Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 559 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1626

Beschreibung

Grabplatte für Anna Schnurpil. Stein. Die hochrechteckige Platte ist am Westeingang der Kirche als erste Platte auf der linken Seite des Mittelgangs in den Boden eingelassen und zeigt im achteckigen, vertieften Innenfeld die erhaben ausgeführte Inschrift. Am linken Rand sind Buchstaben durch ein Gestühlspodest verdeckt. Wo sie nicht aufgrund des noch lesbaren Befunds erschließbar sind, werden sie hier nach einer im Jahr 1926 entstandenen Fotografie von Reinhold Mittendorf ergänzt.

Maße: H.: 225 cm; B.: 103 cm (sichtbarer Teil); Bu.: 6–6,5 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. HI[C] / [P]IAS EX[U]VIAS / [DIL]ECT[I]SSIMA[E]a) / CONIVGIS ANNAE / S[NVRP]ILS / [Q]VA[S] / [DI]E XXIVb) OCTOBRIS / [H]ORA Vc) MATVTINA / [A]NNO CHRISTI M DC XXVId) / [AE]TATIS VERO XXXIII / [ET] CONIVGII XIV / [LIBER]ISe) IV POST SE RELICTI[S] / [TO]TIDEMQVE PRAEMISSIS / DEO SIC VOLENTE / DEPOSVIT / [IOAN]NES PRANGIVSf) / [HVIV]Sg) ECCLESIAE PASTOR / XVIh) EIVSDEM / [M]ATRI TERRAE / [IN SPE]Mi) RESVRRECTIONI[S] / [CO]MMENDAVIT

Übersetzung:

Hier übergab Johannes Prange, seit 16 Jahren Pastor eben dieser Kirche, die frommen sterblichen Überreste seiner vielgeliebten Ehefrau Anna Schnurpil, die sie, weil Gott es so wollte, am 24. Oktober zur fünften Morgenstunde im Jahre Christi 1626 im 33. Lebensjahr und im 14. Jahr ihrer Ehe – sie hinterließ vier Kinder, und ebenso viele waren ihr schon vorausgegangen – ablegte, in die Mutter Erde in der Hoffnung auf die Auferstehung.

Kommentar

Leicht schrägliegende Kapitalis mit wenig ausgeprägtem Wechsel zwischen Haar- und Schattenstrichen. Ausgeprägte Sporen an S, C und an den Balken von E und T. X aus zwei voneinander abgewendeten Bögen und einem Mittelbalken. C zum Teil weit offen. Oft weite Abstände zwischen den Buchstaben.

Anna Schnurpil, geboren 1594, war eine Tochter Johann Schnurpils, der von 1594 bis 1600 zweiter Prediger in Stadthagen und anschließend bis zu seinem Tod 1611 Pastor in Jetenburg war (Nr. 424).1) Sie heiratete um 1612/1613 den Amtsnachfolger ihres Vaters, Johannes Prange.2) Wie die Inschrift besagt, gingen aus der Ehe acht Kinder hervor, von denen vier bereits gestorben waren, als die Mutter am Morgen des 24. Oktober 1626 im Alter von 33 Jahren ebenfalls verstarb.

Johannes Prange, der am 6. Mai 15883) als Sohn des Pastors Melchior Prange und der Pastorentochter Elisabeth Winthorn4) in Segelhorst geboren worden war, setzte die Pastorentradition seiner Familie fort. Nachdem er in Halle das Gymnasium besucht hatte, studierte er ab 1608 in Gießen Theologie.5) Er übernahm nach seiner Zeit als Pastor in Jetenburg (1611–1615) die erste Pfarrstelle in Bückeburg (bis 1654). Nach dem Tod Johannes Michelbachs (Nr. 539) 1625 war er zugleich Hofprediger unter Jobst Hermann von Holstein-Schaumburg (1627–1638). Nach dem Tod des Johannes Gisenius wurde er auch Landessuperintendent (1644–1654).6)

In zweiter Ehe heiratete er am 29. April 1627 Eleonore Michelbach, eine Tochter aus der Ehe seines Amtsvorgängers Johannes Michelbach mit Magdalena Holtzapfel (Nr. 619). Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor.7) Prange starb am 2. Januar 1654 in Folge eines Schlaganfalls, den er am 1. Januar erlitten hatte. Er wurde am 10. Januar in der Bückeburger Stadtkirche bestattet, wo noch seine Grabplatte erhalten ist.8) Sein Sohn Ernst Wilhelm Prange (1628–1676) wurde sein Nachfolger als Inhaber der ersten Pfarrstelle an der Bückeburger Stadtkirche.9)

Textkritischer Apparat

  1. [DIL]ECT[I]SSIMA[E]] ergänzt nach Fotografie.
  2. XXIV] 24. Prinz.
  3. V] 5 Prinz.
  4. I in Konturschrift auf dem Rand.
  5. [LIBER]IS] ergänzt nach Fotografie.
  6. ES PRANGIVS] in etwas größerer Buchstabenhöhe.
  7. [HVIV]S] ergänzt nach Fotografie.
  8. XVI] XXVI Prinz.
  9. [IN SPE]M] ergänzt nach Fotografie.

Anmerkungen

  1. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 138 und Bd. 2, S. 397; Prinz, Grabdenkmäler, S. 31. Anna Schnurpils Mutter, deren Name nicht bekannt ist, starb kurz vor ihr und wurde am 10. Oktober 1626 in Jetenburg begraben.
  2. Prinz, Grabdenkmäler, S. 31.
  3. In der Leichenpredigt ist der 27. Mai als Geburtsdatum angegeben (Leichenpredigt für Johannes Prange, S. 37).
  4. Elisabeth Winthorn war eine Tochter des Pastors Johann Winthorn, der als erster nachreformatorischer Geistlicher in Jetenburg tätig war. Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 138, Bd. 2, S. 365; Prinz, Grabdenkmäler, S. 32, Anm. 3.
  5. Leichenpredigt für Johannes Prange, S. 39; Matrikel Gießen, Eintrag vom 16. April 1608, Nr. 57 (S. 171).
  6. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 137f. Vgl. Leichenpredigt für Johannes Prange, S. 44f.
  7. Prinz, Grabdenkmäler, S. 51. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 410, Anm. 2; Leichenpredigt für Johannes Prange, S. 42f.
  8. Der biographische Teil der Inschrift lautet: S(ACRUM) . AETERNAE · MEMORIAE / VIRI PLURIMUM REVERENDI ET CLARISSIMI / D(OMINI) · IOANNIS PRANGII / THEOLOGI VERISSIMI / ECCLESIARUM BUCKEBURGENSIUM STAD/HAGENSIUM ET SAXENHAGENSIUM / SUPERATTENDENTIS ACERRIMI AEDISQVE / HUIUS MYSTAE FACUNDISSIMI / HEIC CUM / PIETATE PROBITATE LABORE VIGORE ET / CONSTANTIA ANIMI INCOMPARABILI / CONCREDITAM PER ANNOS XLII / PURE DOCUISSET CONCIONEM / VALENTIBUS VIRIBUS FRONTE PORRECTA / LUMINE INDESINENTI / ACUMINE AUTEM MENTIS ACUTISSIMO / IN IPSO MUNERIS MOLIMINE / MEDIOQ(VE) CURSUS CIRCULO S(ANCTO) CIRCUMCISIONIS D(OMI)NI FESTO / ANNI MDCLIV AETAT(IS) LXVI MALIGNA SUBITO CORREPTUS GUTTA / ANIMAM COELO FAMAM ORBI CORPUS / TERRAE COMMENDAVIT / VALE. („Gewidmet dem ewigen Andenken des hochwürdigsten und hochberühmten Herrn Johannes Prange, wahrhaftigstem Theologen, energischem Superintendenten der Kirchen von Bückeburg, Stadthagen und Sachsenhagen, wortgewaltigem Priester dieser Kirche. Er hatte hier mit unvergleichlicher Frömmigkeit, Rechtschaffenheit, Anstrengung, Kraft und Beständigkeit 42 Jahre lang, wie ihm aufgetragen war, die reine Lehre gepredigt bei voller Kraft, mit mannhaftem Mut und nicht nachlassender geistiger Klarheit, nicht zuletzt mit feinstem Scharfsinn. Gerade während er seinen Aufgaben nachging und mitten in seiner Lebensbahn wurde er am heiligen Fest der Beschneidung des Herrn im Jahr 1654 plötzlich im 66. Lebensjahr von einem bösartigen Schlagfluss getroffen und übergab seine Seele dem Himmel, seinen Ruhm dem Erdkreis und seinen Leib der Erde. Lebe wohl.“) Der Text der Inschrift ist auch in der Leichenpredigt auf Johannes Prange (S. 50) und bei Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 140 abgedruckt.
  9. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 138.

Nachweise

  1. Fotografie von Reinhold Mittendorf (Museum Bückeburg, Bildarchiv VI,37, Nr. 19).
  2. Prinz, Grabdenkmäler, Nr. 12, S. 31.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 559 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0055904.