Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 225 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1570

Beschreibung

Türsturz. Stein. An einer heute vermauerten Tür außen an der Nordwand der Kirche am ersten Joch von Westen. Auf dem Türsturz verläuft die dreizeilige Inschrift A erhaben in vertieften Zeilen (die letzte Zeile ist in zwei Schriftfelder unterteilt). Inschrift B ist auf der gefasten Unterkante des Sturzes zu beiden Seiten des Steinmetzzeichens M22 eingehauen.

Maße: H.: 38 cm; B.: 140 cm; Bu.: 7 cm (A), 3,4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    MEN · DEO · W(AT) · MEN · DO · DES AVENS · SPADE · DES / MORGENS · FRO ·MEN · FRNCHTEa) · STEDES · GODT ·VN(N) / HOLDE · SIN · GEBODT1) · //ANNO · 1·5·70

  2. B

    M(EISTER) I(AKOB) K(ÖLLING)

Übersetzung:

Man tue, was (immer) man tue, des Abends spät, des Morgens früh. Man fürchte stets Gott und halte sein Gebot. (A)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Auffälligstes Merkmal der Schrift Jakob Köllings ist ihre Unregelmäßigkeit, besonders auch hinsichtlich der Buchstabenhöhen, sowie die balkenartigen Sporen an allen senkrechten Elementen, also den Schäften sowie an der Cauda des G. Auch am Schaft des offenen D, das spiegelverkehrt zum G gestaltet ist, findet sich dieser Sporn, sofern der Schaft senkrecht endet. Einige der D hingegen sind in Form des offenen unzialen D gestaltet; dort fehlt ein Sporn. Auch an den Balken fehlen Sporen; der obere und untere Balken des E und der obere Balken des F ragen jedoch nach links über den Schaft hinaus. Der Balken des T ist verhältnismäßig schmal. Balken des H mit Ausbuchtung nach oben. Mittelbalken des A teils schräggestellt, in SPADE gebrochen. Konisches M, dessen Mittelteil oberhalb der Mittellinie endet. Schrägschaft des N als Haarstrich; retrogrades N in VN(N). Spitzovales O. P mit verkleinertem, tiefer gesetztem Bogen. Die Cauda des R ist verkürzt; Entsprechendes ist am unteren Schrägbalken des eingehauenen K von Inschrift B zu beobachten (vgl. auch Nr. 227). Das S in SPADE ist als Schleifen-s gestaltet. Der Schaft der 7 ist nach rechts durchgebogen. Die Schrift gleicht derjenigen auf einem Stein an der Kirche in Hattendorf (Nr. 274). Zu Köllings Meistersignatur und zu seiner Gestaltung der Ziffern vgl. Nr. 276.

Die Jetenburger Kirche wurde 1570 unter Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg anstelle eines romanischen Vorgängerbaus durch den Schaumburger Baumeister Jakob Kölling errichtet.2) Jakob Kölling „de steynhouwer“ wurde 1542 Bürger von Stadthagen.3) 1553 bezahlte er dort das Bürgergeld für seine erste, namentlich nicht bekannte Frau.4) Vermutlich aus dieser ersten Ehe stammte seine Tochter Alheit, die mit ihm und ihrem Bruder Hans unter den Mitgliedern der Bruderschaft „Unserer Lieben Frau“ in Stadthagen aufgeführt ist.5) Vermutlich war Jakob Köllings Ehefrau zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Er heiratete erneut und zahlte 1579 Bürgergeld für seine zweite Frau.6) Jakob Kölling starb zwischen 1581 und 1597.7)

Kölling war einer der wichtigsten Renaissancebaumeister in der Grafschaft Schaumburg; er wirkte dort vier Jahrzehnte lang. Er begann seine Karriere mit kleineren Steinmetzarbeiten (vgl. Nr. A1 23) und wurde später als Baumeister mit großen Aufträgen des Landesherrn betraut. Neben der Jetenburger Kirche, für die er 200 Reichstaler erhielt,8) erbaute Kölling unter anderem eine Mühle in Rinteln sowie die Lateinschule in Stadthagen (Nr. 349) und wirkte am Bau des Schlosses Bückeburg mit. Auch für die Schlösser in Rodenberg und Sachsenhagen ist seine Tätigkeit nachweisbar.9) Kölling wurde aber auch vom Landadel (vgl. Nr. 160, 276 u. 286) und für kirchliche Bauaufträge herangezogen (z. B. Erweiterung der Hattendorfer Kirche 1577).

Seine Formensprache war von den Werken Jörg Unkairs (vgl. Nr. 148) beeinflusst. Ob Kölling zeitweise bei Unkair angestellt war, ist allerdings nicht belegt.10)

Textkritischer Apparat

  1. FRNCHTE] statt FRVCHTE.

Anmerkungen

  1. Vgl. Pr 12,13: Fürcht Gott / vnd halte seine Gebot.
  2. Kreft/Soenke, Weserrenaissance, S. 270. Vgl. Nr. 228.
  3. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 44,21.
  4. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 233,19.
  5. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 331,32.
  6. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 395,4f.
  7. Albrecht, Kölling, S. 171; vgl. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 250,33.
  8. StA Stadthagen, A 1 Nr. 1a, ohne Blattzählung [13r]. Von dieser Summe musste er aber noch seine Arbeiter entlohnen.
  9. Albrecht, Landesherrliche Baumaßnahmen, S. 178–181.
  10. Albrecht, Kölling, S. 171.

Nachweise

  1. NLA BU, F 2 Nr. 3647, fol. 8r (A).
  2. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 37 u. Abb. 70 (Zeichnung) (A).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 225 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0022506.