunxen und der Lucia von Blitterswick (von Buttlar, Stammbuch s. v. von Amelunxen zu Hofgeismar, Kelse etc., Tafel I).
  7. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 9 (1958), Nr. 12, ohne Seitenzählung, Grabstein 7.
  8. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 115, Nr. 235.
  9. Schormann, Academia Ernestina, S. 22.
  10. NLA BU, F 3 Nr. 60 (nach Findbuch).
  11. Albrecht, Adelshöfe in Bückeburg, S. 13 u. 16.
  12. von Buttlar, Stammbuch s. v. von Amelunxen zu Hofgeismar, Kelse etc., Tafel I.
  13. Zu Christoph von Wrisberg DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 301, 302; zu Gertrud von Münchhausen im vorliegenden Band Nr. 346.
  14. Leichenpredigt für Dorothea von Wrisberg, Titelblatt u. S. 54f. In der Leichenpredigt auf S. 70 der Entwurf einer Grabinschrift.
  15. Leichenpredigt für Elisabeth von Amelunxen, Titelblatt u. S. 37.
  16. Leichenpredigt für Ernst von Amelunxen, S. 23. Er wurde in Bückeburg begraben. Im Anhang der Leichenpredigt ist der Entwurf für seine Grabplatte abgedruckt (S. 27): B(ONAE) M(EMORIAE) S(ACRUM) / NON NOVUM; SED ACERBUM EST, / QUOD ITERUM DE MORTE QUERIMUR: / ILLA / ERNESTUM AB AMELUNXEN, AHASVERI LUTHERI FILIUM / ROBERTI NEPOTEM / MAURITII PRONEPOTEM / INDOLIS OPPIDO AMOENAE; / ET / NOBILEM CUM PRIMIS, PUELLULUM, / LENTA DIU FEBRI OCCUPATUM / MAJORIS TANDEM INDUCTA MALI / PERTINATIA / ANTE TEMPUS / VIVIS EXEMIT, / CUJUS ILLUD, / QUOD AD TERRAM PERTINEBAT, / HOC SUB SAXO CONDI / MOESTISSIMUS VIDERE SUSTINUIT PATER; / EXEMPLO, INTER CAETERA, DOCTUS / DOMESTICO; / FATA / MORTALES CITANDO, / ORDINEM NON SERVARE. / EXCESSIT ANNO : M DC XXVI, / IUNII DIE QUARTO, / POSTQUAM VIXISSET ANNOS VI. / MENSES : IIII. / DIES : XIIII. / HORAS : VI. / HAVE ET AETERNUM VALE / GLORIOSO MATURE ADSCITA CAELI CONTUBER=/NIO ANIMULA! („Dem guten Andenken geweiht. Es ist nichts Neues, aber doch bitter, dass wir wiederum über den Tod klagen müssen: Er hat vor der Zeit Ernst von Amelunxen, den Sohn des Ahasver Luther, den Enkel des Robert, den Urenkel des Moritz, ein Knäblein von überaus reizenden Anlagen, und zwar ein besonders edles, aus der Mitte der Lebenden genommen, nachdem es lange Zeit an einem zähen Fieber litt und sich schließlich eine schlimmere Krankheit mit Hartnäckigkeit eingestellt hatte. Der tieftraurige Vater musste es ertragen zu erleben, wie das von seinem Sohn, was zur Erde gehörte, unter diesem Stein begraben wurde. Unter anderem durch dieses Beispiel im eigenen Haus wurde er darüber belehrt, dass das Schicksal, wenn es die Sterblichen ruft, nicht auf die natürliche Reihenfolge achtet. Er verschied im Jahr 1626 am 4. Juni, nachdem er sechs Jahre, vier Monate, 14 Tage und sechs Stunden gelebt hatte. Sei gegrüßt und lebe auf ewig wohl, du Seelchen, das frühzeitig unter die glorreiche Bewohnerschaft des Himmels aufgenommen wurde.“) Ob der Text in diesem Wortlaut als Inschrift ausgeführt wurde, ist nicht nachzuweisen.
  17. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, R 4 Nr. 39168 (nach Findbuch).

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 28 (teilweise).
  2. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 9 (1958), Nr. 12, ohne Seitenzählung, Grabstein 7.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 582 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0058206.