Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 341 Stadthagen, St. Martini 1591

Beschreibung

Epitaph für den Pastor Jakob Dammann. Gemälde (Öl auf Holz) im Holzrahmen, mit Bekrönung. Das Epitaph ist im Inneren der Kirche im vierten Joch der Südwand angebracht, Anfang des 19. Jahrhunderts hing es am Pfeiler links neben der Kanzel.1) Auf dem Gemälde eine Darstellung des Verstorbenen in Ganzfigur, bekleidet mit schwarzem Talar und weißer Halskrause, in den Händen ein zugeschlagenes Buch, in das er einen Finger gelegt hat. Auf dem breiten, links und rechts mit Beschlagwerk und Rosetten verzierten Rahmen oberhalb und unterhalb der Darstellung je ein Schriftfeld mit den Inschriften A2 (oben) und B (unten). Inschrift A2 verläuft in zwei Kolumnen zu je drei Zeilen. In der Nische des Obergeschosses ein weiteres Schriftfeld mit der Inschrift A1 (Überschrift und Verse 1–6), die jedoch nur die obere Hälfte der Nische einnimmt, so dass der mittlere Teil des von A1 und A2 gebildeten Epigramms fehlt. Alle Inschriften sind in Gold auf schwarzem Grund aufgemalt.

Das heutige Erscheinungsbild von Inschrift A1–A2 ist Ergebnis einer Restaurierung, durch die der Text erheblich entstellt wurde. Daher wird der vollständige Text nach den Primitiae Schauenburgicae von Hauber abgedruckt; der Befund zum Zeitpunkt der Aufnahme (2010) wird in Anmerkung a wiedergegeben.

Inschrift A1–A2 nach Hauber.

Maße: H.: ca. 270 cm; B.: ca. 100 cm; Bu.: ca. 1,5–2 cm (A), 1,8–2,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. A1 (†) 

    MEMORIAEa) / VENERANDI ET DOCTISSIMI VIRI, D(OMI)NI JACOBI DAMMANNI, / ECCLESIAE HAGONIANAEb) PASTORIS DIGNISSIMI. / HAC PIVS ILLE SENEX DORMIT DAMMANNVS IN VRNA, / INTER THEIOLOGOS GEMMA DECVSQVE BONOS. / QVI SCHAVMBVRGIACAE PRIMVS SACRA DOGMATA GENTI / TRADIDIT, Â VERBO NON ALIENAc) DEI.2) / 5QVI SEX LVSTRA DOCENS, ET BINOS INSVPER ANNOS, /OPTIMVS HAC SACRA PASTOR IN AEDE FVIT.3) / QVI NIVEI CANDORIS AMANS, VIRTVTIS ET AEQVI, /IN DOMINO VITAM FINIITd) ILLE SVAM. / EST AFFLICTA GRAVI LACRYMANS HAGONIA LVCTV, / 10ABRIPVIT TANTVM MORS CITA QVANDO VIRVM. /VTQVE PATREM SOBOLES DVRIS EXERCITA REBVS /QVAERIT: ITA ILLA QVERENS: HEVS! PATER, INQVIT, VBI ES?e) / IPSE SED AETHERII SVSCEPTVS IN ATRIA COELI, / QVEM DOCVIT, CHRISTI PENDET AB ORE SVI.

  2. A2 (†) 

    ANGELICOSQVE INTER CEV LVCIDA STELLA MINISTROS / FVLGET, ET AETERNAE GAVDIA PACIS HABET. / EXORNANT TVMVLVM PROBITAS ET CANDIDA VIRTVS, /PIERIDESQVE FERVNT VLTIMA DONA, ROSAS. / FELIX, QVEM TALIS COMITATVR GLORIA! FELIX, / 20POST OBITVM SANCTI QVEM CAPIT AVLA DEI!

  3. B

    DEFVNETVSf) DE SE IPSO, /CELLA MIHI VITAM, TVMVLOS HAGONIA, CHRISTVS /GAVDIA COELORVM NON PERITVRA DEDIT.

Übersetzung:

Zur Erinnerung an den hochwürdigen und hochgelehrten Mann, Herrn Jakob Dammann, den ehrwürdigen Pastor der Stadthäger Kirche.

In diesem Grab schläft jener fromme Greis Dammann, unter den guten Theologen ein Schmuckstück und eine Zier, der den Bewohnern Schaumburgs als erster die heiligen Lehren überbracht hat, die dem Wort Gottes nicht fernstehen. Er war sechs Lustren (= 30 Jahre) und noch zwei Jahre mehr unterweisend der beste Pastor in dieser heiligen Kirche. Er hat in Liebe zur lauteren Redlichkeit, Tugend und Gerechtigkeit sein Leben im Herrn vollendet. Bekümmert von schwerer Trauer war das tränenvolle Stadthagen, als der schnelle Tod einen so bedeutsamen Mann hinwegraffte, und so wie Kinder, von hartem Unglück getroffen, ihren Vater vermissen, so fragt jenes (= Stadthagen) klagend: „He! Wo bist du, Vater?“ Er selbst aber, in die Hallen des luftigen Himmels aufgenommen, hängt an den Lippen seines Christus, welcher der Gegenstand seiner Lehren war. (A1)

Wie ein strahlender Stern glänzt er zwischen den Engelsdienern und genießt die Freuden des ewigen Friedens. Sein Grab schmücken Rechtschaffenheit und glänzende Tugend, und die Musen bringen Rosen als letzte Geschenke herbei. Glücklich ist, wer von solcher Ehre begleitet wird. Glücklich ist, wen nach dem Tod der Palast des heiligen Gottes aufnimmt. (A2)

Der Verstorbene über sich selbst: Celle gab mir das Leben, die Begräbnisstätte Stadthagen, Christus die unvergänglichen Freuden des Himmels. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (A1 ab HAC PIVS, A2, B ab CELLA MIHI).

Kommentar

Jakob Dammann stammte aus Celle. Er studierte in Wittenberg4) und kam 1559 mit Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg (vgl. Nr. 269) als lutherischer Hofprediger nach Stadthagen.5) Er war von 1559 bis 1591 der erste Prediger der lutherischen Lehre auf der ersten Pfarrstelle in Stadthagen und hatte auch das Amt des Superintendenten inne.6) Er erhielt die Aufsicht über die Durchführung der Reformation in der Grafschaft Schaumburg.7) Auf Dammanns reformatorisches Wirken wird deutlich in Inschrift A1 mit den Versen QVI SCHAVMBVRGIACAE PRIMVS SACRA DOGMATA GENTI / TRADIDIT A VERBO NON ALIENA DEI Bezug genommen. Die Reformation wird damit einer grundlegenden Missionierung gleichgesetzt. Eigens wird, im Sinne des sola scriptura-Prinzips, die Orientierung am biblischen Text hervorgehoben, um sich so von der in der katholischen Kirche üblichen Berufung auf die Tradition abzusetzen.

1573 ist Dammann als Bürger der Stadt verzeichnet.8) In erster Ehe war er verheiratet mit Christina Suthagen, die 1582 starb.9) Aus dieser Ehe stammten mehrere Kinder. Im Register der Elendenbruderschaft von St. Joist vom 8. August 1578 sind neben dem Vater der Sohn Jacob und die Töchter Sophia, Elisabeth (vgl. Nr. 636), Anna, Margareta und Maria eingetragen.10) Dammanns Sohn wurde Pastor in Hameln.11) Sophia Dammann heiratete den Obernkirchener Pastor Heinrich Hennecke (vgl. Nr. 495). Margareta heiratete 1603 den Hattendorfer Pastor Magister Othrabius Vordemann (vgl. Nr. 635). Maria heiratete ebenfalls 1603 den Bäcker Anton Dolle.12) Die zweite Ehefrau Jakob Dammanns war Anna Peithmann, deren Wohnort sich 1607 nach Auskunft ihres Testaments in der Engen Straße befand.13) Nach seinem Tod im Jahr 1591 wurde Jakob Dammann in der St. Martini-Kirche beigesetzt. Zu Jakob Dammann vgl. auch Nr. 229.

Die Darstellung des Verstorbenen auf dem Epitaph orientiert sich an Cranachs Lutherbildnissen und wirkte vorbildhaft für alle späteren Predigerepitaphien in der Grafschaft Schaumburg.14)

Inschrift B greift das Grabepigramm des Vergil15) auf und christianisiert es.

Textkritischer Apparat

  1. Befund zum Zeitpunkt der Aufnahme (2010):
    A1: MEMORIAE / VENEI AN DEIT DOCIISSIMI VIRI D(OMI)NI IACOBI DAMMAN / I ECILISIAE HAGONIENSIS PASTORIS DIGNISSIMI . / HAC DOMO ILLF SENEX DORMIT DAMMANN SIN VRIA / WI ER THEOLOCOS GEMMA DEOVSQVE BONOS / QVIS HAVMBVRGTACA PRIMVS SACRA DOGMATA GENTI / TRADIDIT PRAECEPTOR NON ALIENI DEI / QVI SENIOR PASTORVM TRINOS INSVPER ANNOS / TRECENOSQVE PIVS PASTOR IN AEDE FVIT /
    A2: ANGELICOSQVE INTEB CEV LVCIDA STELL MINISTROS / FVIGETIT AETERNAE GAVDIA PACIS HABET / EXORNANT TVMVLVM PROBITAS ET CANDIDA VIRTV // PIERIDESQVE FERVNT VLTIMA DONA. ROSAS / FELIX QVEM TALIS COMITATVR GLORIA, FELIX / POST OBITVM SANCTI QVEM CAPIT AVLA DEI .
  2. HAGONIANAE] HAGONIAE Tebbe.
  3. VERBO NON ALIENA] VERBO NON ALIENA VERBO NON ALIENA Tebbe.
  4. FINIIT] Nebenform für FINIVIT.
  5. HEVS! PATER, INQVIT, VBI ES?] HEV! PATER, INQVIT, VBI EST? Dolle, Tebbe.
  6. DEFVNETVS] DEFVNCTVS Hauber, Dolle, Tebbe.

Anmerkungen

  1. Dassel, Beschreibung der St. Martini Kirche, S. 3.
  2. Heute ist hier zu lesen TRADIDIT PRAECEPTOR NON ALIENI DEI. Dass der Text nicht original ist, zeigt sich (abgesehen von metrischen Verstößen) auch daran, dass die Buchstaben des Wortes PRAECEPTOR zu eng spationiert sind. Allerdings erweckt der Text den Eindruck, als ob der Restaurator ab diesem Vers einen lateinkundigen Helfer hinzugezogen hat, denn Wörter, die im Lateinischen nicht existieren, kommen ab hier in Inschrift A1 nicht mehr vor.
  3. Der heutige Befund (QVI SENIOR PASTORVM TRINOS INSVPER ANNOS / TRECENOSQVE PIVS PASTOR IN AEDE FVIT) weicht hier stark vom ursprünglichen Text ab. Die Änderungen haben nicht nur zu einem unpoetischen Versbau (mit Dihärese nach dem dritten Versfuß statt einer Penthemimeres in dem Vers QVI SENIOR PASTORVM TRINOS INSVPER ANNOS), sondern auch zu einem inhaltlich kaum sinnvollen Gebilde geführt: „der als Ältester der Pastoren darüber hinaus drei Jahre und dreißig Jahre ein pflichtbewusster Pastor in der Kirche war“.
  4. Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 307a zum 20. Mai 1555.
  5. Husmeier, Graf Otto IV., S. 192; Dahl, Dammann, S. 43f.
  6. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 396. Allerdings erhielt Dammann nicht offiziell den Titel eines Superintendenten (Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 100).
  7. Dahl, Dammann, S. 44.
  8. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 50,36.
  9. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 464, Anm. 2. Ihr Epitaph unter Nr. 298.
  10. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 330,6–8.
  11. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 159f., Anm. f.
  12. Weiland, Trauungen, S. 14.
  13. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 464,26f.
  14. Tebbe, Epitaphien, S. 250.
  15. Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nunc / Parthenope […] (Donat, Vita Vergilii, l. 136f.). Dieses Grabepigramm wird in humanistischen Grabinschriften häufiger variiert; vgl. Nr. 375. Weitere Beispiele: DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 95; DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 611; DI 61 (Stadt Helmstedt), Nr. 155; DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 240.

Nachweise

  1. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 158f.
  2. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 358f.
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 148, S. 250 u. Abb. 24 auf S. 59 (nach Dolle).
  4. Jobst, Franziskanerkloster, S. 79 (A2, B, Teilabbildung).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 341 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0034105.