Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 319 Möllenbeck, Kloster 1587

Beschreibung

Wand- und Deckenmalerei. Die Malereien in Raum 39 im Obergeschoss des Ostflügels wurden im Winter 2016/2017 freigelegt und restauriert.

An der Westwand des Raums im mittleren Gefach ganz oben eine Wandmalerei, die neben einer Säule eine sitzende weibliche Gestalt mit einem Schleier auf dem Kopf und einem Buch in der rechten Hand zeigt. Vor ihr zwei kleine Knaben, der linke nackt, der rechte, der einen Kreuzstab im Arm hält, bekleidet. Die weibliche Gestalt umfasst mit ihrer linken Hand den rechten Knaben. Der linke Knabe hält einen nicht identifizierbaren Gegenstand in Händen (gebogenes Brett? Schriftband?). Im Hintergrund ein Rundbogen. Rechts neben dieser Szene ist oberhalb der Tür ein Gefach mit zweitverwendeten Ziegeln ausgefacht. Diese Ziegel tragen zum Teil Putzreste, auf denen Inschriftenfragmente oder Ornamentreste zu erkennen sind. Sie werden hier von oben nach unten und von links nach rechts wiedergegeben. In der fünften Reihe zeigt der dritte, kopfstehend eingemauerte Ziegel die Reste von Inschrift A1. Der nächste, ebenfalls kopfstehend eingemauerte Ziegel zeigt zwei nicht sicher identifizierbare Buchstabenfragmente. Der nächste Ziegel zeigt Inschrift A2. Der dritte Ziegel in der siebten Reihe zeigt die Inschrift A3, der Ziegel rechts daneben zeigt nicht identifizierbare Zeichen. Der erste Ziegel der achten Reihe zeigt Inschrift A4. Der fünfte Ziegel der neunten Reihe zeigt zwei Zeilen der Inschrift A5, der sechste, kopfstehend eingemauerte Ziegel zeigt Inschrift A6. Auf dem zweiten Ziegel der zehnten Reihe nicht identifizierbare Farbreste. Alle Inschriften sind in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt.

Die Nordwand des Raums ist durch Ständer in drei Gefache unterteilt, die durch aufgemalte Riegel in Felder unterteilt sind. Im linken und im mittleren Gefach jeweils im obersten Feld eine Inschrift, links die Inschrift B, in der Mitte die Inschrift C. Die Inschriften sind in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt, die Bibelstellenangaben und die Versalien in Rot. Am Ende der letzten Inschriftenzeile jeweils ein kleines florales Ornament, unterhalb der Inschriften jeweils ein großes florales Ornament. Die Schriftfelder sind durch in Schwarz aufgemalte doppelte Begrenzungslinien wie in Raum 22 (Nr. 359) gerahmt.

An der östlichen Fensterwand oberhalb der Fensternischen aufgemaltes Rollwerk. Das Rollwerk über dem linken Fenster zeigt die Jahreszahl D, die in Schwarz auf braunem und grauem Untergrund aufgemalt ist. Zwischen den Fenstern ist ein an einem Band aufgehängter Wappenschild aufgemalt. Er zeigt ein Herz, das mit einem Kreuz belegt ist. Auf dem Herz links und rechts neben dem Kreuz unter dem Kreuzbalken die Inschrift E1 in Schwarz auf rotem Grund, oberhalb des Balkens ein Kreis. Unter dem Herz die Inschrift E2, links und rechts neben dem Herz die Jahreszahl E3. Unter dem Wappenschild ein an den Enden gespaltenes und verschlungenes Schriftband mit der Inschrift E4. Die Inschriften E2–E4 sind in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt. Oberhalb des Wappens ein rundes Medaillon mit der Darstellung vermutlich einer Frau. In der rechten Fensternische aufgemalte kleine Kreuze.

An der Decke oberhalb des linken Fensters die in Schwarz auf hellem Grund aufgemalte Inschrift F. Sie ist kreisförmig um eine Rose angeordnet und setzt sich in einem äußeren Halbkreis in zweiter Zeile fort; am Ende Rankenornamente. Der Beginn der Inschrift wird durch ein florales Ornament gekennzeichnet.

Maße: Bu.: 3,6 cm (A1), 3,3 cm (A2), 3,5 cm (A3–A6), 3,9–4,1 cm (B), 2,7–3,6 cm (C), 3,5–3,8 cm (D), 1,2 cm (E1), 2 cm (E2), 1,9 cm (E3), 1,5 cm (E4), 3 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis (A1, E), Kapitalis mit Fraktur (A2), Kapitalis mit Versalien (B–C), Fraktur (A3–A6, F).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/3]

  1. A1

    [ - - - ]E[ . ]ENTIV[ - - - ]

  2. A2

    [ - - - ]LVBRIS FIeS, [ - - - ]

  3. A3

    [ - - - ]k[ - - - ]

  4. A4

    [ - - - ]eit [s]e[ - - - ]

  5. A5

    [ - - - ] / [ - - - ]voll

  6. A6

    [ - - - ]t[ - - - ]

  7. B

    IOB · CAP · XIX · /SCIO QVOD REDEMPTOR MEVS VIVIT, ET IN NOVISSIMO DIE DE TERRA / SVRRECTVRVS SVM ET RVRSVM CIRCVMDABORa) PELLE MEA, ET IN CAR(N)E / MEA VIDEBO DEVM QVEM VISVRVS SVM EGO IPSE, ET OCVLI MEI / CONSPECTVRI SVNT, ET NON ALIVS; REPOSITA EST HAEC SPES / MEA IN SINV MEO ·1)

  8. C

    IOHANNIS CAP: 3 · /SICVT MOSES EXALTAVITb) SERPENTEM IN DESERTO: ITA EXALTARI / OPORTET FILIVM HOMINIS, VT OMNIS QVI CREDIT IN EVM NON / PEREAT, SED HABEAT VITAM AETERNAM. SIC DEVS DILEXIT, / MVNDVM, VT FILIVM SVVM VNIGENITVM DARET, VT OMNIS QVI / CREDIT IN EVM NON PEREAT, SED H[AB]EATc) VITAM AETERNAM. / NON ENIM MISIT DEVS FILIVM SVV[M]d) IN MVNDVM, VT CONDEMNET / MVNDVM, SED VT SERVETVR MVNDVS PER EVM ·2)

  9. D

    · 1·5·8·7

  10. E1

    M // [S]e)

  11. E2

    A(NNO)

  12. E3

    15. // 87.

  13. E4

    H(ERMANN) . WEDHEMHOFF .

  14. F

    · Wer unter Dießer rosen sitzen will,Der sehe horr und schwige still.Vnd alles so er hir horet / Woll melden, De[ . . . h]e zv havß, vnd kom hir selden ·

Übersetzung:

Hiob, Kap. 19. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und am Jüngsten Tag werde ich von der Erde auferstehen und wieder mit meiner Haut umgeben werden, und in meinem Fleisch werde ich Gott sehen, den ich persönlich sehen werde, und meine Augen werden ihn sehen, und nicht ein anderer. Diese Hoffnung ist in meinem Inneren geborgen. (B)

Johannes, Kap. 3. So wie Moses die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Gott hat nämlich seinen Sohn nicht in die Welt geschickt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. (C)

Versmaß: Deutsche Reimverse (F).

Wappen:
Wedemhoff?3)

Kommentar

Die Inschriften B und C sind in einer sorgfältig gestalteten Kapitalis aufgemalt. Die Buchstaben orientieren sich am Ideal der klassischen Kapitalis. Ein ausgeprägter Wechsel zwischen Haar- und Schattenstrichen ist festzustellen. Beim V ist der Rechtsschrägschaft verstärkt, während sonst Linksschrägenverstärkung vorherrscht. Strichsporen, die an den Balken schräggestellt sind. R mit geschwungener Cauda, die unter die Grundlinie reicht. Der Kürzungsstrich und der Balken des H in der Regel mit Ausbuchtung. Das X besteht aus zwei voneinander abgewendeten Bögen. An der Fraktur der Inschrift F ist das r bemerkenswert, dessen Fahne als apostrophartiger Haken gestaltet ist. Vermutlich hat derselbe Maler auch die Inschriften im Raum 22 (Nr. 359) angebracht.

Die Bibelzitate an der Nordwand des Raums sind in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Inschriften verbreitet, sei es auf Grabdenkmälern oder in Hausinschriften.

Die an der Westwand dargestellte Szene ließ sich nicht sicher identifizieren. Möglicherweise handelt es sich um Maria mit Jesus und Johannes; allerdings ist die Bedeutung des Buchs, in dessen Richtung die weibliche Gestalt blickt, fraglich. Nimben fehlen. Denkbar wäre auch, dass eine allegorische Tugendfigur (Caritas?) dargestellt ist.

Als Auftraggeber der Inschriften ist der in Inschrift E4 genannte Subprior Hermann Wedemhoff (zu ihm Nr. 501) anzusehen. Unklar bleibt die genaue Funktion des Raums. Die Rose an der Decke und die zugehörige Inschrift F wollen dazu anhalten, über das, was unter der Rose zur Sprache gekommen ist, Stillschweigen zu bewahren: Die Redensart „unter der Rosen“ bedeutet „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“.4) Aufgrund der Textlücke lässt sich aber der genaue Sinn der vorliegenden Inschrift bzw. ihres zweiten Teils nicht rekonstruieren.5)

Textkritischer Apparat

  1. A kleiner über der Zeile nachgetragen.
  2. Zweites A kleiner (vermutlich nachträglich eingefügt).
  3. Buchstaben in Klammern bei der Restaurierung ergänzt.
  4. Buchstabe in Klammern bei der Restaurierung ergänzt.
  5. Lesung des S unsicher.

Anmerkungen

  1. Iob 19,25–27.
  2. Io 3,14–16.
  3. Wappen Wedemhoff? (Herz, belegt mit einem Kreuz).
  4. DWB, Bd. VIII, Sp. 1180. Als Symbol für die Verschwiegenheit wurden Rosen beispielsweise an Beichtstühlen eingeschnitzt (Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik, Stuttgart 31985, Art. „Rose“, S. 584f., dort S. 584).
  5. Eine ähnliche Rose aus dem Jahr 1594 mit umlaufender Inschrift, die ebenfalls mit den Worten kom hie selten endet, findet sich an einer Holzbalkendecke in Lüneburg; vgl. DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 626.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 319 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0031900.