Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 517 Bückeburg, Stadtkirche 1621

Beschreibung

Grabplatte für Johannes Ravius. Stein. Die hochrechteckige Grabplatte ist außen an der Südseite der Kirche als zwölfte Platte von Westen aufgestellt. Sie zeigt in der oberen Hälfte in einem vertieften, fast quadratischen Feld ein Vollwappen im Relief, in den inneren Ecken des Felds vier Muscheln. In der unteren Hälfte ein durch eine profilierte Kante abgesetztes, querrechteckiges Feld, darin die eingehauene Inschrift, die zentriert angeordnet ist. Sie ist durch Abnutzung und Verwitterung im linken Viertel nur noch fragmentarisch zu erkennen.

Maße: H.: 220 cm; B.: 141 cm; Bu.: 4,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. B(ONAE) M(EMORIAE) S(ACRUM) / [IOA]NNES RAVIUS, DOCTOR / MEDICUS / [ - - - ]a) CONSU[M . . . ]UMb) IN GERMAN[IA] / [ . T - - - ]ERRATU[M]c) [N]UPER IN ITALIA / STUDIUM / [ - - - ]EXISSIMOd), INTER DOLORES / [ - - - ]e) TANDEM EXTINCTUS, / [ . . . . ]f) HVMARI POTERAT, / HEIC POSUIT / [ - - - ]VATORISg) M DC XXI · / [AE]TA[TI]S XLIII ·

Übersetzung:

Dem guten Andenken geweiht. Doktor Johannes Ravius, Arzt. […] Studium in Deutschland vollendet […] vormals in Italien […] unter Schmerzen schließlich ausgelöscht. [Was von ihm] begraben werden konnte, hat er hier niedergelegt [im Jahr] des Erlösers 1621 im Alter von 43 Jahren.

Wappen:
Ravius1)

Kommentar

Die Kapitalisbuchstaben mit Bogen- und Linksschrägenverstärkung und sorgfältig ausgeführten Sporen, die sich Serifen annähern, orientieren sich am klassischen Formideal. Allerdings sind sie zum Teil leicht schräggestellt. Die Cauda des G ist unten gegabelt. Rundes U.

Johannes Ravius wurde 1578 in Haina (Lkr. Waldeck-Frankenberg, Hessen) als Sohn des Johannes Ravius und der Margarethe Battenfeld geboren. Nach dem Schulbesuch in Wetter (Lkr. Marburg-Biedenkopf, Hessen) wurde er 1592 ins Pädagogium der Universität Marburg aufgenommen. 1598 erwarb er in Marburg den Magistergrad und studierte dort anschließend bis 1600 Medizin.2) Nachdem sein Vater im Jahr 1600 gestorben war, unterbrach er sein Studium und wurde Lehrer in Salzuflen, später Subkonrektor in Lemgo (beide Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen). Nach der Angabe der Leichenpredigt heiratete er 1602 Dorothea Twelman,3) die Tochter des Lemgoer Ratsverwandten Adrian Twelman. Nachdem Graf Ernst von Holstein-Schaumburg Ravius zunächst als Astrologen an den Bückeburger Hof geholt hatte, wurde er 1610 Professor für Mathematik am Gymnasium illustre in Stadthagen, 1615 auch für Physik und Medizin.4) Zur Eröffnung des Gymnasium illustre hielt Ravius eine Oratio de praestantia et utiliate matheseos. Um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Anatomiekenntnisse zu vertiefen, entsandte der Graf ihn nach Padua, wo sich bereits Johann Steinmeier (Nr. 509) aufhielt. Ravius immatrikulierte sich dort am 1. November 16185) und wurde 1619 zum Doktor promoviert.6) Nach der Gründung der Universität Rinteln erhielt er dort 1621 eine Stellung als Professor und wurde zugleich zum Hof- und Leibarzt des Fürsten ernannt. Nachdem er auf einer Reise nach Hamburg erkrankt war, starb Ravius am 30. November 1621 und wurde am 4. Dezember desselben Jahres in Bückeburg begraben.7)

Textkritischer Apparat

  1. Möglicherweise ist hier dem Sinn entsprechend POST zu ergänzen.
  2. CONSU[M . . . ]UM] CONSUMMATUM Michel.
  3. [ . T - - - ]ERRATU[M]] ET FERRATUM Michel. Zwischen dem T und ERRATUM fehlen aber drei bis vier Buchstaben.
  4. [ - - - ]EXISSIMO] [ - - - ]LEXISSIMO Michel. Nach dem O eine Vertiefung auf der Zeile, die möglicherweise als Kürzungspunkt zu deuten ist.
  5. Ob hier etwas fehlt, ist am epigraphischen Befund nicht zu entscheiden.
  6. Die syntaktische Konstruktion verlangt an dieser Stelle ein Relativpronomen QUOD.
  7. [ - - - ]VATORIS] vermutlich zu ergänzen zu [ANNO SAL]VATORIS.

Anmerkungen

  1. Wappen Ravius (gespalten: 1. halber Vogel, 2. Balken, gerahmt mit einem Bord; Helmzier: Äskulapstab).
  2. Das Studium in Marburg lässt sich anhand der Matrikelbücher der Universität Marburg nicht nachweisen.
  3. Leichenpredigt für Johannes Ravius, fol. C IIv.
  4. Schormann, Academia Ernestina, S. 61, Anm. 8.
  5. Matrikel Padua, Nr. 1494, S. 182; Ravius wird dort als mathematum in inclyta Ernestina Schaumburgicorum professor bezeichnet. – Ravius schickte 1618 aus Padua einen Bericht an Graf Ernst „über die Besichtigung neuer medizinischer Apparaturen und seine Tätigkeit an der dortigen Universität sowie seine Pläne zu einer Romreise“ (NLA BU, F 3 Nr. 250, Findbucheintrag).
  6. Lucia Rossetti (Hg.), Acta Nationis Germanicae Artistarum (1616–1636), Padua 1967, S. 71. Ravius schenkte der Bibliothek der deutschen Nation in Padua eine Ausgabe der Institutiones medicinae von Daniel Sennert (ebd.).
  7. Die Angaben zur Biographie, wo nicht eigens nachgewiesen, nach Röhling, Lateinschule, S. 225 und Hänsel, Catalogus Professorum Rinteliensium, Nr. 85, S. 50. Beide Darstellungen beruhen weitestgehend auf der Leichenpredigt für Johannes Ravius.

Nachweise

  1. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 10 (1959), Nr. 3, ohne Seitenzählung, Grabstein 12.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 517 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0051709.