Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 275 Hülsede, St. Aegidien 1577

Beschreibung

Deckenmalereien. In den Gewölbekappen der Kreuzgewölbe gemalte, von gemalten Rahmen und Rollwerk eingefasste Szenen aus dem Alten und Neuen Testament und jeweils seitlich daneben angeordnete querrechteckige Inschriftenfelder, in denen die Bildbeischriften in Schwarz auf hellem Grund aufgemalt sind. Die Deckengemälde verteilen sich auf elf Gewölbekappen dreier Gewölbejoche; die westliche Gewölbekappe des Chorraums ist leer.1) Die Edition erfolgt nach den drei Gewölbejochen von Osten nach Westen.

Die Malereien, die am Ende des 19. Jahrhunderts erst teilweise sichtbar waren, wurden 1906 vollständig freigelegt und restauriert. 1958 erfolgte eine weitere Restaurierung. 1989 wurden die Malereien gereinigt und konserviert.2) Einige der ursprünglich wohl vollständig niederdeutschen Inschriften waren schon 1906 durch Verse aus der Lutherbibel ersetzt worden.3)

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/11]

Anmerkungen

  1. 1.Dehio (Kunstdenkmäler Bremen/Niedersachsen, S. 767) erwägt, dass hier eine Osterszene dargestellt war; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 65: „Abendmahl, Kreuzigung oder Auferstehung wären zu erwarten“.
  2. 2.Vgl. Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 126.
  3. 3.Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 60.

Maße: Bu.: ca. 5–7 cm (A1–J2), ca. 3 cm (K).

Schriftart(en): Kapitalis (H3, K), Kapitalis mit Versalien (A1, B1, C1), Mischminuskel mit Versalien (B3, E1, F, G1, H1, I1, J1), Fraktur (A2, B2, C2, D6, E2–E4, G2, H2, I2, J2), Griechisch (D1), Hebräisch (D2–D5).

Chorraum

Osten

Auf der östlichen Gewölbekappe des Chorgewölbes ist die Taufe Jesu im Jordan4) dargestellt, im Feld links davon die Inschrift A1, im Feld rechts davon die Inschrift A2.

  1. A1

    INTONAT E COeLO GENITOR. STAT NATVS IN VNDAa) / QVEM SVPER ALATO SPIRITVS ORE VOLAT,5) / SVSCIPIE(N)Sb) CHRIST(VS) MANIBVS BAPTISMA IOANNIS / CONSECRAT EXEMPLO SANCTA LAVACRA SVO.

  2. A2

    Matth. 3. Vnd Joan 3. / Dith is min leue Sane an Welckerem / ick ein wolgeuall hebbe Den Schole / Gi hören,6) Vnd an en louen Wolc) an den / Sône lôuet, de hefft dat ewige leuent.7)

Übersetzung:

Aus dem Himmel lässt sich der Vater laut vernehmen. Der Sohn steht im Fluss. Über ihm fliegt der Geist mit dem Aussehen eines Vogels. Christus heiligt, indem er die Taufe aus den Händen des Johannes empfängt, durch sein Beispiel die heilige Taufe. (A1)
Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Ihn sollt ihr hören und an ihn glauben. Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben. (A2)

Versmaß: Elegische Distichen (A1).

Die lateinischen Verse liefern eine genaue Bildbeschreibung und sind wohl eigens für den vorliegenden Bildzyklus gedichtet worden. Es ist zu vermuten, dass Ludolf Busse, Pastor in Hülsede von 1561 bis 1620,8) der Autor war. Dass in Inschrift A2 ein wörtliches Bibelzitat und nicht wie sonst eine Versparaphrase Verwendung findet, lässt sich damit erklären, dass Busse die wörtliche Aussage Gottvaters nicht zu verändern wagte.

Textkritischer Apparat

  1. IN VNDA] über der Zeile nach einer geöffneten Klammer.
  2. Befund: SVSCIEIE(N)S (vermutlich Fehlrestaurierung).
  3. Wol] Wel Anton.

Anmerkungen

  1. 4.Mt 3,13–16.
  2. 5.Vgl. Mt 3,16: Der Heilige Geist kommt in Form einer Taube auf den frisch getauften Jesus herunter.
  3. 6.Mt 3,17; vgl. 17,5.
  4. 7.Jh 3,36.
  5. 8.Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 549. Busse hatte in Wittenberg studiert (Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 326, Eintrag vom 28.3.1557).

Süden

Auf der südlichen Gewölbekappe ist die Ausgießung des Heiligen Geistes und die Pfingstpredigt des Petrus9) dargestellt. Im Feld links davon die Inschrift B1, im Feld rechts davon die Inschrift B2. Oberhalb des Bildes auf einem in den Rahmen gemalten Feld die Inschrift B3.

  1. B1

    FRVCTVS VERO SPIRITVS SVNT OPERA ILLAd) /e) QVAE SPIRITVS DEI IN CREDENTIBVS HABITANS / PER HOMINES RENATOS OPERATVR /f) ET QVAE / A CREDENTIBVS FIVNT /g) QVATENVS RENATI / SVNT.10)

  2. B2

    De hilge Geist ernedder Varth, / Jn Vurign tungn sickh) apenbarth / Dre dusent menschen bekert schon, / Do Petrus Predigt Von Gadts Son. / An(n)o d(omi)nj 1577

  3. Heute sichtbare Inschrift:

    B3

    Mirai) canu(n)t, eade(m) varijs (mirabile dictu)j) / [ . . . . ]bb[ . ] a[ . ]c[ . ]pitk)[ . . . . . ] h[a]u[d] ebf[cu . . . . . . ] / Ouis[q] vid[ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ]e loquela[ . ]

  4. Nach der Vorlage ergänzte Fassung:

     

    Mira canu(n)t, eade(m) varijs (mirabile dictu) / [Genti]bus a[c]c[i]pit[ur uox] h[a]u[d] [o]b[scura, sibique] / [Q]uis[que] vid[ebatur patrias haurir]e loquela[s].11)

Übersetzung:

Die Früchte des Geistes sind aber die Werke, die der Geist Gottes, der in den Gläubigen wohnt, durch die wiedergeborenen (= getauften) Menschen wirkt und die durch die Gläubigen geschehen, insofern sie wiedergeboren sind. (B1)
Der Heilige Geist fährt hernieder. Er offenbart sich in feurigen Zungen. Da bekehrt Petrus’ Predigt über Gottes Sohn schon dreitausend Menschen. Im Jahr des Herrn 1577. (B2)
Sie kündeten wundersame Dinge; dieselbe Stimme (wundersam zu sagen!) wurde von verschiedenen Völkern gehört, ohne ihnen unverständlich zu sein, und jeder schien seine Muttersprache zu hören. (B3)

Versmaß: Deutsche Reimverse (B2), Hexameter (B3).

Als Bildvorlage für die Pfingstdarstellung lässt sich das entsprechende Bild aus Jost Ammans 1571 erschienenen Icones novi testamenti identifizieren. Das zugehörige hochdeutsche Gedicht gab auch die Anregung für die niederdeutsche Versinschrift: Der heilig Geist vom Himmel rab / Vil Spraach vnd feuwrig Zungen gab. Petrus predigt gewaltigklich / Deß Tags drey tausend bessern sich.12) Im Gegensatz zu dem deutschen Gedicht bei Amman fehlt in der mittelniederdeutschen Version in Hülsede der Hinweis, dass die Jünger in verschiedenen Sprachen redeten. Diese Leerstelle – ein Detail, das sich auch nicht gut im Bild zeigen ließ – wird durch die drei lateinischen Hexameter aus dem Epos Christias des Marco Girolamo Vida gefüllt; lateinischer und deutscher Text sowie das Bild stehen hier somit in einem komplementären Verhältnis.

Textkritischer Apparat

  1. ILLA über der Zeile nach einer geöffneten Klammer.
  2. Der Schrägstrich so in der Inschrift.
  3. Der Schrägstrich so in der Inschrift.
  4. Der Schrägstrich so in der Inschrift.
  5. sick] fehlt Bentrup.
  6. Mira] Mita Anton.
  7. (mirabile dictu)] runde Klammern so in der Inschrift.
  8. a[ . ]c[ . ]pit] accepit Anton.

Anmerkungen

  1. 9.Act 2.
  2. 10.Konkordienformel, Epitome VI,5 (in: Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, ed. Dingel, S. 1255). Unklar ist das Zustandekommen dieses Zitats, denn die lateinische Fassung der Konkordienformel lag erst 1580 gedruckt vor (Dingel, S. 1178). Möglicherweise erhielt Busse über persönliche Kontakte mit Martin Chemnitz Kenntnis von dem lateinischen Text (vgl. Helge Bei der Wieden, Die Konkordienformel in den Grafschaften Schaumburg und Holstein(-Pinneberg), in: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 97 (1999), S. 83–104, dort S. 99). Dass ein Auszug aus der Konkordienformel in Hülsede als Inschrift angebracht wurde, ist jedenfalls ein weiterer Beleg dafür, dass die Konkordienformel – wie teilweise bestritten wurde – auch in der Grafschaft Schaumburg angenommen wurde.
  3. 11.Girolamo Vida, Christias, Buch 6, V. 939–941 (Eva von Contzen u. a., Marcus Hieronymus Vida, Christias, Bd. 1, Einleitung, Edition, Übersetzung (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 91), Trier 2013).
  4. 12.Amman, Icones novi testamenti, fol. K4r.

Norden

Auf der nördlichen Gewölbekappe ist die Anbetung der Hirten13) vor einer Ruinenarchitektur dargestellt. Im Feld links davon Inschrift C1, im Feld rechts davon die Inschrift C2. Im Bild oben links in den Wolken ein Engel mit einem leeren Schriftband.

  1. C1

    EN DEVS HIC HOMO FIT. NATVS DE VIS=CERE MATRIS.l) / HaeC TAMEN EST VIRGO SEMPER ET IL=LE DEVSm)14) / O RES MIRANDAS, MIRANDO FoeDERE IVNC=TA EST,n) / HVMANI GENERIS LANGVIDA MASSA DEO.o)15)

  2. C2

    Des ewigen Vaders einige Kindt / Jtzt men in der krübben Vindt, / In Unse arme flesch Vnd blodt, / Vorkledet sick dat ewige gudt,16) / Anno d(omi)nj 1577

Übersetzung:

Sieh, hier wird Gott Mensch, geboren aus dem Leib der Mutter. Sie ist gleichwohl immer noch Jungfrau und er immer noch Gott. Oh wundersames Geschehen! In einer wundersamen Verknüpfung ist die hinfällige Masse des Menschengeschlechts mit Gott verbunden worden. (C1)
Das einzige Kind des ewigen Vaters findet man jetzt in der Krippe. Das ewige Gut verkleidet sich in unser armseliges Fleisch und Blut. Im Jahr des Herrn 1577. (C2)

Versmaß: Elegische Distichen (C1), deutsche Reimverse (C2).

Die Bildkomposition folgt zum Teil dem entsprechenden Bild in den Icones novi testamenti von Jost Amman17) (Körperhaltung Marias und des vom Betrachter aus gesehen links vorne an der Krippe knienden Hirten, Hintergrundarchitektur), zum Teil einem möglicherweise im Umkreis von Cornelis Cort entstandenen Kupferstich, der die Anbetung der Hirten zeigt (Jesuskind, Kleidung und Körperhaltung zweier Hirten links im Bild (im Kupferstich spiegelverkehrt)).18) Diesem Kupferstich sind auch die ersten beiden Verse von Inschrift C1 entnommen.

Textkritischer Apparat

  1. CERE MATRIS.] über der Zeile nach einer geöffneten Klammer.
  2. LE DEVS] unter der Zeile nach einer geöffneten Klammer.
  3. TA EST,] unter der Zeile nach einer geöffneten Klammer.
  4. DEO.] unter der Zeile nach einer geöffneten Klammer.

Anmerkungen

  1. 13.Lc 2,8–20.
  2. 14.Bildunterschrift zu einem Kupferstich, möglicherweise Umkreis des Cornelis Cort (Wellcome Library, London, no. 21955i, http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0034626.html, zuletzt benutzt am 5.1.2017).
  3. 15.Philipp Melanchthon, Gratiarum actio pro beneficio nati et exhibiti Christi (entstanden 1559), V.15f., in: ders., Epigrammatum libri sex, Wittenberg 1563, fol. D4r.
  4. 16.2. Strophe des Weihnachtslieds „Gelobet seist du Jesus Christ“ von Martin Luther (Luther, WA 35 (1923), S. 434f.; vgl. dazu ebd., S. 147f.; Neuedition: Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge, ed. Jenny, Nr. 5): Des ewgen Vaters eynig kind / itz man ynn der krippen find, / Inn unser armes fleysch und blut / verkleydet sich das ewig gut.
  5. 17.Amman, Icones novi testamenti, fol. A IIIr.
  6. 18.S. oben Anm. 14.

Mittleres Gewölbejoch

Osten

Auf der östlichen Gewölbekappe des mittleren Gewölbejochs das Jüngste Gericht:19) Im Himmel thront Christus als Weltenrichter. Darunter in der linken Bildhälfte die Auserwählten, auf der rechten Seite ein brennender Höllenschlund. Unterhalb der Darstellung außen je ein großes, nach innen je ein kleineres Feld mit Inschriften: In den äußeren Feldern jeweils ein im Zuge der Restaurierung angebrachtes Bibelzitat.20) Auf dem kleineren Feld links innen die Inschrift D1. Auf dem kleinen Feld rechts innen ist heute keine Inschrift mehr sichtbar.21) In der Szene sind unterhalb der Wolkenbänke vier Engel angeordnet, von deren Posaunen die Inschriften D2–5 ausgehen. In dem nördlichen Gewölbezwickel die Inschrift D6.

  1. D1

    Δεῦτ[ε] [οἱ] εὐλο[γ]Η/[Μ]έ[ν]ο[ι] τ[οῦ πα]τρό[ς]22)

  2. D2

    לְכוּ אֶל־הַמִּשְׁפׇּט

  3. D3

    23)קוּמוּ הַמֵּתִּים

  4. D4

    24)מׇרְאׇן אַתַּא

  5. D5

    25)סוּרוּ מִמֶּנִּי כׇּל־פֹּוֹﬠֲלֵי אׇוֶן

  6. D6

    Johan Borneman. / Tile Borneman. / Pete.p) Busse.

Übersetzung:

Kommt her, ihr Gesegneten des Vaters (D1).
Geht zum Gericht. (D2)
Steht auf, ihr Toten. (D3)
Unser Herr, komm! (D4)
Wendet euch von mir, alle Übeltäter. (D5)

Textkritischer Apparat

  1. Pete] Peter Anton; möglicherweise ist der Punkt Ergebnis einer Fehlrestaurierung.

Anmerkungen

  1. 19.Mt 25,31–46.
  2. 20.Links: Da wird denn der Koenig sagen zu denen zu seiner | Rechten: kommt her ihr Gesegneten meines Vaters / | ererbet das Reich / das euch bereitet ist von Anbegin(n) der | Welt. | Evangelium Matthaei XXV. 34. Rechts: Denn er wird auch sagen zu denen zur Linken: | Gehet hin von mir ihr verfluchten in das ewige | Feuer / das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. | Evangelium Matthaei XXV. 41. (Abweichend vom sonstigen Usus werden hier die Zeilenumbrüche in den Inschriften durch senkrechte Striche kenntlich gemacht, um sie von den in der Inschrift vorhandenen Virgeln zu unterscheiden.)
  3. 21.Vermutlich stand darin ein Auszug aus Mt 25,41 auf Griechisch.
  4. 22.Mt 25,41.
  5. 23.Die Inschriften D3 und D2 gehören zusammen. Nach Ps.-Hieronymus, Regula monacharum, c. 30: Surgite, mortui, et venite ad iudicium (Migne PL 30, Sp. 430). Das Hieronymus zugeschriebene Zitat ist seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nachzuweisen (ausführlicher hierzu DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 211). Im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit finden sich auch häufiger inschriftliche Belege in verschiedenen Sprachen, z. B. als Spruchband eines Engels aus dem 14. Jahrhundert im Dom von Worms (lateinisch; DI 29 (Stadt Worms), Nr. 110), auf einer Glocke in Greene aus dem Jahr 1603 (deutsch; DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 211), auf einem Stein auf dem Friedhof von Markgröningen aus dem Jahr 1613 (lateinisch; DI 25 (Lkr. Ludwigsburg), Nr. 559), auf einem Epitaph in der Rintelner Nikolaikirche von 1648 (deutsch; Nr. 633) oder auf einem undatierten Wand- oder Tafelgemälde im Hildesheimer Dom (lateinisch; DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 779).
  6. 24.I Cor 16,22.
  7. 25.Ps 6,9.

Süden

Auf der südlichen Gewölbekappe eine Darstellung des Sündenfalls.26) In dem Feld links davon die Inschrift E1, im Feld rechts davon die Inschrift E2. In den Gewölbezwickeln links die Inschrift E3, rechts E4.

  1. Heute sichtbare Inschrift:

    E1

    Fallitu[rq) infr) . . . . . . . . . . . ] coniuge coniunx, / I[ns) . . . . . . . . . . . . . . . ]istia poma Deo, / Comi[ . . . . . . . . . . ] scelerato crimine M[o]rtem, / [ . . . . . . . . . . . . ]t)ati subdita turba sumus.

  2. Nach der Vorlage ergänzte Fassung:

     

    Fallitu[r infelix a stulta] coniuge coniunx, / I[nuito comedens tr]istia poma Deo, / Com[meruere grauem ]scelerato crimine M[o]rtem, / [Legibus hinc f]ati subdita turba sumus.27)

  3. E2

    Gotu) sedt se int Paradiss, / verlôffd en darin alle spiss, / den bohm des leeuends en Vorboedt,v) / Eßtw) nicht daruan, sus sindt gi doedt,x) / De slang se beide bracht thom vall, / Worvon de doedty) erfft vp vusz) all.

  4. E3

    Hans Stumeier. de / olde Anno d(omi)ni 1577

  5. E4

    Hans Stumeier de / Jungen

Übersetzung:

Der unglückselige Gatte wird von seiner törichten Gattin getäuscht und isst gegen Gottes Willen die schlimmen Früchte. Sie haben den schweren Tod aufgrund ihrer frevelhaften Untat verdient. Daher sind wir, die Menschenschar, den Gesetzen des Todes unterworfen. (E1)
Gott setzte sie ins Paradies, erlaubte ihnen darin alle Speise. Den Baum des Lebens verbot er ihnen: ‚Esst nicht davon, sonst seid ihr tot‘. Die Schlange brachte sie beide zu Fall. Davon wurde der Tod an uns alle vererbt. (E2)
Hans Stumeier d. Ä. Im Jahr des Herrn 1577. (E3)
Hans Stumeier d. J. (E4)

Versmaß: Elegische Distichen (E1), deutsche Reimverse (E2).

Während der deutsche Text einen knappen Bericht des biblischen Geschehens bietet, setzt das lateinische Epigramm eine Kenntnis der biblischen Erzählung bereits voraus; so wird etwa auf die Erbsünde lediglich indirekt mit leges fati verwiesen. Der lateinische Text, der stärker wertenden als berichtenden Charakter hat (insbesondere durch die Adjektive infelix, stulta, tristia, scelerato), stammt aus einer erstmals 1554 erschienenen, Icones mortis betitelten Holzschnittsammlung mit Epigrammen. Es handelt sich hierbei um eine von Georg Oemler bzw. Aemilius (1517–1569)28) angefertigte lateinische Übersetzung eines 1538 erschienenen Werks von Gilles Corrozet. Dort lautet das Epigramm: ADAM fut par EVE deceu / Et contre DIEV mangea la pomme, / Dont tous deux ont la Mort receu, / Et depuis fut mortel tout homme.29) Der wertende Charakter des Gedichts ist also eine Zutat des Aemilius, wobei die Einfügung der erwähnten Adjektive wohl in erster Linie den Stilgesetzen lateinischer Hexameterdichtung geschuldet ist.

Textkritischer Apparat

  1. Fallitu[r] Fallitus Anton.
  2. inf] ms Anton.
  3. I[n] h Anton.
  4. [ . . . . . . . . . . . . ]] on… Anton.
  5. Got] De leve Got Dohmeier.
  6. Übergeschriebenes e.
  7. Eßt] Edt Mithoff, Parisius, et Dohmeier.
  8. Übergeschriebenes e.
  9. Übergeschriebenes e.
  10. vus] us Anton.

Anmerkungen

  1. 26.Gn 3.
  2. 27.Imagines Mortis. His accesserunt Epigrammata, è Gallico idiomate à Georgio Aemylio in Latinum translata, Köln 1555 (zuerst 1545), fol. A3v.
  3. 28.Zu ihm Niklas Holzberg, Aemilius, in: Kühlmann u. a. (Hg.), Verfasserlexikon 1520–1620, Bd. 1, Sp. 42–47.
  4. 29.„Adam wurde von Eva betrogen und aß gegen Gottes Willen den Apfel. Daher haben beide den Tod empfangen, und seitdem war jeder Mensch sterblich.“ Gilles Corrozet, Les simulachres et historiées faces de la mort, autant élégamment pourtraictes, que artificiellement imaginées, Lyon 1538, fol. C1r.

Westen

Auf der westlichen Gewölbekappe eine Darstellung der Sintflut,30) im Feld links davon die Inschrift F, im Feld rechts davon eine Inschrift, die im Zuge der Restaurierung entstanden ist.31)

  1. F

    Aspice diluuio pereant qui cuncta creata, / Peccatiaa) cum sit mole graua[tus] homo. / Agnoscas igitur patratae criminebb) culpae. / Ne gra[u]is irati te premat ira Dei.

Übersetzung:

Sieh dir an, wie alle Geschöpfe durch die Flut zugrunde gehen, da der Mensch beladen ist durch die Last der Sünde. So erkenne doch die Vergehen deiner begangenen Schuld, damit dir nicht die heftige Wut des zürnenden Gottes zusetzt. (F)

Versmaß: Elegische Distichen (F).

Als Bildvorlage lassen sich die beiden Darstellungen der Sintflut und der Arche Noah in Johan Bockspergers und Jost Ammans 1565 erschienener Sammlung Neuwe Biblische Figuren identifizieren;32) der Maler hat für sein Hülseder Deckengemälde Details aus beiden Holzschnitten kompiliert. Einige der Formulierungen des Epigramms sind aus Eobanus Hessus’ Paraphrase des Psalms 50(51) inspiriert.33) Eine Rezeption von Hessus’ Psalterium lässt sich auch auf der Kanzel der Kirche von Hülsede nachweisen (Nr. 250).

Textkritischer Apparat

  1. Peccati] Peccata Anton.
  2. crimine] vermutlich Fehlrestaurierung für crimina (die emendierte Fassung liegt der Übersetzung zugrunde).

Anmerkungen

  1. 30.Gn 6,5–8,12.
  2. 31. Gott sprach: ich will die Menschen / die ich | geschaffen habe / vertilgen von der Erden / | von dem Menschen an biß auff das Vieh / und | biß auff das Gewuerme. Aber Noah fand | Gnade fuer dem Herrn. 1. Mose VI. Vers 2 u. 8 (Abweichend vom sonstigen Usus werden hier die Zeilenumbrüche in den Inschriften durch senkrechte Striche kenntlich gemacht, um sie von den in der Inschrift vorhandenen Virgeln zu unterscheiden.)
  3. 32.Bocksperger/Amman, Neuwe Biblische Figuren, fol. A2v u. A3r; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.
  4. 33.Eobanus Hessus, Psalterium universum carmine elegiaco redditum atque explicatum, Marburg 1537, S. 105: Respice me nimia peccati mole gravatum (V. 5) und Nam miser agnosco patratae crimina culpae (V. 11).

Norden

Auf der nördlichen Gewölbekappe eine Darstellung der Predigt Jesu am See Genezareth,34) im Feld links davon die Inschrift G1, im Feld rechts davon die Inschrift G2.

  1. G1

    Huc agite: Huc adhibete animos: Mea verba docenbicc) / Vos audite, quibus coelica regna placent. / Sum VIA, qua petitur directo tramite [c]oelum / Cur alia in coelum niteris ire vi[a]? / Sum VERVM, vanumq(ue) nihil mea verba [loquuntu]r:/ Cur vanis rebus, vanior ipse st[udes?] / Sum quoq(ue) VITA meis longé certi[issim]a nu[nqua]m / Interitura, illam cur a[li]un[d]e petis?dd)35)

  2. G2

    All de gÿ sindt mit Sündn beschwêrth, / Vnd mines Vaders Rick begerth, / Komtt her tho mi, tho dusser stundt, / Allein dorch mi, thom Vadr men kumpt, / Jck bin de wech, des hemmels porth, / Wat sochstu andre hir, Vnd dorth? / Jck bin de Warheit, Volg mÿnmee) wordt, / Wat [ . . . . . . ] Sectu de dÿ Voruorth? / Ick bint leeuentff) [ . . . . . . . . ]on min. / Wat rhomstu [ . . . . . . . . ]audt vnd schin?

Übersetzung:

Kommt hierher, wendet hierher eure Aufmerksamkeit: Hört meine Worte und lasst euch belehren, ihr, denen das Himmelreich gefällt. Ich bin der Weg, auf dem man geradewegs in den Himmel strebt. Warum strengst du dich an, auf einem anderen Weg in den Himmel zu gelangen? Ich bin die Wahrheit, und meine Worte sprechen von nichts Eitlem. Warum strebst du nach eitlen Dingen, selbst noch eitler? Ich bin für die Meinen auch das Leben, das bei weitem gewisseste, das niemals vergehen wird; warum erstrebst du es dir von anderswoher? (G1)
Ihr alle, die ihr mit Sünden beladen seid und das Reich meines Vaters begehrt, kommt her zu mir, zu dieser Stunde. Allein durch mich kommt man zum Vater. Ich bin der Weg, die Pforte des Himmels: Wieso suchst du hier und dort andere? Ich bin die Wahrheit. Folge meinem Wort. Wieso […] [?], was dich in Verwirrung bringt? Ich bin das Leben […] [?] Wieso rühmst du […] [?] und Schein? (G2)

Versmaß: Elegische Distichen (G1), deutsche Reimverse (G 2).

Die bildliche Darstellung ist an den entsprechenden Holzschnitt aus Jost Ammans Icones novi Testamenti angelehnt.36) Dass Jesus auf dem See Genezareth von einem Boot aus predigte, berichtet das Lukasevangelium, allerdings ohne ein Thema der Predigt anzugeben. Die vorliegenden Gedichte greifen Jh 14,6 auf: Jch bin der Weg / vnd die Wahrheit / vnd das Leben. Niemand kompt zum Vater / denn durch Mich. Die Verse 3–8 des lateinischen Textes gehen auf den französischen Dichter Gilbert Ducher zurück, die beiden einleitenden Verse sowie die deutsche Version dürften von Ludolf Busse stammen. Die beiden Texte entsprechen sich weitgehend, sowohl auf inhaltlicher als auch besonders auf formaler Ebene: In beiden Gedichten wiederholt sich dreimal anaphorisch „Sum“ bzw. „Ick bin“, dazwischen jeweils mit „cur“ bzw. mit „Wat“ eingeleitete Fragen.

Textkritischer Apparat

  1. docenbi] docent Anton, gegen das Versmaß; wahrscheinlich docendi.
  2. Ergänzt nach der Textvorlage.
  3. mÿnm] mynns Anton.
  4. leeuent] secuent Anton.

Anmerkungen

  1. 34.Lc 5,1–3.
  2. 35.Die Verse 3–8 stammen aus den Epigrammaton libri duo des Gilbert Ducher (Lyon 1538), S. 50.
  3. 36.Amman, Icones novi Testamenti, fol. M4r; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.

Westliches Gewölbejoch

Osten

Auf der östlichen Gewölbekappe des westlichen Gewölbejochs eine Darstellung Lots und seiner Töchter sowie der Vernichtung von Sodom und Gomorrha.37) Im Feld links davon die Inschrift H1, im Feld rechts davon die Inschrift H2. Im Bildhintergrund fünf brennende Städte, die durch die Beischriften H3 bezeichnet werden; die Bezeichnungen sind unterhalb der Städte in kleine Felder gemalt.

  1. H1

    Iniustum fugias moneo, iustumq(ue) se[quaris]38) / Lux comes est iusti, comes est, mors [horrida] iniqui, / Exemplo Sodomae, quae Mundi forma [crem]andi est,39) / Sicgg) fugit in dominum fidens, nec [respic]it vltra, / Loth iustus: Fragilis40) sed coniunx [respic]it, et qua[e] / Fugerat. inuerso mutabilis ore, reuis[it] / Atq(ue) inter patrias perstat durata fa[uillas.]hh)

  2. H2

    Der Sunden straff hew[ - - - ] / Den [ . . . . . ]ders sÿnrii) G[ - - - ] / Dat [ . . . . . . . . ] Vam hemmel [ . ]ndt [ - - - ] / V[ . . . . . . . ]nckr[ . . . ]e gantz bald V[ . . . . ]n / Loth we[ . . . . . . ] De frow gestrafft [ - - - ] / Darumb [ . . ] Gades Gebodt heb[ . . . ]h[ - - - ] / Bald [ . . . . . . ] sick thom Gricht [ . . . . . ]arn / Do Behttjj), dat du nicht we[ . . . . . . . ]ar

  3. H3

    ZEBOIM. // ADAMA. // ZOAR. // GOMORRA. // SODOMA.

Übersetzung:

Ich ermahne dich, das Ungerechte zu meiden und das Gerechte zu befolgen. Das Licht ist Begleiter des Gerechten, der schreckliche Tod Begleiter des Ungerechten, gemäß dem Beispiel Sodoms, das das Urbild des Weltenbrands ist. So flieht der gerechte Lot, der auf den Herrn vertraut, und schaut nicht mehr zurück. Aber seine schwache Frau blickte zurück und sah, die Wankelmütige, mit umgewendetem Gesicht noch einmal auf das, wovor sie geflohen war, und blieb erstarrt stehen inmitten der Asche ihrer Heimat. (H1)
Die Strafe für die Sünden […] vom Himmel […] ganz bald […] Loth […] die Frau gestraft […] darum […] Gottes Gebot […] bald […] sich zum Gericht […] deshalb bete, dass du nicht […] (H2)

Versmaß: Hexameter (H1), deutsche Reimverse (H2).

Die bildliche Darstellung orientiert sich am entsprechenden Holzschnitt von Bocksperger und Amman, wobei aber nicht die Vordergrundszene übernommen wurde, sondern die Personengruppe im Hintergrund.41)

Textkritischer Apparat

  1. Sic] Si Anton.
  2. Fehlstellen ergänzt nach der Vorlage.
  3. sÿnr] sym Anton.
  4. Behtt] pehtt Anton.

Anmerkungen

  1. 37.Gn 18,16–19,38.
  2. 38.Die Verse der Inschrift H1 stammen (mit geringen Abweichungen, die in den folgenden Anmerkungen verzeichnet sind), aus Prudentius, Hamartigenia (V. 703f., 735, 765–768). V. 703 lautet im Original: sed moneo iniustum fugias iustumque sequaris.
  3. 39.Vgl. Prudentius, Hamartigenia, V. 735: Nemo, memor Sodomae, quae mundi forma cremandi est.
  4. 40.Vgl. Prudentius, Hamartigenia, V. 765f.: Haec fugisse semel satis est. Non respicit ultra / Loth noster; fragilis …
  5. 41.Bocksperger/Amman, Neuwe Biblische Figuren, fol. A4v; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.

Süden

Auf der südlichen Gewölbekappe eine Darstellung der Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham,42) im Feld links davon die Inschrift I1, im Feld rechts davon die Inschrift I2.

  1. I1

    [ - - - ] Const[ . . . . . ] imago Abraham / [ - - - ]it iussa verenda dei, / [ - - - ] D[ . . . . ]arere, nec vllum / [ - - - ] sua iussa sequi, / [ - - - ]eas [ . ]ibikk) conciliare fauorem / [ - - - ]dendo.ll) et iussis moriger esse suis.43)

  2. I2

    Dorch den Gelouen wert ger[ . . . . . ] / Abraham de f[ . . . ] G[ - - - ] / Syn exempel de [ - - - ] / Vth gad[ - - - ] / Wultu nu Go[ - - - ] / So ben[ - - - ]

Übersetzung:

Das Bild Abrahams […] die ehrwürdigen Gebote Gottes […] kein einziges […] seine Gebote befolgen […] sich die Gunst erwerben […] und seinen Geboten willfährig sein. (I1)
Durch den Glauben wurde […] Abraham […] sein Beispiel […] aus Gott[…] Willst du nun […] so […] (I2)

Versmaß: Elegische Distichen (I1), deutsche Reimverse (I2).

Die bildliche Darstellung folgt dem entsprechenden Holzschnitt von Bocksperger und Amman.44)

Textkritischer Apparat

  1. [ - - - ]eas [ . ]ibi] eine mögliche Konjektur ist: [Atque Dei stud]eas [t]ibi (Vorschlag Fidel Rädle, Göttingen).
  2. [ - - - ]dendo] vermutlich [Cre]dendo.

Anmerkungen

  1. 42.Gn 22,1–19.
  2. 43.Einige Formulierungen sind inspiriert aus Eobanus Hessus, Psalterium universum carmine elegiaco redditum atque explicatum, Marburg 1537, S. 251f. (Fehlpaginierung), Psalm 119, Octonarius VIII, V. 3 (mihi conciliare favorem), V. 8 (Dum studeo iussis moriger esse tuis), Octonarius X, V. 2 (Fac tua me docto pectore iussa sequi).
  3. 44.Bocksperger/Jost Amman, Neuwe Biblische Figuren, fol. B1r; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.

Westen

Auf der westlichen Gewölbekappe eine Darstellung des Zugs durch das Rote Meer.45) Links und rechts davon Inschriften, die bei einer Restaurierung entstanden sind.46) Die bildliche Darstellung ist an Bockspergers und Ammans Neuwe Biblische Figuren angelehnt.47)

Anmerkungen

  1. 45.Ex 14–15,21.
  2. 46.Links: Der Herr ist mit mir / mir zu helfen | Ich will meine Lust sehen an meinen | feinden. Es ist gut auff den Herrn | vertrauen / und nicht sich verlassen auff Menschen | Psalm 118 V. 7–8. Rechts: Ich will dem Herrn singen denn er hat eine herrliche | Tat getan / Roß und Wagen hat er ins Meer gestuertzt, Der Herr ist meine Stärke und Lobgesang und mein Heil. | Das ist mein Gott ich will ihn preisen / er ist meines | Vaters Gott / ich will ihn erheben II. Mose Cap. XV. (Abweichend vom sonstigen Usus werden hier die Zeilenumbrüche in den Inschriften durch senkrechte Striche kenntlich gemacht, um sie von den in der Inschrift vorhandenen Virgeln zu unterscheiden.)
  3. 47.Bocksperger/Amman, Neuwe Biblische Figuren, fol. C1v; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.

Norden

Auf der nördlichen Gewölbekappe Jona, der ins Meer geworfen und anschließend vom Fisch ausgespien wird.48) Im Feld links davon die Inschrift J1, im Feld rechts davon die Inschrift J2.

  1. J1

    Cum Ionas Niniuaemm) periturae nuncietnn) iram, / Deucteoo) veniam nocte dieq(ue)pp) petunt, / Sic tibi confesso damnatae crimina culpae, / Restituet vitae gaudia vera Deus.

  2. J2

    Ein Predigt Jonae bekert hat, / Der Niniuitern grote Stadt / Also latqq) di bekern tho Godt, / Dat di nicht schreckrr) de bitter dodt. / Johan Roen.

Übersetzung:

Als Jonas dem zum Untergang bestimmten Ninive den Zorn (Gottes) verkündet, flehen sie Nacht und Tag um Verzeihung für ihr Vergehen. So wird dir, wenn du die Vergehen der verfluchten Schuld bekannt hast, Gott die wahren Freuden des Lebens wiedergeben. (J1)
Eine Predigt des Jona hat die große Stadt der Niniviter bekehrt. Auf gleiche Weise lass du dich zu Gott bekehren, damit dich der bittere Tod nicht schrecke. (J2)

Versmaß: Elegische Distichen (J1), deutsche Reimverse (J2).

Die bildliche Darstellung beruht für die Szene im Hintergrund (Jona wird vom Schiff aus ins Meer geworfen, wo der Fisch auf ihn wartet) auf dem entsprechenden Holzschnitt von Bocksperger und Amman.49) Die Inschriften, in denen der Leser nach dem Beispiel der Bewohner von Ninive zur Umkehr aufgefordert wird, haben keinen direkten Bezug zum Bild, aber der für Jona-Darstellungen übliche Fisch dürfte unverzichtbar gewesen sein, nicht zuletzt um den typologischen Bezug zur Auferstehung Christi herzustellen.

Textkritischer Apparat

  1. Niniuae] Niniuicae Parisius.
  2. nunciet] nunc et Anton.
  3. Deucte] vermutlich Fehlrestaurierung für Delicto oder Delicti. Delicte Parisius.
  4. dieq(ue)] diess Parisius.
  5. lat] hat Parisius.
  6. schreck] schreckt Dohmeier.

Anmerkungen

  1. 48.Ion 1,15–2,11.
  2. 49.Bocksperger/Amman, Neuwe Biblische Figuren, fol. L1r; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215.

Schlusssteine

Auf dem Schlussstein des Chorgewölbes ein Wappenschild mit drei Blättern, links und rechts neben den Blättern die in Schwarz auf hellem Grund aufgemalten Initialen K. Auf dem Schlussstein des mittleren Gewölbes ein Wappenschild mit dem holstein-schaumburgischen Wappen, auf dem Schlussstein des westlichen Gewölbes ein achtstrahliger Stern.

  1. K

    L(VDOLF) B(VSSE)ss)

 
Wappen
Busse,50) Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen51)

Textkritischer Apparat

  1. B(VSSE)] H Bentrup.

Anmerkungen

  1. 50.Wappen Busse (drei Eichenblätter 2:1).
  2. 51.Wappen Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen (Herzschild Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt, diese in der Mitte mit einem Schildchen belegt (Holstein-Schaumburg); quadriert: 1. u. 4. Stern (Sternberg), 2. u. 3. Balken mit drei Pfählen belegt (Gemen)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 35 u. Tafel 39.

Kommentar

Die deutschen Texte sind in einer Fraktur ausgeführt, die stark durch Schwellzüge geprägt ist; der linke Bogenabschnitt bei a, o, g sowie der Bogen des b ist gewissermaßen eingekerbt. Der obere Schrägbalken des k ist zum Schaft hin gebrochen, der untere Schrägbalken waagrecht, verkürzt und weit nach oben gerückt. Die oberen Schaftenden bei h, k und l sind nach rechts gebogen. Unterlängen bei g und h sind häufiger zu Zierstrichen ausgezogen, die zum Teil auch Schlingen bilden.

Die lateinischen Texte nehmen neben Frakturelementen auch Formen der humanistischen Minuskel auf (insbesondere g, b, d, f, rundes s und Schaft-s). Schwellzüge fehlen dort, Brechungen sind bei v, m, n, i, u und r feststellbar. Beim a, e (gerundet) und o sind die Bögen zum Teil spitz abgeknickt. Schaft-r und Bogen-r treten nebeneinander auf; beim Schaft-r ist die Brechung am unteren Schaftende als ein neben den Schaft gesetztes Quadrangel gestaltet. Der Maler verwendet eine st-Ligatur. Auffällig ist das g, dessen oberer Teil als eingerollter geschlossener Bogen in Form einer 9 gestaltet ist; oben ein rechts angesetzter Haken, am unteren Ende setzt ein sichelförmiger Bogen an.

Sowohl für die Fraktur der deutschen als auch für die Mischminuskel der lateinischen Inschriften gilt, dass die meisten u unabhängig vom Lautwert ein diakritisches Zeichen in Form einer dünnen gezackten Wellenlinie aufweisen. Möglicherweise stammen die Deckenmalereien vom selben Maler, der auch die Emporenbrüstung (Nr. 249) und die Kanzel (Nr. 250) bemalt hat; allerdings fehlen bei der Empore das auffällige g sowie die charakteristischen Schwellzüge. Auch sind stets Restaurierungseinflüsse in Rechnung zu stellen.

Die vorliegenden Deckenmalereien gehören zu den bedeutendsten protestantischen Bilderzyklen im norddeutschen Raum und fanden in der kunsthistorischen Forschung entsprechende Beachtung; die Inschriften hingegen sind noch kaum untersucht worden.52) Als geistiger Urheber des Bild- und Inschriftenprogramms ist aufgrund der Inschrift K der damalige Hülseder Pastor Ludolf Busse zu vermuten.53) Bereits wenige Jahre vor der Entstehung der Deckenmalereien waren während seiner Amtszeit die Emporenbrüstung und die Kanzel mit einer Vielzahl von Inschriften ausgestattet worden (Nr. 249 u. 250); 1577 entstand auch ein Altarbild.54) Bei den weiteren Personen, die in den Inschriften D6, E3, E4 und J2 namentlich genannt werden, handelt es sich vermutlich um Älterleute oder um Stifter. Die in den Inschriften E3 und E4 genannte Familie Stumeier lässt sich auf einem Halbmeierhof in Hülsede nachweisen; eine Familie Bornemann (vgl. Inschrift D6) hatte den Vollmeierhof No. 1 inne.55)

Als Maler kommen sowohl der in Inschrift J2 genannte Johann Roen als auch, wie Grote und van der Ploeg annehmen, Jürgen Dove aus Minden in Betracht, dessen Signatur sich zusammen mit der Jahreszahl 1578 auf dem Kanzeldeckel befunden haben soll (vgl. Nr. 250).56) Die Darstellungen gehen zumeist auf die zeitgenössischen Illustrationen des Neuen Testaments von Johan Bocksperger und Jost Amman zurück.57)

Im Zentrum des Bildprogramms steht die Darstellung des Jüngsten Gerichts. Darum gruppieren sich im Westen alttestamentliche und im Osten neutestamentliche Szenen, die zum Teil typologisch aufeinander bezogen sind, beispielsweise die Sintflut und der Zug durchs Rote Meer auf die Taufe. Ein weiterer leitender Gedanke bei der Auswahl der Themen dürfte gewesen sein, das strafende Handeln Gottes (z. B. Sintflut, Untergang von Sodom und Gomorrha, Ertrinken der Ägypter im Roten Meer) seiner Gnade (z. B. Errettung Noahs, Lots und der Israeliten, Bewahrung Isaaks, Befreiung Jonas) gegenüberzustellen.58) Die Beschränkung auf biblische Szenen und auf wenige zentrale Motive kann als typisch für protestantische Bildprogramme gelten.59) Die starke Betonung der Taufe beruht darauf, dass sie im Luthertum neben dem Abendmahl als einziges Sakrament beibehalten wurde. Auch das an zwei Stellen vertretene Thema Predigt war für die Reformatoren von zentraler Bedeutung. Ferner ist festzustellen, dass aus der Darstellung des Jüngsten Gerichts alles, was an die katholische Lehre erinnern könnte (z. B. Heilige als Fürsprecher) verbannt wurde.60) Auch wenn also die Deckengemälde nicht so plakativ für die lutherische Sache werben wie die Emporenbrüstung oder das Altarbild, bei dessen Abendmahlsdarstellung zwei Jünger durch Luther und Melanchthon ersetzt waren,61) ist doch eine klare konfessionelle Ausrichtung erkennbar. Die Neuausstattung der Hülseder Kirche entstand zu einer Zeit, als sich die mehrere Jahrzehnte lang unklare konfessionelle Situation konsolidiert hatte. Dies entspricht einer generell zu beobachtenden Tendenz, die allem Anschein nach auch für die Grafschaft Schaumburg gilt: Auch wenn dort nominell bis 1559 das altgläubige Bekenntnis galt, wurden in der Zeit unmittelbar nach der Reformation fast keine neuen Kirchenausstattungsstücke angeschafft. Die Produktion setzte erst wieder ab den 1560er-Jahren ein. Zur selben Zeit wie in Hülsede entstand auch das Wandmalereiprogramm in der Laurentius-Kirche in Dassel (Lkr. Northeim).62) Mit den Hülseder Deckenmalereien in epigraphischer Perspektive am ehesten vergleichbar sind die 1588 oder 1589 entstandenen Wandmalereien in der Johanniskirche von Meinbrexen (Lkr. Holzminden), die allerdings deutlich schlechter erhalten sind; auch dort sind jedem Bild eine lateinische und eine deutsche Inschrift zugeordnet.63) Mit den Beischriften wurde wohl in erster Linie ein didaktischer Zweck verfolgt. Die Anbringung von Bildbeischriften ist im Einklang mit einer Empfehlung Luthers, der dies damit begründete, dass sich Bild und Text in Kombination besser einprägten.64) Die metrische Form der Texte erhöhte ihre Memorierbarkeit. Leseunkundigen Betrachtern konnten die Glaubensinhalte zumindest über das Bild vermittelt werden.

Keine eindeutige Tendenz ist in Hülsede hinsichtlich der Ausgestaltung der lateinischen im Vergleich zu den volkssprachigen Texten feststellbar. Oft entsprechen sie sich inhaltlich weitgehend; nur vereinzelt lässt sich eine stärker kommentierende Funktion der lateinischen Texte ausmachen. Auffallend ist die Vielzahl von zum Teil anspruchsvollen und erlesenen Quellentexten, die für das Inschriftenprogramm herangezogen wurden. Ein durchaus nicht zu unterschätzendes Motiv für den Pastor Ludolf Busse dürfte es gewesen sein, damit seine Bildung und Belesenheit zur Schau zu stellen; tatsächlich galt er seinen Zeitgenossen als vir doctus.65)

Anmerkungen

  1. 52.Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 59–69, 211–216; Oertel, Die protestantischen Bilderzyklen; Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 126f.; Hasso von Poser und Groß Naedlitz, „Nachreformatorische Ausmalungsprogramme in Niedersachsen“, in: Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Aufsatzband, S. 213–221. Vgl. zu den Inschriften: Katharina Kagerer, Das lateinisch-deutsche Inschriftenprogramm in der evangelischen Dorfkirche von Hülsede (1577), in: Astrid Steiner-Weber/Franz Römer (Hg.), Acta Conventus Neo-Latini Vindobensis. Proceedings of the Sixteenth International Congress of Neo-Latin Studies (Vienna 2015) (Acta Conventus Neo-Latini 16), Leiden 2018, S. 279–391.
  2. 53.S. oben Anm. 8.
  3. 54.Pfarrarchiv Hülsede, Corpus bonorum von 1734, fol. 5v (NLA BU, Mikrofiche-Sammlung Pfarrarchiv Hülsede, Fiche Nr. 17+). Das Altarbild war zum Zeitpunkt der Erstellung des Corpus bonorum außer Gebrauch („ein altes abgenommenes Altar gemahlet ao. 1577“).
  4. 55.Piepho, Zur Geschichte des Dorfes Hülsede, S. 37, 40.
  5. 56.Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 126f.
  6. 57.Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 215; die Einzelnachweise oben in den jeweiligen Abschnitten.
  7. 58.Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 66f.
  8. 59.Vgl. Oertel, Die protestantischen Bilderzyklen, S. 103; vgl. auch Wulf, Bildbeischriften, S. 51.
  9. 60.Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 64.
  10. 61.Pfarrarchiv Hülsede, Corpus bonorum von 1734, fol. 5v (NLA BU, Mikrofiche-Sammlung Pfarrarchiv Hülsede, Fiche Nr. 17+).
  11. 62.DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 152.
  12. 63.DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 108.
  13. 64.Martin Luther, Passional, Einleitung (Luther, WA 10,2 (1907), S. 458). In dem zunächst 1521 unter dem Titel Passional Christi und Antichristi erschienenen und 1522 in das Betbüchlein aufgenommenen Werk stellte Luther fünfzig Holzschnitte mit passenden Bibelversen zusammen; vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 159.
  14. 65.Hermann Hamelmann, Pars Prima Historiae ecclesiasticae renati Evangelii per inferiorem Saxoniam et VVestphaliam, o. O. 1586, fol. L4r.

Nachweise

  1. Mithoff, Fürstenthum Calenberg, S. 104 (B2, C1, C2, E2).
  2. Parisius, Das vormalige Amt Lauenau, 1911, S. 87f. (B2, C1, E2, J1, J2).
  3. Parisius, Das vormalige Amt Lauenau, 1951, S. 84 (B2, C1, E2, J1, J2).
  4. Dohmeier, Die St. Aegidienkirche, S. 127 (C2, E2, J2).
  5. Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat. Nr. 567 (E3–4).
  6. Anton, Wand- und Deckenmalerei, 212–215 (A–C, E–J).
  7. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 83f. (A2, B2, C2, E2, G2, J2, K).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 275 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0027506.