Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 317 Hülsede, St. Aegidien 1587

Beschreibung

Epitaph für Claus von Rottorp und seine Ehefrau Armgard von dem Bussche. Stein. Das Epitaph ist an der Nordwand des Chors angebracht. In der Nische des Hauptgeschosses vor einem flachen Rundbogen die Verstorbenen mit zwei Söhnen und neun Töchtern; die männlichen Familienmitglieder sind in Rüstung dargestellt. Die plastischen Figuren knien unter einem Kruzifix mit dem Titulus A. Am Sockel in einem halbrunden, nach unten hin getreppten Feld die Inschrift B, die in der letzten Zeile durch einen reliefierten Kopf unterbrochen wird. In der von Hermen flankierten Nische des Obergeschosses die erhaben ausgeführte Inschrift C. Zu beiden Seiten der Darstellung im Hauptgeschoss vortretende Säulen, auf denen je acht Wappen mit den Beischriften D angebracht sind. Ein größeres Stück der rechten Säule wurde abgeschlagen, wodurch ein Wappen und seine Beischrift vollständig, ein weiteres und seine Beischrift teilweise verloren gegangen sind. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, B und C erhaben in vertieftem Feld, D eingehauen.

Maße: H.: ca. 300 cm; B.: ca. 280 cm; Bu.: 3 cm (A, C), 2,8 cm (B), 1,8 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis (A, D), Kapitalis mit Versalien (B, C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    · I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDAEORVM) ·1)

  2. B

    ANNO 1587, IM MONAT IVLIJ IST DIESS EPITAPHIVM ALHIR DEM / EDLEN, GESTRENGEN VND ERNVESTEN CLAWES VON ROTTORFF / SO ANNO 1559 AM 14 FEBRVAIJa) SELIG IM HERRN ENTSCHLAFFEN, / VND DER EDLEN VNTb) VIELTVGSAMENc) ARMGARDTEN, GEBORN VON / BVSSCHE, SEINER FREVNDTLICHEN LIEBEN HAVSFRAWEN, DIE / HERNACHER AVCH ANNO 1582 DEN 3 FEBRVARIJ ENTSCHLAFFE(N) / VND IHREN SEOHNENd) VND TEOCHTERN ZV ER/WARTVNGE DER FREOLIGEN AVFFERSTGHVNGEe) / DER TODTEN, GESETZT / WORDEN,

  3. C

    HIOB AM 19. / ICH WEIS, DAS MEIN / ERLOSER LEBET,2) / VND GLVBENf) / AVFFERSTEHVGEg) DES FLEISCHES, / VND EIN EWI=/CESh) LEBEN, / AMEN.3)

  4. D

    DIE VON ROTTORFF  DIE VON BVSCH 
    DIE FRITAGE  DIE BVSSCHEN 
    DIE VON SPIGELBERGE  DIE VON ELLENDORFF 
    DIE GROPLINGE  DIE VON MONCHVSE(N) 
    DIE VON MOLLENBECK  DIE VON LANGEN 
    DIE KLENKEN  DE BOC[ - - - ]NGE 
    DIE VON WEHE  [ - - - ] 
    DIE KORLEHA[ . . ]DIE VON DORGELE(N)

Wappen:
Rottorp4)von dem Bussche12)
Freitag5)Büschen13)
Spiegelberg6)Elmendorf14)
Gröpelingen7)Münchhausen15)
Möllenbeck8)Langen16)
Klencke9)Bock von Wülfingen (?)17)
Wehe10)?18)
Korlehake11)Dorgeloh19)

Kommentar

Die Spationierung der ansonsten gleichmäßig gearbeiteten Kapitalis ist nicht immer ganz einheitlich. Schrägschaft des N zum Teil leicht geschwungen. Der untere Balken des E steht weit nach rechts über. Die Cauda des G nach rechts umgebogen. Spitzovales O. Oben spitzes zweistöckiges Z. I-Punkte. Bei der Buchstabenfolge II ist der zweite Buchstabe als leicht schräggestellte I longa gestaltet. 2 in Form eines Z, dessen Schrägschaft nicht bis zur Grundlinie herabreicht; der untere Balken ist schräggestellt und nach unten gebogen. Zumeist dreieckige Sporen.

Claus von Rottorp (Rottorf) und Armgard von dem Bussche waren die Erbauer des Wasserschlosses Hülsede (vgl. Nr. 138). Der Grundbesitz in Hülsede befand sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Erlöschen der männlichen Linie des Geschlechts 1584 im Besitz der Familie von Rottorp. Claus von Rottorp, der Sohn des Johann von Rottorp und der Catharina Freitag,20) besaß darüber hinaus Pfandschaften u. a. in Lauenau und Wölpe (Lkr. Nienburg/Weser). Er war Kriegsrat unter Kaiser Ferdinand I. und schaumburgischer Landdrost.21) 1546 fungierte er als schaumburgischer Gesandter in Celle.22)

Claus von Rottorp war in verschiedene Adelsfehden verwickelt und verfiel zum wiederholten Mal der Reichsacht.23) Nach einer erneuten Achterklärung im März 1550 wurden seine Güter gewaltsam beschlagnahmt (Hülsede durch den mit ihm verfeindeten Franz von Halle); 1553 wurde Schloss Hülsede erneut bestürmt und verwüstet.24) Armgard von dem Bussche erhob beim Reichskammergericht Klage wegen Landfriedensbruchs, weil die fraglichen Güter angeblich ihr als Morgengabe und Leibzucht gehörten; sie berief sich auf einen kaiserlichen Schutzbrief.25) Claus von Rottorp, der 1557 von der Acht gelöst wurde, starb der Inschrift zufolge am 14. Februar 1559. In die Volkssage soll er als „böser Ritter Rottorm“ eingegangen sein, der nach seinem Tod auf dem Wasserschloss Hülsede als Geist sein Unwesen treibe.26)

Seine im Jahr 1582 verstorbene Ehefrau Armgard von dem Bussche war die Tochter des Albrecht von dem Bussche auf Ippenburg und der Helena Büschen.27) Die Heirat mit Claus von Rottorp erfolgte 1535.28)

Folgende Kinder des Ehepaars lassen sich nachweisen: Adolf († 1584 oder früher),29) Katharina, Ehefrau des Jasper vom Haus (vgl. Nr. 260), Armgard (1550–1605), seit 1566 verheiratet mit Ernst von Reden († 1589), Statthalter von Celle,30) Anna, Ehefrau des Rudolf von Bothmer, Margarethe, später Ehefrau des Friedrich Spiegel zum Desenberg, sowie Elisabeth.31)

Textkritischer Apparat

  1. FEBRVAIJ] statt FEBRVARIJ.
  2. VNT] fehlt Mithoff, Parisius und Tebbe.
  3. VIELTVGSAMEN] statt VIELTVGENDSAMEN.
  4. Alle o-Umlaute der Inschrift als EO.
  5. AVFFERSTGHVNGE] statt AVFFERSTEHVNGE.
  6. GLVBEN] GLVBEN AN Tebbe.
  7. AVFFERSTEHVGE] statt AVFFERSTEHVNGE.
  8. EWI=/CES] statt EWI=/GES.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Hi 19,25.
  3. Das zweite, stark elliptische Zitat ist an das Glaubensbekenntnis angelehnt; gleichzeitig wird darin die Fortsetzung des Zitats Hi 19,25f. verarbeitet: vnd er wird mich hernach aus der Erden auffwecken. Vnd werde darnach mit dieser meiner haut vmbgeben werden / vnd werde in meinem fleisch Gott sehen.
  4. Wappen Rottorp (drei halbe Kammräder 2:1); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 108 u. Bd. 2, Tafel 270.
  5. Wappen Freitag (drei Ringe 2:1); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 7 u. Tafel 7.
  6. Wappen Spiegelberg (Balken, belegt mit drei Rosen); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 158 u. Tafel 103.
  7. Wappen Gröpelingen (Grapen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 61 u. Bd. 2, Tafel 147.
  8. Wappen Möllenbeck (aufgezäumter Pferdekopf); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 90 u. Bd. 2, Tafel 219.
  9. Wappen Klencke (Kammrad); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 31 u. Tafel 77.
  10. Wappen Wehe (drei Gabeln nebeneinander; Helmzier: zwei Federn, dazwischen Gabel); vgl. von Oeynhausen, Sammlung von Grabinschriften in deutschen Kirchen, Nr. 109 (dort wird der Name als „Wede“ angegeben).
  11. Wappen Korlehake (Flug); vgl. die Blasonierung bei von Oeynhausen, Sammlung von Grabinschriften in deutschen Kirchen, Nr. 109.
  12. Wappen von dem Bussche (drei Streitäxte (Pflugscharen) 2:1); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 25 u. Tafel 58.
  13. Wappen Büschen (Lilie); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 25 u. Tafel 58.
  14. Wappen Elmendorf (fünfmal geteilt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 6 u. Tafel 6.
  15. Wappen Münchhausen (Mönch); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2,1, S. 274 u. Tafel 325.
  16. Wappen Langen (Tuchschere); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 228 u. Tafel 278.
  17. Wappen Bock von Wülfingen (zwei springende Wölfe übereinander, Helmzier: Bocksrumpf); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 15 u. Tafel 37.
  18. Vermutlich stand hier das Wappen Reden, wenn man annimmt, dass Helena von Büschen, die Mutter der Armgard von dem Bussche, eine Tochter des Clamor von Büschen und der Armgard von Münchhausen war. Diese war eine Tochter des Heinecke von Münchhausen und der Fredeke von Reden (von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 99, S. 51 u. Nr. 132, S. 73). Allerdings muss man davon ausgehen, dass das Wappen hier mit dem Wappen Dorgeloh vertauscht wurde. Die Urgroßmutter der Armgard von dem Bussche auf der mütterlichen Linie der Vaterseite war vermutlich Geseke von Dorgeloh: Sie war die Mutter der Henriette von Elmendorf und damit die Großmutter des Albrecht von dem Bussche (https://www.genealogieonline.nl/de/west-europese-adel/I127703.php, zuletzt benutzt am 17.11.2021).
  19. Wappen Dorgeloh (zwei ausgerissene, gestümmelte Baumstümpfe nebeneinander); vgl. Spießen, Wappenbuch, S. 41f. u. Tafel 100.
  20. Der Bruder der Catharina Freitag, der Hildesheimer Domkanoniker Arnold Freitag, stiftete den Lettner des Hildesheimer Doms (Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, Textband, 2. Hälfte, S. 57; vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 353; s. a. ebd., Nr. 354).
  21. Leichenpredigt für Armgard von Reden, fol. D Iv.
  22. Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 81.
  23. Zu ihm Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 53–90. Claus von Rottorp ist auch auf einem Scheltbrief unbekannten Datums dargestellt: Zur Strafe ist er auf ein Rad geflochten (Hupp, Scheltbriefe, S. 62).
  24. Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 86.
  25. NLA BU, RETRO H 24 R 90.
  26. Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 88.
  27. https://www.genealogieonline.nl/de/west-europese-adel/I127703.php, zuletzt benutzt am 17.11.2021. Armgard von dem Bussche war zuvor mit Albert von Staffhorst verheiratet; vgl. NLA BU, Orig. 1 H 84 Nr. 6 (nach Findbuch).
  28. Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 70 mit Anm. 1.
  29. NLA BU, L 1 Nr. 5520. Neukirch (Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 88) spricht von einem weiteren, namentlich nicht genannten Sohn.
  30. Vgl. DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 87 u. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 708; zu Armgard vgl. die Leichenpredigt für Armgard von Rottorp, fol. C IVr.
  31. NLA BU, RETRO L 24 R 4/1 (nach Findbuch); vgl. Neukirch, Renaissanceschlösser Niedersachsens, S. 60, Anm. 4: Bei ihm fehlt Margarethe, dafür ist Elisabeth als Ehefrau des Friedrich von Spiegel angegeben.

Nachweise

  1. Mithoff, Fürstenthum Calenberg, S. 105 (B, C teilweise).
  2. Parisius, Das vormalige Amt Lauenau, 1911, S. 89 (B, C teilweise).
  3. Kdm. Kreis Springe, S. 90 (D).
  4. Tebbe, Epitaphien, Nr. 66, S. 207f. (B, C) u. Abb. 37.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 317 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0031709.