Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 261 Obernkirchen, Neumarktstraße 4 3. V. 16. Jh.?

Beschreibung

Haus. Fachwerk, giebelständig, eingeschossig mit Zwischengeschoss, sechs Gefache breit. Vor der linken Haushälfte eine drei Gefache breite Utlucht. Am Torbogen Tauband- und Perlstabschnitzereien, an den Füllhölzern Schiffskehlen und Tauband sowie Zahnschnitt. Die Inschrift verläuft an der Utlucht auf dem Schwellbalken des Giebels direkt unterhalb des vorspringenden Daches; am rechten Rand setzt sie sich in zweiter Zeile mit etwas geringerer Buchstabenhöhe fort. Sie ist erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt; in der Mitte ist ein kurzes, drei Buchstaben enthaltendes Balkenstück neu ergänzt. Die ergänzten Buchstaben werden in spitzen Klammern wiedergegeben. Die Inschrift war zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sommer 2009 nicht farbig gefasst.

Maße: Bu.: ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der Fraktur.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. [ . . . ] Here Heft Idt gegeven Der here heft idt wedder gena<men> Alse idt dem Heren behagede so[l] / it ge[ . . . ](ehen)a)1)

Übersetzung:

[Der] Herr hat es gegeben, der Herr hat es wieder genommen. Wie es dem Herrn gefällt, soll es [geschehen].

Kommentar

Die Schrift weist gewisse Ähnlichkeiten mit der Inschrift am Haus Marktplatz 1 auf (Nr. 332): Der obere Linksschrägschaft des d steht weit nach links über. Der untere Bogen des g ist in eine nach links schwingende Zierlinie ausgezogen, ebenso der senkrechte Teil des gebrochenen Bogens des h. w mit Anschwung, der in der vorliegenden Inschrift allerdings im Gegensatz zu Nr. 332 weit nach links ausgreift. Ähnlich ist in beiden Inschriften das stark eingerollte offene unziale D. Man wird daraus aber nicht sicher schließen können, dass beide vom selben Schnitzer stammen. In Nr. 332 ist der Versal H noch etwas manierierter. Dort wird ferner durchgängig kastenförmiges a verwendet, während in der vorliegenden Inschrift doppelstöckiges a auftritt, außerdem Bogen-r als Kurzschaft mit senkrecht darübergesetztem Quadrangel.

Die noch rein niederdeutsche Sprachform der Inschrift lässt vermuten, dass sie etwas früher entstanden sein könnte als die Inschrift am Haus Marktplatz 1, die auf 1590 zu datieren ist (Nr. 332). Auch die Fachwerkzier ist mit derjenigen an Gebäuden aus dem dritten Viertel des 16. Jahrhunderts vergleichbar.

Textkritischer Apparat

  1. Zu ergänzen zu ge[sch](ehen).

Anmerkungen

  1. Vgl. Hi 1,21 (nach der niederdeutschen Bibel von Bugenhagen): De Here hefft ydt gegeuen / de Here hefft ydt genamen. Der zweite Teil des Zitats findet sich in ähnlicher Form in einem wichtigen Strang der Vulgata-Überlieferung, der sich u. a. in der Sixto-Clementina manifestiert (vgl. Bibliorum sacrorum iuxta Vulgatam Clementinam nova editio […], hg. von Aloisius Gramatica, Mailand 1959, S. 437): sicut domino placuit, ita factum est (vgl. Septuaginta: ὡς τῷ κυρίῳ ἔδοξεν, οὕτως καὶ ἐγένετο.). Die hebräische Bibel und dementsprechend die Übersetzungen von Luther und Bugenhagen haben diesen Satz nicht; er wird aber häufig so zitiert, sei es in theologischen Abhandlungen oder in Vertonungen.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 261 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0026102.