Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 354 Bückeburg, Schloss 1596

Beschreibung

Feldschlange als Geschützmodell. Bronze. Provenienz unklar. Auf dem Zündfeld links und rechts der Zündpfanne die Jahreszahl A. Oberhalb der Zündpfanne ein Wappenschild mit einer nachträglich eingravierten jüngeren Inschrift.1) Im Bodenfeld läuft in vier Zeilen die Inschrift B um. Die Inschriftenzeilen werden durch Leisten voneinander abgetrennt. Einer der Henkel (Delphine) ist abgebrochen. Im langen Feld unmittelbar oberhalb des Mittelbands vor punktiertem Hintergrund eine Darstellung der Prudentia im Relief, in ihrer Rechten eine Schlange, in ihrer Linken ein Spiegel, auf ihrem Kopf ein Kranz. Links und rechts von ihr jeweils eine Säule, auf der eine Eule sitzt. Über ihr ein achtzackiger Stern, auf dem eine Schwalbe sitzt. Unterhalb des Halsbands Darstellungen von Tieren im Relief.2) Die Inschriften sind erhaben gegossen, der Hintergrund ist nachträglich punktiert. Als Worttrenner teils Quadrangeln, teils eingravierte Kreise in Kontur.

Maße: L.: 94,5 cm; Dm.: 2,65 cm (Lauf an der Mündung); Bu.: 1,7–2,3 cm (A), 1,2 cm (B).

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/2]

  1. A

    15//96

  2. B

    M(EISTER) · HANS · BETTINCK · / HADT · MIR GEGOSSENIN · / NODEN ZV BRAVCHEN · / BIN ICK VNVERDROSSEN ·

Übersetzung:

Meister Hans Bethinck hat mich gegossen. Ich bin unverdrossen beim Einsatz in Notlagen (B).

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

Halbnodi am Schaft des I und am Balken des H. Die Buchstabenhöhe des C ist etwas geringer als bei den übrigen Buchstaben.3) Die Cauda des R ist wie bei dem unten erwähnten Taufbecken verkürzt. Die Schrägschäfte des K sind geschwungen. Der rechte Schrägschaft des V ist nach oben ausgezogen. Am linken Schrägschaft des A eine tropfenförmige Schwellung.4) Z in ZV spiegelverkehrt.

Der Gießer Hans Bethinck fertigte im Jahr 1597 auch eine Glocke, die sich jetzt in der Friedhofskapelle in Sachsenhagen befindet und vermutlich für das von Graf Ernst ausgebaute Schloss in Sachsenhagen gegossen wurde (Nr. 362). Bethinck war in Minden ansässig, wo er 1588 als städtischer Artillerie-, Zeug- und Büchsenmeister angestellt wurde. 1609 ist er als Küster der Mindener Martinikirche bezeugt. Er goss 1584 eine nicht mehr erhaltene Glocke für den Mindener Dom, 1609 ein Taufbecken für St. Simeonis in Minden.5) Ferner schuf er 1618 eine Glocke für Schweringen (Lkr. Nienburg/Weser).6)

Das schwalenbergische Wappenbild oberhalb der Darstellung der Prudentia könnte darauf hindeuten, dass das Geschützmodell ursprünglich nicht im Zusammenhang mit einem Auftrag der Grafen von Holstein-Schaumburg entstand. Wann es ins Bückeburger Schloss gelangte, ist unklar. Ein ähnliches Geschützmodell von Bethinck aus dem Jahr 1585 befindet sich im Schloss Detmold (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen).7) Die Darstellung der Prudentia soll offenbar zum klugen Gebrauch des Geschützes mahnen.8)

Anmerkungen

  1. LS als ineinander verschlungene Initialen.
  2. Die Terminologie folgt Müller, Deutsche Bronzegeschützrohre, S. 16.
  3. Vgl. das von Bethinck gegossene Taufbecken DI 46 (Stadt Minden), Nr. 151 und die Glocke Nr. 362 im vorliegenden Band.
  4. Vgl. das A in DAR auf dem erwähnten Taufbecken (wie oben Anm. 3) in Inschrift C.
  5. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 107 u. 151.
  6. Deutsches Glockenarchiv im GNM, Glocke Nr. 5/15/13.
  7. Inv.-Nr. K 22/1. Es misst der Länge nach 72 cm, der Durchmesser des Laufs beträgt 1,6 cm (Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 82, S. 68).
  8. Zu personifizierten Tugenden auf Geschützen vgl. Müller, Deutsche Bronzegeschützrohre, S. 175–178. Bei Müller auch reichhaltiges Material zu Inschriften auf Geschützen.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 354 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0035402.