Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 567 Stadthagen, St. Martini, Mausoleum 1626, 1627

Beschreibung

Zwei Gemälde. Öl auf Leinwand. Das zuerst entstandene Gemälde „Auferweckung des Lazarus“ ist im Mausoleum in der Nische südlich der Eingangstür angebracht. Das Gemälde zeigt links Jesus, bei ihm Maria und Martha und eine größere Menschenmenge. Rechts im Bild in einem aus Stein gemauerten Gebäude der auferstandene Lazarus, der von einigen Männern gestützt und umringt auf der Kante seines Grabes sitzt. Die Inschrift I ist auf der Seitenfläche eines flachen Steins am unteren Bildrand in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt.

Das jüngere Gemälde „Vision des Ezechiel“ ist im Mausoleum in der Nische nördlich der Eingangstür angebracht. Das Gemälde zeigt, wie das Volk Israel durch Gottes Odem wieder lebendig wird; in der Bildmitte der blau gekleidete Prophet. Die Inschrift II ist auf der Seitenfläche eines flachen Steins am unteren Bildrand in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt.

Maße: H.: 207 cm; B.: 293,5 cm (I), 291 cm (II) (mit Rahmen); Bu.: 1 cm (I), 0,6–0,7 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/4]

  1. I

    ANTONIUS BOTEN F(ECIT) / ANNO . MDCXXVI.

  2. II

    ANTONIUSa) BOTEN IDEM ILLE QUI / MONUMENTUM HOCb) ARCHITECTA=/TUS EST, PINXIT , ANNOc) . M . DCXXVII ,

Übersetzung:

Anton Boten hat dies geschaffen im Jahr 1626. (I)

Anton Boten, derselbe, der dieses Monument erbaut hat, hat dies gemalt im Jahr 1627. (II)

Kommentar

Kapitalis mit Bogen- und Linksschrägenverstärkung; Strichsporen. Die Buchstaben mit ihrem fast quadratischen Grundriss nähern sich dem Ideal der klassischen Kapitalis an. Rundes U.

Der Maler Anton Boten war bereits im Jahr 1608 für Graf Ernst von Holstein-Schaumburg am Bückeburger Schloss tätig als Geselle des Hildesheimer Malers Johannes Hopffe (vgl. Nr. 453). 1609 wurde Boten von Graf Ernst zu einem dreijährigen Aufenthalt nach Augsburg zu Hans Rottenhammer entsandt. Im Gegenzug für dieses Stipendium sollte Boten dem Grafen jedes Jahr ein Bild zukommen lassen, um seine Fortschritte zu dokumentieren. Darüber hinaus war es üblich, dass die auf solche Weise geförderten Künstler die Verpflichtung eingingen, nach ihrer Rückkehr in Diensten ihrer Förderer zu arbeiten. 1619 übernahm Boten die Aufsicht über den Bau des Mausoleums in Stadthagen und fertigte vermutlich auch Entwürfe dazu an. Er selbst schuf neben den vorliegenden Gemälden, für die er 1629 seinen Lohn erhielt, wahrscheinlich auch die Fresken der Kuppel (Nr. 546).1) Ferner wird ihm eine Darstellung Ernsts auf dem Totenbett zugeschrieben, die jetzt ebenfalls im Mausoleum hängt.2) Fraglich ist, ob die beiden vorliegenden Gemälde „Vision des Ezechiel“ und „Auferweckung des Lazarus“ von Anfang an als Teil der Innenausstattung des Mausoleums vorgesehen waren; Marie-Theres Suermann weist darauf hin, dass sie zu Lebzeiten des Grafen Ernst nirgends erwähnt sind.3)

Die alttestamentliche Vision des Ezechiel von einem durch Gottes Odem wieder lebendig werdenden Knochenfeld4) steht in typologischer Beziehung zur Auferweckung des Lazarus.5) Bereits in dem zwischen 1603 und 1608 entstandenen Bildprogramm der Bückeburger Schlosskapelle wurden diese Szenen aufgegriffen (Nr. 452). Im Mausoleum ergibt sich ein weiterer Bezug zu der in der Raummitte positionierten Skulptur des auferstandenen Christus (vgl. Nr. 505).6) Botens Darstellung der Auferweckung des Lazarus orientiert sich, wie Thomas Fusenig zeigen konnte, am Stil Paolo Veroneses.7)

Boten gelangte durch seine Tätigkeit offenbar zu einigem Wohlstand, da sich die Stadt Stadthagen 1628 Geld von ihm lieh, um den finanziellen Kriegsfolgen zu begegnen.8) Er heiratete 1629 Elisabeth Kestner, die Tochter Balthasar Kestners (Nr. 615). Boten begab sich später an den Hof Herzog Augusts von Braunschweig-Lüneburg in Celle (reg. 1633–1636) und wurde dann Hofarchitekt bei Graf Anton Günter von Oldenburg.9)

Textkritischer Apparat

  1. ANTONIUS] ANTON Dolle.
  2. MONUMENTUM HOC] hoc monumentum Hauber, Dolle.
  3. ANNO] A(NNO) Hauber; fehlt Dolle.

Anmerkungen

  1. Fusenig, Auferweckung des Lazarus, in: Kastler/Lüpkes (Hg.), Weser, Bd. 2, S. 316–319; vgl. Habich, Residenz Bückeburg, S. 18; Meine-Schawe, Neue Forschungen zum Mausoleum, S. 78.
  2. Bei der Wieden, Ein norddeutscher Renaissancefürst, S. 120, Abb. 46; vgl. Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 17. Bruck hält es ferner für möglich, dass die Porträts des Fürsten Ernst und seiner Frau Hedwig, die üblicherweise Rottenhammer zugeschrieben werden (Borggrefe, Schloss Bückeburg, S. 10), ebenfalls von Boten stammen (Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 20).
  3. Suermann, Mausoleum, S. 27.
  4. Ez 37,1–14.
  5. Jh 11,11.
  6. Ein Bezug zwischen der Vision des Ezechiel und der Auferstehung Christi wurde bereits von den Kirchenvätern, z. B. Ambrosius und Augustinus, hergestellt (Wilhelm Neuß, Die Entwicklung der theologischen Auffassung des Buches Ezechiel bis zur Zeit der Frühscholastik, Münster 1911, S. 89).
  7. Fusenig, Auferweckung des Lazarus (wie oben Anm. 1), S. 316–318.
  8. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 383,13.
  9. Bei der Wieden, Ein norddeutscher Renaissancefürst, S. 101f.

Nachweise

  1. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 87f.
  2. Dolle, Vermischte Beytraege 1, S. 98.
  3. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 573.
  4. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 76f.
  5. Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 17.
  6. Suermann, Mausoleum, S. 27.
  7. Fusenig, Auferweckung des Lazarus, in: Kastler/Lüpkes (Hg.), Weser, Bd. 2, S. 316–319, dort S. 316 mit Anm. 6 u. Abb. S. 317 u. 319.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 567 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0056709.