Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 207 Bückeburg, Lange Straße 22 1564, 1578, 1609

Beschreibung

Haus. Fachwerk, giebelständig, eingeschossig, zehn Gefache breit, an der linken Seite eine nachträglich angebaute steinerne Utlucht.1) In den Zwickeln des mit Tauband verzierten Rundbogenportals zwei Rundmedaillons mit Köpfen eines bärtigen Mannes (links) und eines Knaben (rechts). An den Füllhölzern teilweise Schiffskehlen, teilweise Taubandschnitzereien; an der Unterkante des Schwellbalkens des vorkragenden Giebelgeschosses und an den Knaggen Taubandschnitzereien. Inschrift A befindet sich auf dem Schwellbalken des Giebels. Sie ist erhaben in vertiefter Zeile gearbeitet und in Gold auf rotem Grund gefasst; zum Teil ist die Inschrift nicht mehr erhaben aus-geführt, sondern nur noch aufgemalt. Jeweils am Versende ein paragraphzeichenförmiger Worttrenner. Der Anfang des Textes vermutlich im Umfang von einem Vers ist verloren oder durch die Utlucht verdeckt.

In der links (im Osten) an das Haus angebauten Mauer ist über dem Türdurchgang zum Museum ein Wappenstein in Form einer rundbogig abgeschlossenen Ädikula eingemauert; im Giebel ein Engelskopf. In der Nische ein Wappen, in dem von Rollwerk gerahmten Unterhang die erhaben in vertieftem Feld gearbeitete Inschrift B vor punktiertem Hintergrund.

Noch im 18. Jahrhundert befand sich an dem Gebäudekomplex über einer Tür ein in Stein gehauenes Bildnis des Kanzlers Eberhard von Weyhe mit der Beischrift C. Über den Verbleib dieses Objekts ist nichts bekannt.2)

Inschrift C nach NLA BU, K1 A Nr. 21.

Maße: H.: 95 cm (B); B.: 66 cm (B) cm; Bu.: ca. 10 cm (A), ca. 3 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/2]

  1. A

    [ - - - ]tur · selig · sol · auszgruttena) · werde(n)b) · /Kein · mensch so mechtig · j[ . . .]cz mehr · /Dem · ungluck · nit · zu · forchten · wer ·

  2. B

    15 · 7 · 8

  3. C †

    a(nn)o 1609

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Wappen:
Holstein-Schaumburg3)

Kommentar

r als Bogen-r, in mehr und in auszgrutten in Form eines Kurzschaftes mit senkrecht darübergesetztem Quadrangel.

Das Gebäude, der sogenannte Schaumburger Hof, wurde vermutlich 1564 fertiggestellt. Dafür spricht zum einen der von Thorsten Albrecht in seinem Beitrag über den Schaumburger Hof referierte dendrochronologische Befund.4) Zum anderen existiert eine Urkunde vom 18. Juli 1564, mit der Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg ein neu erbautes Haus Adolf Steven (zu ihm Nr. 296) und seiner Frau Anna Mantels erblich überließ. Albrecht zufolge ist dieses Haus mit dem Gebäude in der Langen Straße 22 zu identifizieren.5)

Das Haus gelangte als Erbe der Elisabeth Steven, der einzigen Tochter des Adolf Steven, über deren Tochter Elisabeth Syburg in den Besitz des Christopher Bohne, des Ehemanns der Elisabeth Syburg (s. Nr. 498). Bohne überließ es Graf Ernst von Holstein-Schaumburg, der es 1606 als freien Adelshof seinem Kanzler Eberhard von Weyhe überließ.6) Dieser verkaufte den Hof 1620 wieder an Graf Ernst; aus diesem Anlass wurde ein Inventar erstellt.7) 1634 erhielt Statius von Münchhausen (1582–1646), Geheimrat und Landdrost in Bückeburg,8) den Hof als Geschenk.9)

Wann die Wappenädikula mit der Jahreszahl B an ihren jetzigen Standort gelangte, ist nicht ganz klar. Sie ist dort bereits vor 1739 nachzuweisen. Albrecht vermutet in ihr eine Spolie.10)

Seit 1904/05 dient das Gebäude als Museum.11)

Textkritischer Apparat

  1. auszgrutten] auszgrutlen Kdm.
  2. Kürzungsstrich über e nicht farbig gefasst.

Anmerkungen

  1. Die Utlucht entstand vermutlich im Zuge des Umbaus der Jahre 1671–1673; Albrecht, Schaumburger Hof, S. 81f.
  2. Der steinerne Bildkop über die neu eingebrochene Thüre in die Mauer nordwärts an mit Beyschrifft de ao. 1609 ist ein Bildkop des Cantzler Weihen (NLA BU, K 1 A Nr. 21, fol. 3v, Aktenstück Nr. 1) (vgl. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 96).
  3. Wappen Holstein-Schaumburg (Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 32 u. Tafel 38.
  4. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 59; das Bauholz wurde 1562/63 gefällt.
  5. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 60f.; anders Prinz, Grabdenkmäler, S. 21.
  6. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 61f.
  7. NLA BU, F 3 Nr. 778 nach Albrecht, Schaumburger Hof, S. 63.
  8. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 337, S. 133.
  9. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 63; dort auch zur weiteren Besitzergeschichte.
  10. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 96.
  11. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 63.

Nachweise

  1. NLA BU, K1 A Nr. 21, fol. 3v (C).
  2. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 35 (A).
  3. Hansen/Kreft, Fachwerk im Weserraum, Abb. 331.
  4. Albrecht, Schaumburger Hof, S. 68 (A) u. 96 (B, C).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 207 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0020708.