Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 544(†) Stadthagen, St. Martini, Mausoleum 1625

Beschreibung

Fries. Stein. Die Inschrift verläuft an sechs der sieben Außenwände des an die St. Martini-Kirche angebauten Mausoleums auf dem Fries des Hauptgesimses. Sie ist eingehauen; in die Kerbe sind vergoldete Metallbuchstaben eingelegt. Die Inschrift wurde stark restauriert oder möglicherweise vollständig neu angebracht,1) die Metalleinlagen, die 1766 bereits weitgehend herausgebrochen waren,2) sind erneuert.

Maße: Bu.: ca. 25 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. MONUMENTUM PRIN(CIPIS) / ERNESTI COMIT(IS) H(OLSATIAE) S(CHAUENBURGAE) / QUOD A(NN)Oa) M. DC. XX. À VIVOb) / COEPTUM, TERTIO POST / ILLUSTRISS(IMI)c) ABSOLVIT / VIDUA HEIDEWIGIS.

Übersetzung:

Grabmal des Fürsten Ernst, des Grafen von Holstein-Schaumburg, das im Jahr 1620 von ihm noch zu Lebzeiten begonnen wurde und das seine Witwe Hedwig im dritten Jahr nach dem Tod3) des durchlauchtigsten (Fürsten) vollendet hat.

Kommentar

Hedwig von Hessen-Kassel wurde 1569 als Tochter des Landgrafen Wilhelm IV. (des Weisen) und der Sabina von Württemberg geboren. 1597 heiratete sie in Schmalkalden Graf Ernst von Holstein-Schaumburg und residierte mit ihm zunächst in Sachsenhagen, bis Ernst 1601 an die Alleinregierung kam. Die Ehe blieb kinderlos. Hedwig starb am 7. Juli 1644 und wurde am 9. Oktober desselben Jahres in der Gruft unter dem Mausoleum bestattet.4)

Das Mausoleum, das von Johann Petrus Lotichius in eine Reihe mit den Sieben Weltwundern gestellt wird,5) wurde in den Jahren 1619 bis 1625 im Auftrag des Fürsten Ernst von Holstein-Schaumburg erbaut. Erste Pläne zum Bau hatte Ernst bereits im Jahr 1608; er beauftragte zunächst den sächsischen Hofarchitekten Giovanni Maria Nosseni mit einem Entwurf. 1612 trennte sich Fürst Ernst von Nosseni.6) Erst im Jahr 1616 lassen sich wieder Spuren von Ernsts Plänen zur Errichtung eines Mausoleums nachweisen. Die Errichtung dürfte 1619 in Angriff genommen worden sein, denn von da an führte Ernst ein Bauausgabenbuch; allerdings scheint sich der tatsächliche Baubeginn bis 1621 verzögert zu haben. Die Inschrift gibt 1620 als Baubeginn an. Nach dem Tod des Fürsten Ernst im Jahr 1622 führte die Witwe Hedwig von Hessen-Kassel die Arbeiten fort. Als Bauleiter wurde der Maler Anton Boten eingesetzt (zu ihm Nr. 567), der wohl auch die Innenausmalung übernahm (Nr. 546). Der Inschrift ist, wenn man dem Wortlaut der Überlieferung des 18. Jahrhunderts folgt (vgl. Anm. c), das Jahr 1625 als Zeitpunkt der Fertigstellung zu entnehmen. Dies lässt sich auch durch die archivalische Überlieferung stützen; demnach wurden 1625 letzte Lohnforderungen beglichen und die Särge Ernsts und seiner Eltern in die neue unter dem Mausoleum gelegene Gruft überführt.7)

Als architektonisches Vorbild für das Mausoleum wird die Medici-Kapelle an der Kirche San Lorenzo in Florenz angeführt; ferner ist an Heilig-Grab-Bauten zu denken.8) Die am Fries umlaufende Umschrift hat eine Parallele in der ebenfalls von Nosseni gestalteten Grablege der Wettiner am Dom in Freiberg.9)

Textkritischer Apparat

  1. O hochgestellt.
  2. VIVO] Viro Baresel-Brand.
  3. ILLUSTRISS(IMI)] ILLUSTRISS(IMI) OBITUM Hauber, Dolle; ILLUSTRISSIMI OBITUM Grupen. Das Fehlen des Wortes OBITUM könnte auf einer Fehlrestaurierung beruhen. Steinicke schlägt statt ABSOLVIT die Emendation OB(ITUM) SOLVIT vor, die jedoch sprachlich unbefriedigend bleibt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Anm. c.
  2. Meine-Schawe, Neue Forschungen zum Mausoleum, S. 102 mit Anm. 202.
  3. Die Übersetzung folgt der Überlieferung des 18. Jahrhunderts (Hauber, Dolle und Grupen; vgl. Anm. c).
  4. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 121, S. 149f.
  5. Zit. n. Dolle, Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 315ff., Anm. k.
  6. Ausführlich zu den Verhandlungen zwischen Ernst und Nosseni Meine-Schawe, Neue Forschungen zum Mausoleum, S. 79–90. – Allgemein zu Nosseni vgl. Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 859–861 (mit weiterführender Literatur).
  7. Suermann, Mausoleum, S. 21–28.
  8. Suermann, Mausoleum, S. 36f. u. 85f.; vgl. Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 737f.; Sven Hauschke, Überlegungen zu Material und Typus. Das Grabdenkmal des Grafen Ernst von Holstein-Schaumburg von Adriaen de Vries in Stadthagen, in: Neue Beiträge zu Adriaen de Vries, S. 89–99, dort S. 94. Ohne eigentliches architektonisches Vorbild ist der siebeneckige Grundriss des Zentralbaus (Suermann, Mausoleum, S. 38). Hierfür wurde die babylonische Kosmogonie, hermetisch-kabbalistisches Schrifttum (ebd., S. 37–44) und die Rosenkreuzerbewegung als Erklärungsansatz vorgebracht: Das in der rosenkreuzerischen Programmschrift Fama Fraternitatis (erschienen 1614) beschriebene imaginäre Grabmal des Christian Rosenkreuz, das angeblich 1604 entdeckt worden sein soll, soll sieben seyten vnd ecken gehabt haben (ebd., S. 67; Zitat S. 67–84; vgl. Bei der Wieden, Ein norddeutscher Renaissancefürst, S. 105–108; Baresel-Brand, Grabdenkmäler, S. 239). Diese These blieb allerdings nicht unwidersprochen. Oliver Meys verweist auf allgemein verbreitete Zahlensymbolik und führt im Übrigen pragmatische Überlegungen ins Feld: In einem achteckigen Zentralbau wäre es nicht möglich gewesen, die vier Epitaphien im Inneren vom Eingang aus gesehen symmetrisch anzuordnen (Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 737).
  9. Diemer, Fragen der künstlerischen Planung, S. 54. Die dortige Inschrift lautet: IN HONOREM ILLVSTRISS(IMORVM) ELECTORVM ET PRINCIPVM SAX(ONIAE) PIE DEFVNCTORVM SACELLVM HOC, IN QVO CARNIS SVAE RESVRRECTIONEM GLORIOSAM EXPECTANT AB ILLVSTRI POSTERITATE EPITAPHIIS SPLENDITIS [sic] ORNATVR ANNO CHR(ISTI) M. D. XCIIII. DEO OPT(IMO) MAX(IMO) GLORIA. I(OHANNES) M(ARIA) N(OSSENIVS) L(VGANENSIS) I(TALVS). („Zur Ehre der fromm verstorbenen durchlauchtigsten Kurfürsten und Fürsten von Sachsen wurde diese Kapelle, in der sie die glorreiche Auferstehung ihres Fleisches erwarten, von den durchlauchtigen Nachkommen mit glänzenden Epitaphien eingerichtet im Jahr Christi 1594. Ehre dem größten und besten Gott. Giovanni Maria Nosseni aus Lugano in Italien.“) (nach Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, H. 3: Amtshauptmannschaft Freiberg, bearb. von R. Stoche, Dresden 1883, S. 54).

Nachweise

  1. Hauber, Delineatio Mausolei, S. 17.
  2. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 88.
  3. Dolle, Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 315.
  4. Dolle, Vermischte Beytraege 1, S. 98.
  5. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 574.
  6. Grupen, Beschreibung des Mausolei, S. 6.
  7. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 73.
  8. Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 13.
  9. Suermann, Mausoleum, S. 13.
  10. Steinicke, Hausinschriften, Nr. 18 u. Bildtafel 18.
  11. Baresel-Brand, Grabdenkmäler, S. 231.
  12. Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 728.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 544(†) (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0054406.