Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 332 Obernkirchen, Marktplatz 1 1590

Beschreibung

Haus. Fachwerk, giebelständig, zweigeschossig mit Zwischengeschoss, acht Gefache breit. Die Fachwerkzier beschränkt sich auf schlichte Schnitzereien an den Knaggen sowie Schiffskehlen an der Vorkragung unmittelbar unter dem First. Inschrift A auf dem Türsturz. Inschrift B auf dem Sturzriegel über den zwei Fenstern links der Tür im Erdgeschoss. Inschrift C auf dem Schwellbalken des vorkragenden Obergeschosses. Alle drei Inschriften sind erhaben in vertieften Zeilen ausgeführt und in Gold auf schwarzem Grund gefasst. Anscheinend befand sich ursprünglich auch auf dem Sturz über dem Fenster rechts des Einfahrtstors eine jetzt übermalte Inschrift, von der jedoch nichts mehr lesbar ist.

Maße: Bu.: ca. 6 cm (A), ca. 7 cm (B), ca. 5 cm (C).

Schriftart(en): Mischminuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    Didrich Gruwe · A(NN)O 90

  2. B

    · Wer · Godt · Vortrvwet · Hadt · Wol · Gebvwet ·1)

  3. C

    Also · Had[t] · Got · de · Welt · gelebet · Das · er · Sinen · Einigen Son · gab · Auf · das · All · Die an · ihne · Globe(n)a) · Nicht · Verloren · werde(n)b) · Sonder · das · Ewige · leben · Haben · Johannes · Am 32)

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

In den Inschriften liegt eine Mischminuskel vor. Das durchgängig verwendete kastenförmige a ist zwar ein Spezifikum der gotischen Minuskel, doch weist die Schrift verschiedentlich Frakturelemente auf, auch über die zahlreich verwendeten Frakturversalien hinaus. Der Fraktur entstammt das w; bei b und d sowie bei e und t sind die unteren Brechungen nicht mehr sehr ausgeprägt oder fehlen völlig; dies gilt auch für den unteren Bogen des runden s. Auch einzelne Zierelemente entsprechen der Fraktur: Der untere Bogen des g ist in einer nach links schwingenden Zierlinie ausgezogen, ebenso der senkrechte Teil des gebrochenen Bogens des h.

Die Schrift erhält durch die aufwändig verzierten Versalien sowie durch weitere Zierelemente einen manierierten Charakter: Der obere Linksschrägschaft des d steht weit nach links über. Teilweise gegabelte Buchstabenenden, z. B. beim Schaft des b oder des l. Am Balken des e setzt unten nach rechts ein kleiner linksschräger Zierstrich an. Halbnodi bei O und in der Null innen, Nodi am Mittelteil des S. Die 9 als eingerollter offener Bogen, das untere Bogenende nach rechts umgebogen; der gerade Abschnitt des Bogens ist durchstrichen. Die Schrift weist gewisse Ähnlichkeiten mit Nr. 261 auf (s. dort), ohne dass man mit Sicherheit auf einen Werkstattzusammenhang wird schließen können.

Sowohl Inschrift B als auch das Bibelzitat in Inschrift C bedient sich einer Mischsprache aus hochdeutschen und niederdeutschen Formen. In Inschrift B sind nur die beiden Reimwörter VortruwetGebvwet noch niederdeutsch. In Inschrift C finden sich rein hochdeutsche Formen (Hadt, Das, Einigen, Gab, Auf, Verloren, Haben) und hochdeutsch beeinflusste (gelebet, Globen); rein niederdeutsch ist hier nur Sinen.

Über den in der Inschrift genannten Dietrich Gruwe ließ sich nichts eruieren. Doch legen der epigraphische und der sprachliche Befund zusammen mit der überlieferten Minderzahl der Jahreszahl eine Datierung des Hauses auf das Jahr 1590 nahe. Diese Datierung steht auch nicht im Widerspruch zur Fachwerkzier.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungsstrich nicht farbig gefasst.
  2. Kürzungsstrich nicht farbig gefasst.

Anmerkungen

  1. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200.
  2. Jh 3,16.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 332 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0033206.