Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 205 Obernkirchen, Stift 1564

Beschreibung

Grabplatte für den Propst Johannes Kostken. Stein. Die hochrechteckige Platte ist heute im Kreuzgang des Stifts aufgestellt. Im Innenfeld eine Darstellung des Verstorbenen in Ritzzeichnung mit einem knielangen Untergewand und einem etwas kürzeren Obergewand. Die Inschrift ist eingehauen und läuft zwischen zwei vertieften Linien um den Stein um. An der oberen rechten Ecke wurden zwei ausgebrochene Teile der Platte wieder angefügt; die Inschrift wurde an zwei der Bruchstellen ergänzt. Eine weitere Ergänzung findet sich am unteren Ende der rechten Langseite. An der oberen und unteren rechten sowie an der unteren linken Ecke wurden darüber hinaus Teile der Inschrift neu gehauen. Die Ergänzungen werden in spitzen Klammern wiedergegeben.

Maße: H.: 256 cm; B.: 145 cm; Bu.: 7,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. AN(N)O · A · NATIVITATE · DOMINIa) 1565 / <VLTIMA DECEMBR>ISb)1) OBYT · VENERABILIS · DOMINVSc) · IOHA(N)NES · K<OSTKE(N)d) · P(RAE)P(OSI)TVS / IN OVERENKERKEN>e) · NECNON < · S(ANCTI) · MARTINIf) / MIND(ENSIS)>g) · SENIOR CANONIC(VS) · CVIVS ANIMA · REQVIESCATh) · JN · PACE AME(N)

Übersetzung:

Im Jahr 1565 nach der Geburt des Herrn starb am letzten Tag des Dezembers der ehrwürdige Herr Johannes Kostken, Propst zu Obernkirchen und Seniorkanoniker zu St. Martini in Minden. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Kommentar

Gleichmäßig gearbeitete, mit schmaler Kerbe gehauene Kapitalis. Konisches M mit oberhalb der Mittellinie endendem Mittelteil. R mit gewölbter Cauda. Das Y besteht aus zwei parallelen Schäften, deren linker nur von der Oberlinie zur gedachten Mittellinie reicht; die Schäfte sind durch einen Schrägschaft verbunden.

Johannes Kostken übernahm im Jahr 1534 das Amt des Propstes im Stift Obernkirchen, das er bis zu seinem Tod 1564 bekleidete. Seit 1517 ist er auch als Kanoniker des Martini-Stifts in Minden belegt, als dessen Senior er starb.2) Ferner ist er 1557 als Kanoniker des Bonifatiusstifts Hameln nachgewiesen; er hatte dort eine Kommende am Johannisaltar inne.3)

Brosius nimmt an, dass der Verstorbene mit dem Magister Johannes Kostken identisch ist, der 1494 als Angehöriger des Bonifatiusstifts Hameln belegt ist.4) Brosius zufolge handelte es sich dabei um Johannes Kostken aus Blomberg (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen), der sich 1479 an der Universität Rostock immatrikulierte und dort 1480/81 den Grad eines Baccalaureus erwarb.5) Daraus schließt Brosius, dass er um 1465 geboren sei. Allerdings bedeutet dies, dass Kostken im Alter von fast 70 Jahren Propst in Obernkirchen geworden wäre und dieses Amt bis ins hohe Alter von fast 100 Jahren ausgeübt hätte. Ob tatsächlich eine Identität des Obernkirchener Propstes mit dem 1494 erwähnten Hamelner Kanoniker bzw. mit dem Rostocker Studenten bestand, lässt sich weder aus den Hamelner Quellen noch aus der Inschrift beweisen oder widerlegen.6)

Der Obernkirchener Propst Johannes Kostken war als Berater für Otto IV. von Holstein-Schaumburg tätig. Diesem engen Verhältnis zum Landesherrn hatte er es wohl zu verdanken, dass in Obernkirchen die Reformation nicht noch in seiner Amtszeit durchgeführt wurde. Kostken war ein entschiedener Verfechter des alten Glaubens und widersetzte sich zusammen mit dem Konvent der mehrfachen Aufforderung Ottos IV., die Reformation im Stift durchzuführen. Auch die von Graf Otto IV. 1563 erlassene Klosterordnung ignorierte Kostken.7) Noch im Jahr seines Todes gelang es ihm, durch einen von Kaiser Maximilian II. ausgestellten Schutzbrief die Privilegien des Klosters zu sichern und den Einfluss des Grafen auf das Kloster zu beschränken.8) Die Angabe bei Nordsiek, Kostken sei 1562 (oder früher) als Propst abgesetzt worden,9) muss durch Urkunden vom 3. April und vom 20. Oktober 1564, in denen er sich als Johan Kostken provest bezeichnet, als widerlegt gelten.10) Erst nach seinem Tod wurde im Stift Obernkirchen die Reformation eingeführt.

Kostken, für den im Stift Obernkirchen auch ein Epitaph erhalten ist (Nr. 211), hinterließ bei seinem Tod ein bemerkenswertes Vermögen, aus dem er u. a. Stiftungen für die Armen errichtete.11)

Textkritischer Apparat

  1. Teile des N und eventuell auch des zweiten I wurden ergänzt.
  2. VLTIMA DECEMBR] neu gehauen.
  3. S kleiner auf Höhe der Oberlinie.
  4. K<OSTKE(N)] KORTKE Kdm.
  5. OSTKE(N) … OVERENKERKEN neu gehauen.
  6. Das zweite I befindet sich außerhalb der die Inschrift begrenzenden Linien auf dem Stein.
  7. · S(ANCTI) · MARTINI / MIND(ENSIS)] neu gehauen.
  8. Zweites E kleiner und zwischen I und S über die Zeile gestellt.

Anmerkungen

  1. 31. Dezember 1564. In der Diözese Minden begann das Jahr mit dem 25. Dezember; zur Kennzeichnung dieser Jahresrechnung diente der Zusatz A NATIVITATE (vgl. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung, S. 12; dazu auch Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 70, Anm. 37).
  2. Nordsiek, Studien zur Geschichte des Kollegiatstifts St. Martini Minden, S. 83.
  3. UB Obernkirchen, Nr. 513.
  4. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 71; bei Brosius ist fälschlich die Jahreszahl 1497 als Erstbeleg angegeben.
  5. Matrikel Rostock, Bd. 1, S. 213, Nr. 34 u. S. 221, Z. 15.
  6. In einer Hamelner Urkunde vom 12. Juni 1525 findet sich folgender Eintrag: Item vacat curia claustralis directe retro chorum, quam quondam Johannes Kosteken inhabitavit, ad orientem cimiterii nostri (UB Hameln, Teil 2, Nr. 708). Dies interpretiert der Herausgeber des Hamelner Urkundenbuchs Erich Fink als Hinweis auf den Tod des Johannes Kostken (UB Hameln, Teil 2, Personen- und Ortsregister, S. 737). Allerdings sind auch andere Gründe für die Vakanz der Kurie vorstellbar, zumal 1528 ein Magister Johannes Kostken im Zusammenhang mit dem Testament Johannes Gogreves d. Ä. überliefert ist (UB Hameln, Teil 2, Nr. 711, Anm. 1 auf S. 529).
  7. Dazu und zum folgenden vgl. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 149ff.; vgl. Tebbe, Epitaphien, S. 226.
  8. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 72 u. 155.
  9. Nordsiek, Studien zur Geschichte des Kollegiatstifts St. Martini Minden, S. 83.
  10. UB Obernkirchen, Nr. 548 (= NLA BU, Orig. Dep. 2, Nr. 493) und Nr. 551.
  11. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 72. Vgl. Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, A 210 II (Domkapitel Minden – Akten), Nr. 349–352 (nach Findbuch).

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 87.
  2. Mahrenholtz, Grabsteine, Nr. 21, S. 130 u. Abb. S. 132.
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 105, S. 226.
  4. Suckale, Stift Obernkirchen, Abb. 54, S. 45.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 205 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0020504.