Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 280 Stadthagen, St. Martini 1578

Beschreibung

Taufbecken. Stein und Bronze, schmiedeeisernes Gitter. Aus einem runden Steinsockel ragen vier vollplastische Evangelistensymbole heraus. Ihnen sind gefaltete Schriftbänder beigeordnet, in denen die Inschriften A–D erhaben in vertiefter Zeile ausgehauen sind. Das zwölfeckige Becken aus Bronze steht auf einem mehrfach gewulsteten, runden Fuß mit Blattschmuck. Am Deckel ein dreifach abgestuftes zwölfeckiges Gesims, darüber eine gebuckelte Deckelwölbung. Als Aufbau auf einem eckigen Postament eine runde, mehrfach profilierte Balustersäule mit geschwungenen Bügeln, die in Maskenköpfen auslaufen. Um die Säule verläuft die Inschrift E erhaben in sechs vertieften Zeilen. Innerhalb der Inschrift E teilweise größere Zwischenräume. Am Ende der Inschrift E Initialen, dazwischen die Gießermarke M33. Vor und nach den Initialen ein Ornament. Als Bekrönung die vollplastische Figur eines bekrönten Mannes mit Stab und Schild, auf dem Schild das Vollwappen der Stifter.1)

Das Gitter des Taufbeckens wurde 1860 entfernt und 1866 an einen Privatmann verkauft, der es 1867 restaurieren ließ. Es diente dann auf dessen Grundstück in Hannover als Gartenzaun.2) Die zweiflüglige Zugangstür des Gitters hat Max Burchard noch in den 1930er-Jahren im Keller des entsprechenden Hannoveraner Hauses gesehen.3) Ende der 1930er-Jahre kaufte der Verein für schaumburg-lippische Geschichte, Alterthümer und Landeskunde Teile des Gitters für sein Museum an. 1973 schenkte der Verein der Kirchengemeinde die Gitterteile zurück, die nach einer Restaurierung wieder in der Kirche aufgestellt wurden.4) An der nicht mehr vorhandenen Zugangstür des Gitters war an jedem Flügel oben das holstein-schaumburgische Nesselblatt angebracht, daneben jeweils ein Schild: Das Schild auf dem linken Türflügel enthielt die Inschrift F, das Schild auf dem rechten Türflügel enthielt eine Jahreszahl, die bereits 1855 nicht mehr lesbar war.5) Hier wurde 1867 eine Restaurierungsinschrift angebracht.6) Ein weiteres Gitterelement enthält das Wappen der Landsberg.

Inschrift F nach Hase.

Maße: Bu.: 2,4 cm (A–D), 2 cm (E).

Schriftart(en): Kapitalis (A–E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/5]

  1. A

    S(ANCTVS) // LVCAS

  2. B

    S(ANCTVS) · // MATHAEVS

  3. C

    S(ANCTVS) · // MARC//VS

  4. D

    S(ANCTVS) // IOHANN//ES

  5. E

    DIE · EDLE · VND · ERNVESTE · CHRISTOFF · DIETRICH · / VND · IOIST · VON · LANDESBARCHa) · GEBROER · SELIGEN · / OITH·RAVENS · SON · HABEN · DIESE · TAVFFE · / MITH · ALL IHRb) · ZVGEHOR · ZV · DERc) · EHR · GOTTES · / DIESER · KIRCHEN · GESCHENCKET · IM · IAR · VNS·/ERS · HEREN · M · D · LX · XVIII · CRd) ·

  6. F †

    ZV EHRN / DER HEILIGEN / DREIFOLTIGHEIDTe) / HAET M(EISTER)f) HANS / ANGER DIES / ZIERLICH WERK / BEREIDT

Versmaß: Deutsche Reimverse (F).

Wappen:
Landsberg7)
Holstein-Schaumburg8)
Landsberg

Kommentar

Die Beischriften A–D sind in einer der klassischen Form sich annähernden Kapitalis mit Bogen- und Linksschrägenverstärkung ausgeführt; die Sporen teilweise als Serifen. Inschrift E in einer ungleichmäßig ausgeführten sporenlosen Kapitalis. Das erste D der Inschrift als offenes D, vermutlich in Versalfunktion. A teilweise mit beidseitig überstehendem Deckbalken. Ovales O, weit offenes C. Das konische M ist sehr breit. Beim K sind die Schrägschäfte leicht durchgebogen.

Hans Anger wurde um 1550 geboren und arbeitete vom letzten Viertel des 16. bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Gitterschmied in Bückeburg. Er war vermutlich hauptsächlich in Diensten der Grafen tätig, fertigte neben Gittern aber auch Schlösser und anderes Metallgerät. Er starb wohl vor 1618. Neben dem Taufbeckengitter fertigte Hans Anger vermutlich auch das Gitter vor dem Epitaph für Graf Otto IV. und seine beiden Ehefrauen (Nr. 284), das heute nur noch in Teilen erhaltene Taufbeckengitter im Braunschweiger Dom, drei Bogengitter und ein Taufbeckengitter für den Lettner der Brüdernkirche in Braunschweig9) sowie möglicherweise ein heute nicht mehr erhaltenes Taufbeckengitter für die Stadtkirche in Bückeburg und ein Gitter für das äußere Tor des Bückeburger Schlosses.10)

Zur Familie von Landsberg vgl. Nr. 309 u. 334. Das Gitter stellt wohl ebenfalls eine Stiftung der Familie von Landsberg dar, selbst wenn neben deren Wappen auch das holstein-schaumburgische Nesselblatt daran angebracht war. Vermutlich ist das Gitter Teil der in der Inschrift E erwähnten ZVGEHOR.11)

Textkritischer Apparat

  1. Größerer Abstand zwischen LANDES und BARCH.
  2. IHR] der Dassel.
  3. DER] fehlt Bernhards.
  4. CR] dazwischen Meisterzeichen; CTR Dolle; CR fehlt Burchard, Bernhards.
  5. DREIFOLTIGHEIDT] DREIFALTICHEIT Burchard.
  6. M(EISTER)] M. Burchard; MI Hase, Bernhards, Bei der Wieden.

Anmerkungen

  1. Teile des Taufbeckens, offenbar des Deckels, wurden 1587 durch Heine von Damme (vgl. Nr. 297) neu angefertigt. Der entsprechende Eintrag in den Kirchenrechnungen (StA Stadthagen, K Nr. 301) lautet: xxiiij krossen mester heinen thor buckkeburch dar vor he den arm vnd den engel vppe der dope gar vmme nie goith.
  2. Weinstraße 14 (Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 30f.).
  3. Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 31.
  4. B. Bei der Wieden, Anger, Hans, S. 56; vgl. Bernhards, Reise-Erinnerung, S. 63. Das dort angegebene Jahr des Ankaufs durch den Verein für schaumburg-lippische Geschichte, Alterthümer und Landeskunde, 1936, kann kaum richtig sein, da Burchard noch 1938 den Zustand des Gitters in Hannover beklagt und fordert, einen besseren Platz dafür zu finden (Burchard, Ein schaumburg-lippisches Meisterwerk der Schmiedekunst).
  5. Hase, Schmiedeeisernes Gitter, Sp. 371 u. Zeichnung Blatt 21; vgl. Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 31.
  6. FÜR DEN OBER-BAURATH FUNK RESTAURIERT VON HEINRICH TROUE IM JAHRE 1867 (Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 31).
  7. Wappen Landsberg (geteilt: 1. Fuchs, 2. Schräggitter); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 78 u. Bd. 2, Tafel 190.
  8. Wappen Holstein-Schaumburg (Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 32 u. Tafel 38; hier abweichend: Herzschild. Die Beschreibung erfolgt nach der Zeichnung bei Hase, Schmiedeeisernes Gitter.
  9. DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 651 u. 731.
  10. B. Bei der Wieden, Anger, Hans, S. 54–56.
  11. Vgl. Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 32.

Nachweise

  1. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 586 (E).
  2. Dassel, Beschreibung der St. Martini Kirche, S. 10 (E).
  3. Hase, Schmiedeeisernes Gitter, Sp. 371 u. Zeichnung Blatt 21 (F).
  4. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 66 (E).
  5. Burchard, Ein kirchliches Meisterwerk, S. 31f. (E, F) – Burchard, Ein schaumburg-lippisches Meisterwerk der Schmiedekunst (E, F).
  6. Bernhards, Reise-Erinnerung, S. 63 (E teilweise, F nach Hase).
  7. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 177 (E, F).
  8. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 149 u. Abb. 227 (E).
  9. B. Bei der Wieden, Anger, Hans, S. 55 (F, nach Hase).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 280 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0028007.