Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 315 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1587

Beschreibung

Epitaph für das Kind Hedwig von Oer (Ohr). Stein. Das Epitaph ist an der Ostseite innen in die Chorwand eingelassen. Auf einer hochrechteckigen Platte unter einer Rundbogennische die Reliefdarstellung der stehenden Verstorbenen, die Hände zum Gebet zusammengelegt. Sie trägt ein langes Kleid mit Halskrause, dazu offenes Haar. Einer der beiden über ihr schwebenden Engel krönt sie mit einem Jungfernkranz. Die erhaben in vertiefter Zeile umlaufende Inschrift A wird von vier in den Ecken platzierten Vollwappen unterbrochen. An ihrem Ende ein paragraphzeichenförmiger Worttrenner. Die Kürzungsstriche sind in der Rahmenleiste in Kontur eingehauen. Zu Füßen des Mädchens eine Rollwerkkartusche mit der erhaben in vertieftem Feld gehauenen Inschrift B. Als Bekrönung ein geschweifter Dreiecksgiebel, darin eine geschweifte Kartusche mit einem blanken Oval.

Maße: H.: 210 cm; B.: 116 cm; Bu.: 5,3 cm (A), 3,3 cm (B).

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    AN(N)O 1587 DE(N) · 23 MAII / ZWISCHEN 5 VND 6 VORMITTAGE IST DE EDLE V(N)D / VILTVGE(N)TSAME · HEDEWIG / VAN OEHR IN GODT SELICHLICH ENTSLAFFEN ·

  2. B

    SINITE AD ME VENIRE PAR=/VVLOS QVONIAM ILLORVM /EST REGNVM COELORVM1)

Übersetzung:

Lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich. (B)

Wappen:
Oer2)Rautenberg4)
Kerssenbrock3)Grapendorf5)

Kommentar

Eng spationierte schrägliegende Kapitalis mit dreieckigen Sporen. Linker Schrägschaft des zweiten V in VILTVGE(N)TSAME unter dem Deckbalken des T. Q mit kleinem Bogen und senkrechter, unten geschwungener Cauda vollständig im Mittelband. Oben spitzes zweistöckiges Z. 2 in Form eines Z. Der Schrägschaft der 7 ist nach rechts durchgebogen.

Die noch im Kindesalter verstorbene Hedwig von Oer (Ohr) war die Tochter des Hermann von Oer und der Anna von Rautenberg.6) Hermann von Oer hatte zunächst eine nicht näher bekannte Stellung am Hof der Grafen von Holstein-Schaumburg inne. Er erhielt um 1579 den Münchhausenhof (jetzt Hubschraubermuseum) in Bückeburg zu Lehen, den er 1603 mit Dietrich vom Brinck (Nr. 557) gegen den Oberstenhof eintauschte.7) Hermann von Oer wurde wahrscheinlich im Jahr 1586 Drost in Bückeburg. 1604 wurde er zum Aufseher über die Straßen, Wege und Grenzen der Grafschaft Schaumburg ernannt; er erhielt dafür eine Besoldung von 60 Talern jährlich sowie Naturalabgaben.8) Das Amt des Drosten bekleidete er bis 1610,9) als ihm Graf Ernst von Holstein-Schaumburg eine Pension in Höhe von 100 Talern jährlich zugestand.10) Im selben Jahr wurde sein Adelshof in Bückeburg an den späteren schaumburgischen Kanzler Julius Adolf von Wietersheim verkauft.11) Hermann von Oer starb vermutlich 1623 oder 1624.12)

Anmerkungen

  1. Nach Mt 19,14: Sinite parvulos et nolite eos prohibere ad me venire; talium est enim regnum caelorum.
  2. Wappen Oer (mit aufsteigenden Spitzen belegter Schrägbalken); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 96 u. Bd. 2, Tafel 234.
  3. Wappen Kerssenbrock (Schrägbalken, belegt mit drei Rosen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 29 u. Tafel 73.
  4. Wappen Rautenberg (acht anstoßende Rauten 5:3); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 102 u. Bd. 2, Tafel 253.
  5. Wappen Grapendorf (Grapen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 60 u. Tafel 142.
  6. Vgl. zum Namen der Mutter NLA BU, Dep. 19 A Nr. 459 (nach Findbuch).
  7. Albrecht, Adelshöfe in Bückeburg, S. 13f.; vgl. Sommer, Zur Geschichte eines Burgmannshofes, S. 8f. (mit abweichender Datierung der Belehnung).
  8. Dazu Heinz-Albert Friehe, Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Wegerechts (Archiv für die Geschichte des Straßenwesens 3), Bonn Bad Godesberg 1971, S. 145–147.
  9. Prinz, Grabdenkmäler, S. 24.
  10. NLA BU, L 1 Nr. 4922 sowie Dep. 19 A Nr. 459 (nach Findbuch); vgl. Prinz, Grabdenkmäler, S. 24.
  11. Albrecht, Adelshöfe in Bückeburg, S. 13.
  12. 1623 war er noch am Leben (Prinz, Grabdenkmäler, S. 24). Die genannten Pensionszahlungen endeten offenbar 1623; vgl. NLA BU, L 1 Nr. 4922 (nach Findbuch). Prinz (Grabdenkmäler, S. 24) verweist darauf, dass Hermann von Oers Frau „Lennes (? = Leneke) von Rutenberg am 6.12.1624 Witwe“ sei. Die Angabe ließ sich nicht verifizieren.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 39 (B).
  2. Prinz, Grabdenkmäler, Nr. 9, S. 24.
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 77, S. 214f. u. Abb. S. 72.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 315 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0031505.