Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 513 Rinteln, Brennerstraße 19 1620

Beschreibung

Haus.1) Fachwerk, eingeschossig. Das neun Gefache breite Eckhaus (sogenanntes „Altes Museum“) ist giebelständig zu der „Kirchplatz“ benannten Straße. Das Haus ist an der Giebelseite reich mit Rankenwerkschnitzereien an den Schwellbalken, Füllhölzern, Ständern und Brüstungsplatten verziert; am Rähm Zahnschnitt. Auf dem Torsturz an der nördlichen Giebelseite die Inschrift A zwischen zwei Wappenschilden.2) Auf dem heraldisch rechten Schild die ineinander verschränkten Initialen B. Auf dem Sturzriegel über den Fenstern unten rechts im Erdgeschoss die Inschrift C. Die Inschriften A und C sind erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt und in Gold auf blaugrünem Grund gefasst, B ist erhaben in vertieftem Feld ausgeführt und in Gold auf hellrotem Grund gefasst. Weitere Inschriften aus jüngerer Zeit, die sich zwischenzeitlich an dem Haus befanden,3) sind nicht mehr vorhanden.

Maße: Bu.: 7–10 cm (A), 7 cm (B), 7–8 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), schrägliegende Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    CHRISTIAN(VS) : BOKELMAN : ANNA · BILDERBEKS / ANNO · // MDCXX

  2. B

    C(HRISTIANVS) B(OKELMAN)

  3. C

    VELLE MEVM, SVDARE MEVM, MEVM ET ESSE NIHIL SVNT, /DE TVO ERVNT, MEA SI,a) CHRISTE REDEMTOR, ERVNT : C(HRISTIANVS) · B(OKELMAN) · F(ECIT).

Übersetzung:

Mein Wollen, mein schwitzendes Bemühen und mein ganzes Sein ist alles nichts. Wenn etwas mein sein soll, dann wird es aus dem kommen, was du gibst, Christus Erlöser.4) Christian Bokelmann hat dies gedichtet. (C)

Versmaß: Elegisches Distichon, endgereimt. (C)

Wappen:
Christian Bokelmann,5) Bilderbeck?6)

Kommentar

Die eher unregelmäßig ausgeführte Inschrift A besteht aus schmalen, hohen Buchstaben mit keilförmigen Sporen. Weit offenes C, ovales O. Oberer Bogen bei B und R kleiner.

Inschrift C als schrägliegende Kapitalis mit keilförmigen Sporen. Am Schrägschaft des N in NIHIL und am Balken des H eine Ausbuchtung. Der Mittelteil des M endet über der Mittellinie. Weit offenes C, ovales O. Cauda des R ausgezogen. Die Kommata zum Teil auf der Grundlinie, zum Teil Richtung Mittellinie verschoben.

Christian Bokelmann wurde 1579 als Sohn des Glasers und Malers Lutter Bokelmann und dessen Frau Anna Lindner in Stettin geboren; sein Großvater Heinrich Bokelmann war nach den Angaben der Leichenpredigt Pastor in Drebber (Lkr. Diepholz).7)

Stationen der Ausbildung Christian Bokelmanns waren der Leichenpredigt zufolge Stettin, Greifswald, Kyritz, Braunschweig, Frankfurt a. d. Oder und Prag.8) In Braunschweig betätigte er sich als Dolmetscher für einen italienischen Adligen. Als Begleiter eines pommerschen Adligen reiste er durch das Reich. Ferner war er als Hauslehrer tätig. 1601 plante er, sein Studium an der Universität Marburg fortzusetzen. Auf dem Weg dorthin erhielt er in Stadthagen das Angebot, die zwei ältesten Söhne des Hans von Ditfurth (zu ihm Nr. 415) zu unterrichten. Anschließend zog er weiter nach Lemgo (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen), wo er sich dem Kreis um den Lehrer der Philosophie Sylvester Pribenius anschloss.9)

1604 kam Bokelmann schließlich nach Rinteln und wurde zunächst Kantor; 1611 übernahm er das Rektorenamt an der Stadtschule.10) 1620 wurde er zum Poeta laureatus gekrönt.11) Seiner dichterischen Betätigung entsprang eine (offenbar nicht erhaltene) Sammlung von Epigrammen, die 1660 in Rinteln gedruckt erschienen sein soll.12) Erhalten ist Bokelmanns im Jahr 1623 erschienene Elegia sacra de statu horum temporum. Inschrift C stammt aus der Feder Bokelmanns, wie die Signatur bestätigt. 1626 wurde ihm eine Professur für Rede- und Dichtkunst an der Universität Rinteln angeboten, doch Bokelmann nahm stattdessen eine Stelle als Pastor in Nenndorf an. Für die dortige Godehardi-Kirche stiftete er einen silbernen Kelch und eine silberne Patene (s. Nr. 618); er errichtete 1653 ferner eine Stiftung in Höhe von 50 Reichstalern.13) 1640 wurde er Superintendent für das Amt Rodenberg.14)

Bokelmann war von 1609 an verheiratet mit seiner ersten Frau Margaretha Pomsen, der Tochter des Rintelner Ratsherrn Moritz Pomsen. Das Paar hatte drei Söhne, die jedoch bereits in jungem Alter starben. Nach dem Tod der Margaretha Pomsen im Jahr 1613 heiratete Bokelmann am 29. Januar 1615 Anna Bilderbeck, die Tochter des Heinrich Bilderbeck. Sie brachte die Hausstelle an der Brennerstraße 19 in die Ehe.15) Aus der 38 Jahre währenden Ehe zwischen ihr und Christian Bokelmann gingen fünf Söhne und zwei Töchter hervor. Einer der Söhne, Hermann Bokelmann, wurde später Christian Bokelmanns Nachfolger als Pastor in Nenndorf.16)

Christian Bokelmann starb am 1. Januar 1661 in Nenndorf.17)

Textkritischer Apparat

  1. MEA SI,] MEA ST. Erdniß.

Anmerkungen

  1. Früher Assekuranz-No. 277 (Brennerstraßenviertel).
  2. Heutger/Maack (Rintelner Hausinschriften, S. 35) fassen die Hausmarke als die Initialen AB auf; dies ist jedoch unplausibel.
  3. Dokumentiert bei Künkel, Stadt Rinteln Lexikon, S. 417–419.
  4. Für Hilfe bei der Übersetzung danke ich Wilfried Stroh (München).
  5. Wappen Christian Bokelmann (Initialen CB).
  6. Wappen Bilderbeck? (Hausmarke H28).
  7. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 26.
  8. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 27–29; vgl. Strieder, Gelehrtengeschichte, Bd. 1, Kassel 1781, S. 443 s. v. Bockelmann. Nachweisbar ist die Immatrikulation an der Universität Greifswald am 21. Oktober 1595 (Matrikel Greifswald, Bd. 1, S. 358, Z. 44f.).
  9. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 27–29.
  10. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 30.
  11. Eine Gratulationsschrift wurde von einigen Gelehrtenfreunden in Rostock herausgeben: Novo Honori Praestantissimi ac doctissimi viri, D. Christiani Bokelmanni Stetino-Pomerani, Scholae Rinthlensis Rectoris dignissimi, Quum à […] Reinhardo Robigio J. U. D. Comite S. Palatij, & Cive Romano, authoritate Caesarea, Salis-Uffleniae Laurea corona publicè ipsi conferretur 8, Nov. 1620. Gratulantur Amici & Studiosi nonnulli Academiae Rostochiensis, Rostock o. J. [1620].
  12. Zedlers Universal-Lexicon, Supplement 3, Leipzig 1752, s. v. Bockelmann (Christian), Sp. 1471. Das Werk ist allerdings nicht im VD17 nachgewiesen (Stand: 27.6.2017).
  13. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 35.
  14. Strieder, Gelehrten-Geschichte, Bd. 1, S. 444.
  15. StA Rinteln, Schatzregister von 1613–1616, Rep. 4 I A 26, ohne Blattzählung (Eintrag zum Brennerstraßenviertel im Schatzregister von 1613): Die Billerbecksche bey dem Kirchhoffe.
  16. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, S. 31f.; vgl. Strieder, Gelehrtengeschichte, Bd. 1, S. 445; Paulus, Nachrichten, S. 14f.
  17. Leichenpredigt für Christian Bokelmann, Titelblatt.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 23 (A, C).
  2. Ande, Rinteler Dielentore, Bildtafel (A, B).
  3. Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 35.
  4. Mentz, Zu einigen Rintelner Hausinschriften, S. 60.
  5. Erdniß, Gang durch Rinteln, S. 11, 14.
  6. Maack, Hausinschriften der Stadt Rinteln, S. 131f.
  7. Hansen/Kreft, Fachwerk im Weserraum, S. 292 u. Abb. 85 (A, B).
  8. Sprenger, Bürgerhäuser und Adelshöfe, S. 267 (A, C).
  9. Künkel, Stadt Rinteln Lexikon, S. 417–419.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 513 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0051301.