Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 171† Rinteln, Bäckerstraße 7 1553

Beschreibung

Balken. Holz. Der Fachwerkbalken, der ursprünglich vermutlich aus einem anderen Gebäude stammte, war zwischenzeitlich, zersägt in zwei Teile, im Haus Bäckerstraße 7 (Nr. 151) in eine Decke eingezogen. In den 1930er-Jahren wurde der Balken in der Oberschule für Mädchen in Rinteln aufbewahrt. Sein weiterer Verbleib ist unklar.1) Die Inschrift war in „gotische[n] Buchstaben“2) ausgeführt.

Inschrift nach „Ein zweiter Schriftbalken im Hause Pröle“.

  1. Anno domini 1553 ys duth bueth got wonderlick dinck den ix dach julij heft gegeven 4 hartigena) und [ - - - ] sind gestorven. bidtet got ene vor den anderen dat wy goddes gnade erlangen

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1553 ist dieses (Haus) erbaut worden. Sehr wunderliche Dinge haben sich am 9. Juli ereignet: Vier Herzöge [?] und […] sind gestorben. Bittet Gott einer für den anderen, dass wir Gottes Gnade erlangen.

Kommentar

Die Inschrift, die einen ähnlich chronikalischen Charakter hat wie die Nachricht über eine Seuche und eine Wilsnackwallfahrt im Jahr 1516 (Nr. 100), berichtet sicherlich von der Schlacht bei Sievershausen (Region Hannover) am 9. Juli 1553. Hintergrund dieser Auseinandersetzung war wiederholter Landfriedensbruch durch Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. Daher verbündeten sich mehrere Fürsten unter der Führung von Kurfürst Moritz von Sachsen, um sich Albrecht und seinen marodierenden Truppen entgegenzustellen. Bei der Schlacht bei Sievershausen, die als die blutigste des 16. Jahrhunderts auf deutschem Boden gilt, ging Moritz von Sachsen zwar als Sieger hervor; er starb jedoch zwei Tage später an den erlittenen Verwundungen. Neben ihm kamen nicht nur mehrere weitere Fürsten, sondern auch eine große Zahl von Angehörigen des niederen Landadels und einfachen Soldaten ums Leben.3) Dass das Ereignis in der näheren und weiteren Umgebung als sehr einschneidend empfunden wurde, zeigt die vorliegende Hausinschrift.4) In Rinteln war von der Schlacht insbesondere die Familie von Münchhausen betroffen: Jobst von Münchhausen, Herr in Rinteln, und sein Bruder Johann fielen beide in der Schlacht, so dass Hilmar von Münchhausen (vgl. Nr. 197) den Münchhausenhof in der Ritterstraße übernahm.5)

Bei den vier Herzögen, die vermutlich in der Inschrift genannt waren (vgl. Anm. a), dürfte es sich um die Schlachtenteilnehmer Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, seine beiden in der Schlacht gefallenen Söhne Philipp Magnus und Karl Viktor sowie den tödlich verwundeten Friedrich von Lüneburg, einen Sohn Ernsts des Bekenners, handeln. Diese vier Herzöge werden auch in den Bildbeischriften zu einem Schlachtengemälde in der Martinskirche in Sievershausen genannt.6)

Textkritischer Apparat

  1. hartigen] möglicherweise verlesen aus hartogen.

Anmerkungen

  1. Ein zweiter Schriftbalken im Hause Pröle, in: Heimatblätter. Beilage zur Schaumburger Zeitung, Jg. 1933, Nr. 39 vom 14.10.1933, ohne Seitenzählung; Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32. – Dafür, dass der Balken ursprünglich nicht aus dem Haus Bäckerstraße 7 stammt, sprechen dem Beitrag von 1933 zufolge seine Abmessungen und die „Verteilung der Ständerzapflöcher“. Es wird die Vermutung geäußert, dass der Balken möglicherweise in einem anderen Haus des Albert Proele in der Brennerstraße eingebaut war, das, wie ein Ratsprotokoll vom 15. Januar 1647 berichte, in einem baulich so schlechten Zustand gewesen sei, dass die Balken abtransportiert und sichergestellt wurden (Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32; vgl. Ein zweiter Schriftbalken im Hause Pröle (s. oben)).
  2. Ein zweiter Schriftbalken im Hause Pröle (wie Anm. 1), ohne Seitenzählung; vgl. Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32.
  3. Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1, S. 92 (Manfred von Boetticher); Brüdermann, Zeitalter der Glaubensspaltung, S. 450.
  4. Auch in der Kirche von Sievershausen weisen ein Stein und ein Gemälde auf die Schlacht hin (Kdm. Kreise Burgdorf u. Fallingbostel, S. 93).
  5. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 182, S. 89f. u. Nr. 184, S. 90f.
  6. Giesela Schulz, Das Schlachtengemälde in der Sievershäuser Kirche, in: Gerd Biegel/Hans-Jürgen Derda (Hg.), Blutige Weichenstellung. Massenschlacht und Machtkalkül bei Sievershausen 1553 (Veröffentlichung des Braunschweigischen Landesmuseums 107), Braunschweig 2003, S. 63–68. Vgl. auch Britta Edelmann, Die Schlacht bei Sievershausen am 9. Juli 1553, in: ebd., S. 57–62, dort S. 60f.

Nachweise

  1. Ein zweiter Schriftbalken im Hause Pröle, in: Heimatblätter, Beilage zur Schaumburger Zeitung, Jg. 1933, Nr. 39 vom 14.10.1933, ohne Seitenzählung.
  2. Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32f.
  3. Erdniß, Gang durch Rinteln, S. 14.
  4. Maack, Hausinschriften der Stadt Rinteln, S. 125.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 171† (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0017103.