Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 229 Bückeburg, Museum Bückeburg 1570

Beschreibung

Zwei Brüstungsplatten und ein Torbogen. Holz. Die Fachwerkbauteile stammen vermutlich vom Haus Niedernstraße 7 in Stadthagen.1) Die eine Brüstungsplatte zeigt einen Pelikan, der sich die Brust aufhackt, um seine drei Jungen in einem Nest zu füttern. Im Hintergrund ist der Kopf einer Schlange zu erkennen. Oberhalb der Darstellung ist die Inschrift A erhaben zwischen zwei Stegen ausgeführt, in die der gebogene Pelikanhals hineinragt. Am Ende von Inschrift A ein paragraphzeichenförmiger Worttrenner. Auf der zweiten Brüstungsplatte ist ein aufgerichteter Löwe dargestellt, in seinen Vorderpfoten ein Schriftband. Auf dem Schriftband erhaben in vertiefter Zeile die Inschrift B. Der Torbogen zeigt über einem verschlungenen Perlstabornament die erhaben in vertiefter Zeile ausgeführte Inschrift C; von ihr ist nur noch die unterste Zeile vorhanden. Links und rechts des Bogens die Bestandteile der erhaben gearbeiteten Inschrift D. In den Bogenzwickeln zwei Wappenschilde, im Schildhaupt des heraldisch rechten Wappens die erhaben in vertieftem Feld ausgeführten Initialen E, im heraldisch linken Wappen die Hausmarke H11. Oberhalb des heraldisch rechten Wappens die erhaben geschnitzten Initialen F.

Inschrift C ergänzt nach Conze.

Maße: H.: 59 cm (Brüstungsplatten), 137 cm (Bogen); B.: 112 cm (A), 115 cm (B), ca. 215 cm (Bogen); Bu.: 8 cm (A), 5 cm (B), 7–8 cm (C), ca. 7 cm (D, F), ca. 4 cm (E).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D–F), Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    PRO LEGE ET PRO GREGE2) ·

  2. B

    DE FORTI EGRESSA DVLCEDO3)

  3. C

    [VERTRAWE DEM LIEBE(N) GOT HALT FEST HERREN GEBOT - - - ] /PASTOR AEDIFICAVI[T] DOMVM · NB

  4. D

    A(NNO) 15//70

  5. E

    S M C4)

  6. F

    I(ACOB) · D(AMMANN)

Übersetzung:

Für das Gesetz und für das Volk. (A)

Vom Starken ist die Süße ausgegangen. (B)

Der Pastor hat das Haus errichtet. (C)

Wappen:
Dammann,5) ?6)

Kommentar

Insbesondere Inschrift C weist Elemente der frühhumanistischen Kapitalis auf: konisches M mit oberhalb der Mittellinie endendem Mittelteil. Schrägschaft des N mit Ausbuchtung. A mit nach unten gebrochenem Mittelbalken. In den Inschriften A und B spitzovales O.

Zu Jakob Dammann, dem ersten lutherischen Prediger in Stadthagen, vgl. Nr. 341. Da das Pfarrhaus nicht bewohnbar war, wohnte er zunächst in der Niedernstraße 7.7) Vom selben Gebäude stammt vermutlich auch ein Kaminsturz, der die gleichen Wappen zeigt (Nr. 231). Die Initialen am Ende von Inschrift C könnten sich auf den ausführenden Zimmermeister beziehen.

Das Motiv des Pelikans, der sich selbst die Brust aufhackt, beruht auf der schon aus der Antike tradierten Legende, wonach der Pelikan seine Kinder töte, drei Tage lang betrauere und sie anschließend mit seinem eigenen Blut wieder zum Leben erwecke.8) In christlicher Deutung wird der Pelikan zum Symbol für Tod und Auferstehung Jesu.9) In zeitgenössischer Emblematik drückt er auch die Fürsorge des Fürsten für die ihm Untergebenen aus; der Spruch Pro lege et pro grege tritt in Emblemen als Motto auf.10) Wiederholt dient ein Pelikan in Pfarrerwappen als Wappenbild, etwa in einem Porträt des Pastors Hermann Huddaeus aus dem Jahr 1568, dort ebenfalls in Verbindung mit der Devise P(RO) · LE(GE) · E(T) · P(RO) · G(REGE).11) Huddaeus ließ an seinem Haus ein Steinrelief anbringen, das ebenfalls einen Pelikan und die zitierte Devise zeigt.12)

Die Darstellung des Löwen nimmt Bezug auf die Erzählung von Samson aus dem Buch Richter, wonach Samson aus dem Kadaver eines Löwen Honig hervorholt.13) Darstellungen von Pelikan und Löwe fanden sich noch an einem weiteren Haus in Stadthagen (Nr. 401), möglicherweise dem zweiten der beiden Häuser Dammanns (vgl. Anm. 1).

Anmerkungen

  1. Wehling, Johann und Heinrich Heinecke, S. 56; vgl. ders., Oberprediger Jakob Dammann und die Häuser Nr. 76 und 273 in Stadthagen, in: Das Nesselblatt 1937, Nr. 5, ohne Seitenzählung. Das Haus wurde 1903 durch einen Neubau ersetzt (Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer, Teil 2, S. 52). Ein weiteres Haus besaß Jakob Dammann seit 1577 in der Obernstraße 54 (Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer, Teil 1, S. 110). – Die Zusammengehörigkeit der Stücke ergibt sich aus Conze, Haussprüche, S. 95.
  2. Walther, Proverbia, Nr. 22473a. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 1, Sp. 1614.
  3. Idc 14,14: de forte est egressa dulcedo.
  4. Vermutlich aufzulösen als SPES MEA CHRISTVS oder SALVS MEA CHRISTVS; vgl. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 309 zu Spes mea Christus (zurückgehend auf I Tim 1,1) u. S. 282 zu Salus mea Christus. In Steinbergen ist ein Kelch aus dem Jahr 1577 mit der Inschrift SPES MEA CHRISTVS vorhanden (Nr. 128), der mit Dammann in Zusammenhang stehen könnte.
  5. Wappen Jakob Dammann (dreifach geteilt: 1. Inschrift, 2. Perlbesatz, 3. Querstrom, 4. besamte Rose).
  6. Wappen ? (Hausmarke H11).
  7. Dahl, Dammann, S. 44.
  8. Vgl. Isidor, Etymologiae 12,7,26.
  9. Art. Pelikan in: LCI, Bd. 3, Sp. 390–392.
  10. Vgl. Henkel/Schöne, Emblemata, Sp. 811f.
  11. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 92; vgl. auch DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 398 (Grabplatte für den Pastor Justus Jahns aus dem Jahr 1642).
  12. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 102.
  13. Idc 14,8f.

Nachweise

  1. Conze, Haussprüche, S. 95.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 229 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0022901.