Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 512 Rinteln, St. Nikolai 1620

Beschreibung

Epitaph für Joachim von Westphalen und seine Familie. Holz, farbig gefasst. Das ädikulaförmige Epitaph war zum Zeitpunkt der Kunstdenkmälerinventarisierung am Ostpfeiler des südlichen Seitenschiffs angebracht1) und befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sommer 2008 an der Nordwand der Kirche. In der von zwei ionischen Säulen gerahmten Nische des Hauptgeschosses eine gemalte Darstellung einer Kreuzigungsgruppe und die beiden gekreuzigten Schächer, im Hintergrund eine hügelige Landschaft mit Stadtarchitektur, im Bildvordergrund die auf Steinbänken kniend betende Familie des Stifters, links Joachim von Westphalen mit vier Söhnen, rechts Sophia von Alen mit einer Tochter. Joachim von Westphalen und die Tochter sind als verstorben gekennzeichnet. Am Kreuz zwischen dunklen Wolken der in Schwarz auf weißem Grund gemalte Titulus A. Auf einer ovalen Kartusche im Unterhang in Gold auf blaugrauem Grund die aufgemalte Inschrift B. Nach dem Bibelzitat und nach der Stifterinschrift ein Rankenornament.

Im Giebel ein von Rollwerk umrahmter Zierschild mit zwei gemalten Vollwappen. Auf der Höhe der Helmzieren die hell auf dunklem Grund gemalte Jahreszahl C, auf Schriftbändern unterhalb der Wappen die in Schwarz auf hellem Grund aufgemalten Beischriften D1. Auf den Giebelschrägen die Tugendfiguren der Caritas und eine weitere weibliche Figur ohne Attribute; der bekrönende liegende Putto mit Totenschädel wurde in der Zeit um 1900 erneuert.2) Zu beiden Seiten des Gemäldes im Hauptgeschoss je sieben gemalte Vollwappen mit den in Schwarz auf hellem Grund aufgemalten Beischriften D2 auf Schriftbändern. An den Säulen schließen sich nach außen hin zwei weibliche Halbfiguren an: links eine Figur mit Buch, rechts eine betende Figur.

Maße: H.: ca. 280 cm; B.: 195 cm; Bu.: ca. 1,5–2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, D), Kapitalis mit Versalien (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    I(ESVS) . N(AZARENVS) . R(EX) . I(VDAEORVM) .3)

  2. B

    APOC. 14.a) / HIE IST GEDVLT DER HEILIGEN . HIE SIND DIE DA HALTEN DIE GEBOT / VND DEN GLAVBEN AN IESV . SELIG SIND DIE TODTEN DIE IN DEM HERENb) / STERBEN VON NV AN IAc) DER GEIST SPRICHT DAS . SIE RVGEN VON IHRER / ARBEIT DEN IHRE WERCKE FOLGEN INEN NACHd)e)4) · / DIS EHRENGEDECHTNIS HAT DIE EDLE VND VIEL TVGENTREICHE FRAWE SOHHIAf) VON / AHLDEN IOACHIMg) WESTHHALENSh) SELIGERS NACHGELASENSi) . / WITTIBE SETZEN LASSEN · / D(IE) 18 FE(BRVARII)j) ANNOk) 1620l)m)

  3. C

    1 6 2 0

  4. D1

    D(IE) WESDTPHALEN  V(ON) ALDEN 

  5. D2

    DIE POSDT .  V(ON) HODENBERG 
    V(ON) EXTREN  V(ON) MANDELSEN 
    VON . HVSEN  DIE . FRESEN 
    D(IE) V(ON) WARTENsLEBE(N)  DIE . BICKER . 
    DIE MESENBROCH  V(ON) BVRTFELDT 
    D(IE) GVDENBVRCH  V(ON) ELDING 
    BAREN  V(ON) BVLAV 

Wappen:
Westphalen5)Alen13)
Post6)Hodenberg14)
Exten7)Mandelsloh15)
Husen8)Frese II16)
Wartensleben9)Luneberge17)
Meisenbug10)Bortfeld18)
Gudenburg11)Eldingen19)
Bahr12)Bülow20)

Kommentar

In Inschrift B sehr eng spationierte Kapitalis mit Strichsporen, die an den waagrechten Buchstabenteilen in der Regel schräg angesetzt sind. Linksschrägenverstärkung und Bogenverstärkung. 2 in Form eines Z. In den Wappenbeischriften D1 und D2 N mit geschwungenem Schrägschaft.

Joachim von Westphalen war Erbherr in Rinteln und Heidelbeck bzw. Heilbeck (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen).21) Er war der Sohn des Johann Statius von Westphalen (zu ihm Nr. 304) und der Anna Post.22) Sie ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Witwe des Hans von Oberg identisch.23) Allerdings muss man annehmen, dass die Wappen auf der heraldisch rechten Seite des Epitaphs, die die Ahnenreihe des Joachim von Westphalen repräsentieren sollen, keiner konventionellen Anordnung folgen.24)

Joachim von Westphalen starb 1619 oder 1620, als sein am 20. Mai 1615 geborener Sohn Johannes Statius vier Jahre alt war.25)

Sophie von Alen war die Tochter des Johann von Alen und der Margaretha von Hodenberg.26) Sie starb, bevor ihr Sohn Johannes Statius das 14. Lebensjahr erreichte,27) also 1628 oder früher. Ihre Grabplatte ist in der Nikolaikirche erhalten (Nr. 574).

Die auf dem Epitaph dargestellte Tochter der Eheleute trug den Namen Agnesa Catharina. Sie wurde am 31. Mai 1607 geboren und starb im Alter von neun Jahren am 1. Februar 1617 in Rinteln, wo sie auch begraben wurde.28)

Der bereits erwähnte Sohn Johannes Statius war Rittmeister im Regiment des Johann von Sporck.29) Er starb am 10. März 1650 in Wollstein (Wolsztyn, Polen) und wurde in Schlawa (Sława, Polen) begraben.30) Sein Bruder Caspar Joachim hatte in demselben Regiment die Position eines Oberstleutnants inne.31)

Textkritischer Apparat

  1. APOC. 14.] fehlt Tebbe.
  2. IN DEM HEREN] IN DEN HERZEN Tebbe.
  3. IA] DA Tebbe.
  4. APOC. … NACH] fehlt von Arnswaldt.
  5. HIE IST GEDVLT … INEN NACH] fehlt Kdm.
  6. SOHHIA] statt SOPHIA.
  7. C kleiner und hochgestellt.
  8. WESTHHALENS] statt WESTPHALENS.
  9. NACHGELASENS] NACHGELASSES Kdm.; nachgelaßene von Arnswaldt.
  10. D(IE) 18 FE(BRVARII)] D(EN) 18 (FEBRVAR) Tebbe.
  11. ANNO] fehlt von Arnswaldt.
  12. 1620] 1670 Tebbe.
  13. D(IE) 18 FE(BRVARII) ANNO 1620] fehlt Kdm.
  14. Erstes V mit zwei darübergesetzten Punkten.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 14.
  2. Tebbe, Epitaphien, S. 237; Abbildung des ursprünglichen Putto in Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, Tafel 11.
  3. Io 19,19.
  4. Off 14,12f.
  5. Wappen Westphalen (Balken, darüber Turnierkragen mit fünf Lätzen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 130 u. Bd. 2, Tafel 331. Der Schildinhalt ist nicht gut kenntlich.
  6. Wappen Post (bekrönter Löwe); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 100 u. Bd. 2, Tafel 247. Die Krone ist nicht erkennbar; die Helmzier, normalerweise eine Wiederholung der Schildfigur, ist hier möglicherweise durch Restaurierung entstellt.
  7. Wappen Exten (Gemshorn); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 45 u. Tafel 110; hier abweichend: zwei voneinandergewendete Gemshörner.
  8. Wappen Husen (Haus).
  9. Wappen Wartensleben (aus Wald hervorspringender Fuchs); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128 u. Bd. 2, Tafel 328.
  10. Wappen Meisenbug (Vogelbein); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 31 u. Tafel 33.
  11. Wappen Gudenburg (Halbmond); vgl. Georg Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer, Bd. 4, Kassel 1839, S. 261. Der Schildinhalt ist auf dem Epitaph jetzt weitgehend unkenntlich; von Arnswaldt (Grabinschriften der lutherischen Kirche in Rinteln, S. 37) beschreibt ihn folgendermaßen: „In Schwarz ein aufrechter silb. gebildeter Halbmond. Helm: der Halbmond liegend vor schwarzem Birkhahnspiel“.
  12. Wappen Bahr (schreitender Bär mit beringtem Halsband); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 3 u. Tafel 2; hier abweichend: Halsband nicht erkennbar.
  13. Wappen Alen (rechtsschräg liegender gestümmelter Baumstamm); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 2 u. Tafel 1. Der Schildinhalt ist kaum zu erkennen.
  14. Wappen Hodenberg (querliegender Adlerflug); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  15. Wappen Mandelsloh (umwundenes Jagdhorn); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 85 u. Bd. 2, Tafel 206.
  16. Wappen Frese II (Kreuz); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  17. Wappen Luneberge (geteilter Herzschild, umgeben von Kugeln); vgl. Siebmacher, Supplement 5, Tafel 18. Die Familie von Luneberge oder Lüneberge schrieb sich Hefner zufolge auch „Bicker“ (Hefner, Stammbuch, Bd. 2, S. 387).
  18. Wappen Bortfeld (zwei gekreuzte Lilienstäbe); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 18 u. Tafel 43.
  19. Wappen Eldingen (zwei gegen einen Baum springende Löwen); vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 25.
  20. Wappen Bülow (14 Kugeln 4:4:3:2:1); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 11, Teil 2, S. 15 u. Tafel 14.
  21. Seinen Adelshof in Rinteln setzte er als Sicherheit ein, als er von dem Geheimrat und Drost Dietrich vom Brinck (zu ihm Nr. 557) 600 Taler lieh; vgl. NLA BU, Orig. 30 Nr. 12 vom 13. April 1612 (nach Findbuch).
  22. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, fol. G IIIv.
  23. Vgl. Nr. 242.
  24. Vgl. die Angaben zu den Vorfahren des Johann Statius von Westphalen und der Anna Post unter Nr. 304 und 242.
  25. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, fol. G IVv.
  26. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, fol. G IVr.
  27. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, fol. H Ir.
  28. Leichenpredigt für Agnesa Catharina von Westphalen, Titelblatt.
  29. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, fol. H Iv.
  30. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, Titelblatt.
  31. Leichenpredigt für Johannes Statius von Westphalen, H IIIv.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 14f. u. Tafel 11 (B, D).
  2. Von Arnswaldt, Grabinschriften der lutherischen Kirche in Rinteln, S. 36 (B).
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 126, S. 238 (B).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 512 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0051204.