Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 185 Stadthagen, St. Martini 1559

Beschreibung

Emporenbrüstung. Holz. Die Fürstenprieche, die in ihrer jetzigen Form auf Fürst Georg von Schaumburg-Lippe (reg. 1893–1911) zurückgeht, befindet sich im Nordwestbereich der Kirche.1) Auf den größtenteils von einer Vorgängerprieche stammenden, restaurierten Brüstungsfeldern 15 Bilder: Christus als Salvator Mundi, neun Apostel und fünf Wappendarstellungen, davon zwei aus jüngerer Zeit. An der Südwand der Prieche folgende in Halbfigur gemalte Figuren: 1. Jakobus d. Ä. mit Pilgerstab, als Überschrift Inschrift A1, auf einem Feld unter der Personendarstellung die Inschrift A2; 2. Johannes der Evangelist mit Kelch und Schlange, als Überschrift B1, unterhalb der Darstellung B2; 3. Andreas mit Andreaskreuz, als Überschrift C1, unterhalb der Darstellung C2 und 4. Philippus mit Kreuzstab, als Überschrift D1, unterhalb der Darstellung D2. An der Ostwand der Prieche im linken Segment fünf Tafeln mit gemalten Vollwappen, auf den Feldern unterhalb der Wappendarstellungen beigeordnete Inschriften. Links aus jüngerer Zeit 5. das Wappen des Fürsten Stephan Albrecht Georg,2) gefolgt 6. vom Wappen seiner Ehefrau Marie Anna.3) Dann die Wappen des Grafen Otto IV. (7.) sowie seiner beiden Ehefrauen (8. und 9.) mit den Beischriften E–G.

Auf dem rechten Segment 10. Christus als Salvator Mundi mit einem Lamm auf den Schultern, als Überschrift H1, unterhalb der Darstellung H2 schwarz auf grauen Hintergrund gemalt, einzelne Buchstaben, die ein Chronogramm ergeben, in Gold; 11. Bartholomäus mit Messer und Haut, als Überschrift I1, unterhalb der Darstellung I2; 12. Matthäus mit Winkelmaß und Beil, als Überschrift J1, unterhalb der Darstellung J2; 13. Jakobus d. J. mit Walkerstange, als Überschrift K1, unterhalb der Darstellung K2; 14. Simon mit Säge und Buch, als Überschrift L1, unterhalb der Darstellung L2; 15. Matthias mit Hellebarde, als Überschrift M1, unterhalb der Darstellung M2, unter der schwarzen Grundfarbe sind Reste weiterer Buchstaben in der zweiten Zeile zu erahnen, die aber vermutlich denselben Text bildeten wie die jetzt sichtbare Inschrift.

Die Überschriften zu den Darstellungen sind in Schwarz aufgemalt, die Inschriften am unteren Rand der Brüstungstafeln sind in Gold auf schwarzem Grund aufgemalt. Die Inschriften wurden restauriert und offenbar teilweise erneuert.

Maße: H.: 82 cm; B.: 49 cm (je Tafel); Bu.: 2,1 cm (A1, B1, C1, D1, H1, I1, J1, K1, L1, M1), 1,5 cm (A2, B2, C2, D2, I2, J2, K2, L2, M2), 1,7–2 cm (E–G), 2–2,5 cm (H2).

Schriftart(en): Fraktur (A–D, H1, I–M), Kapitalis (E–G, H2).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/5]

  1. A1

    S(anctus) Jacob(us) · Major ·

  2. A2

    Ick Lowe an Gott den Vader, / Den Allmächtigen Schöpfer / Himmels und der Erden; ·

  3. B1

    S(anctus) Johannes · Evang(e)l(ista) ·

  4. B2

    Unde an Jhesum Christum Sinen / Einÿchen Sone, Unsern Heren / De entfangen ys von dem hillige(n) Geist ·

  5. C1

    S(anctus) · Andreas ·

  6. C2

    Gebaren van Marien der Junckfruwen, / Geleden hefft under dem Richter Pontio / Pilato, gecrütziget, Gestorben u(nd)a) Begrauenb) ·

  7. D1

    S(anctus) · Phillipus ·

  8. D2

    Nedergestegen tho der Helle, am drüdden / Dage weder operstadenc) van den Doden / Op gefaren tho Himmel ·

  9. E

    VON · GOTTES · GNADEN · OTTO GRAVE · / ZV · HOLSTAIN · SCHAVWBVRG · VND · STERE=/BERGE · HER · ZV · GEMEN ·

  10. F

    VON · GOTTES · GNADE(N) · ELISABETH · VRSVLA · GEBORN(E) · / HERZOGIN · ZV · BRAVNSWIG · VN(N) · LV(E)NEBVRG · GRAVIN · ZV HOL=/STAIN-SCHAVWBVRGd) · VN · STERNBERGE · FRAW · ZV · GEMEN ·

  11. G

    VON · GOTTES · GNADEN · MARIE · GEBORN(E) / HERZOGIN V(ON)e) STETTIN · VN(N) · POMERE(N) · GRAVIN / ZV · HOLSTAIN . SCHAVWBVRG · VN · STERNBERGE · FRAW / ZV GEMENf) ·

  12. H1

    Salvator · · Mundig) ·

  13. H2

    PASTOR · OVESh) · CVRAT · (SAEVVS · NVNC · / SAEVIAT · HOSTIS)i) · QVAE · CRVCIS · ET · MORTIS · / CAVSA · FVERE · SVAE ·

  14. I1

    S(anctus) · Bar·tholomäus ·

  15. I2

    Sÿtteth to der rechten Handt Godes des / Allmächtigen Vaders · Von darher he komen / werth, to richten de leuendige(n) und de doden ·

  16. J1

    S(anctus) · Matthäus ·

  17. J2

    Ick Lowej) an den Hilligen Geist ·

  18. K1

    S(anctus) · Ja·cobus · minor ·

  19. K2

    Eine Hillige Christlicke Kercken, gemeinschop / der Hilligen ·

  20. L1

    S(anctus) · Simon ·

  21. L2

    Vorgebung der Sünde, Operstahung / des Fleisches ·

  22. M1

    S(anctus) · Mathias ·

  23. M2

    Und eÿn Ewich Leuenth · Amen ·

Übersetzung:

Ich glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn, unseren Herrn, der empfangen wurde vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, der gelitten hat unter dem Richter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben ist, hinabgestiegen ist zur Hölle, am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren zum Himmel. Er sitzt zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen, um die Lebendigen und die Toten zu richten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünde, die Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen. (A2–D2, I2–M2)

Der Erlöser der Welt. (H1)

Der Hirte sorgt für seine Schafe (mag auch der tobende Feind jetzt wüten), die doch der Grund für sein Kreuz und seinen Tod waren. (H2)

Versmaß: Ein Chronodistichon (H2).

Wappen:
Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen,4) Braunschweig-Lüneburg,5) Pommern6)

Kommentar

Das in der Inschrift H2 enthaltene Chronodistichon ergibt die Jahreszahl 1559. Möglicherweise entstanden die Brüstungstafeln für die Empore der im Jahr 1559 erbauten Orgel.7) Zu Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg und seinen beiden Ehefrauen Maria von Pommern und Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg vgl. Nr. 159 u. 269.

Die Bildfolge entspricht der Ikonographie des Apostelcredos: Jedem Apostel wird ein Satz des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zugewiesen. Dies beruht auf der Legende, dass die Apostel gemeinsam den Text des Credos festgelegt hätten, bevor sie auseinandergingen.8)

Unklar ist, ob in Stadthagen von Anfang an nur neun Apostelbilder vorhanden waren. Auch wenn ein Apostelcredo nicht immer Darstellungen aller zwölf Apostel beinhalten muss,9) ist dieser Befund doch ungewöhnlich; insbesondere verwundert das Fehlen des Petrus. Die vorhandenen Bilder folgen der in der Apostelgeschichte gegebenen Reihenfolge.10) Falls einzelne Brüstungstafeln der Stadthäger Bildfolge verloren gegangen sind, würde dies bedeuten, dass der Text des Credos auf die vorhandenen neun Tafeln zum Teil neu verteilt wurde11) und einige Inschriften neu angefertigt worden wären.

Textkritischer Apparat

  1. u kleiner.
  2. u mit zwei darübergesetzten Punkten.
  3. operstaden] statt opersta(n)den.
  4. HOL=/STAIN-SCHAVWBVRG] über dem I ein redundanter Kürzungsstrich.
  5. V kleiner mit einem eingestellten Kreuzchen.
  6. ZV GEMEN] kleiner.
  7. u mit zwei darübergesetzten Punkten.
  8. V größer.
  9. Klammer so in der Inschrift.
  10. w mit zwei darübergesetzten Punkten.

Anmerkungen

  1. Die Prieche wird in Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe nicht erwähnt. Vgl. zu der Prieche Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 184f.
  2. STEPHAN · ALBRECHT · GEORG · VON GOTTES GNA=/DEN · REGIERENDER FÜRST ZU SCHAUMBURG-LIPPE · EDLER HER(R) / ZUR LIPPE · GRAF ZU SCHWALENBERG U. STERNBERG · ETC · ETC.
  3. MARIE · ANNA · REGIERENDE FÜRSTIN ZU SCHAUM=/BURG-LIPPE · GEBORENE PRINZESSIN VON SACHSEN=/ALTENBURG · HERZOGIN ZU SACHSEN ·
  4. Wappen Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen (Herzschild Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt, diese in der Mitte mit einem Schildchen belegt (Holstein-Schaumburg); quadriert: 1. u. 4. Stern (Sternberg), 2. u. 3. Balken mit drei Pfählen belegt (Gemen)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 35 u. Tafel 39.
  5. Wappen Braunschweig-Lüneburg (quadriert: 1. zwei Leoparden übereinander (Braunschweig), 2. Löwe auf mit Herzen bestreutem Grund (Lüneburg), 3. bekrönter Löwe (Everstein), 4. Löwe in gestücktem Bord (Homburg)); vgl. Veddeler, Landessymbole, S. 85; hier abweichend: 4. Bord nicht gestückt.
  6. Wappen Herzöge von Pommern (zweimal gespalten und zweimal geteilt: 1. bekrönter Greif (Herzogtum Stettin), 2. Greif (Herzogtum Pommern), 3. Greif (Herzogtum Cassuben), 4. Greif (Herzogtum Wenden), 5. geteilt: 1. wachsender Löwe, 2. Mauergiebel (Fürstentum Rügen), 6. Fischgreif (Herrschaft Usedom), 7. Greif (Land Barth), 8. zwei schräggekreuzte Äste, von vier Rosen begleitet (Grafschaft Gützkow), 9. geteilt: 1. wachsender Greif, 2. geschacht (Herrschaft Wolgast)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 78 u. Tafel 79.
  7. Vgl. zur Orgel Pönnighaus/Jobst, St. Martini-Kirche, S. 20.
  8. Wernicke, Darstellung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, 1887, S. 124f.
  9. H. W. van Os, Art. „Credo“, in: LCI, Bd. 1, Sp. 461–464, dort Sp. 461; vgl. Wernicke, Darstellung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, 1888, S. 21.
  10. Apg 1,13; die Vertauschung von Jakobus und Johannes tritt häufiger auf, vgl. Wernicke, Darstellung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, 1887, S. 137.
  11. Jedenfalls fällt auf, dass die ersten fünf Tafeln jeweils deutlich mehr Text enthalten als die übrigen vier.

Nachweise

  1. Husmeier, Graf Otto IV., S. 314f. (F, G).
  2. Werlich, Denkmale der Greifen, S. 23 (Abb.) (E–G).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 185 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0018507.