Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 155 Stadthagen, St. Martini 1539

Beschreibung

Grabplatte für Ludolph Bulle. Stein. Die hochrechteckige Platte ist an der Südwand der Turmhalle aufgestellt. Im Innenfeld eine Reliefdarstellung des Verstorbenen mit Tonsur im Priestergewand kniend unter einem Kruzifix. Am Kreuz ein Schriftband mit dem Titulus A. Vom Mund des Betenden geht ein zweites Schriftband mit der Inschrift B aus. Am Kreuzfuß in einem sich nach oben geschweift verjüngenden Inschriftenfeld die Inschrift C, die in der ersten Zeile von einem Wappenschild unterbrochen wird. Inschrift D läuft um die Platte um. In den Ecken der Platte vier Medaillons mit Reliefs der Evangelistensymbole, die Schriftbänder mit den Beischriften E halten. Die Inschriften A, B und E sind eingehauen, C und D erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt.

Maße: H.: 278 cm; B.: 139 cm; Bu.: 6 cm (A), 5 cm (B), 11,5 cm (C), 13 cm (D), 2,5 cm (E).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A, B, E), gotische Minuskel mit Versalien (C, D).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    · I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDAEORVM)1)

  2. B

    MISERERE MEI FILI DAVID2)

  3. C

    Me//dia / vita · in · morte · sum(vs) / qvem · qverim(us) · adivtore(m) · nisi / te · d(omi)nea) · q(v)ib) · pro · peccatis · n(ost)ris · ivst(e) / iracserisc)3) · s(anctvs) · devs · s(anctvs)d) · fort(is) · s(anctvs) · et(c)e)4)

  4. D

    Anno · d(omi)ni · 1539 / Ip(s)o die Inue(n)tionis · S(ancti) · Stephani5) debitv(m) · carn(i)s / p(er)solvit · Hono(ra)(bilis)f) · D(ominu)sg) / Lvdolphus · bvlle · cvivs a(n)i(m)a i(n) · electoru(m)h) · albo · req(ui)esc(at)i)

  5. E

    S(ANCTVS) MATEVS // S(ANCTVS) IOHANNS // [ . ] LVCAS // S(ANCTVS) MARCVS

Übersetzung:

Erbarme dich meiner, Sohn Davids (B).

Mitten im Leben sind wir im Tod. Wen rufen wir zum Helfer wenn nicht dich, Herr, der du aufgrund unserer Sünden zu Recht zürnst. Heiliger Gott, heiliger starker [Gott], heiliger etc. (C).

Im Jahr des Herrn 1539 am Tag der Erhebung der Gebeine des heiligen Stephanus bezahlte der ehrbare Herr Ludolph Bulle die Schuld des Fleisches. Seine Seele möge – aufgenommen ins Buch der Auserwählten – ruhen (D).

Wappen:
Bulle6)

Kommentar

Die frühhumanistische Kapitalis ist gekennzeichnet durch konisches M mit sehr hohem Mittelteil, epsilonförmiges E im Wechsel mit kapitalem E, Ausbuchtung am I und offenes D.

Die gotische Minuskel ist in idealtypischer Form mit gitterartigem Charakter ausgeführt. Die vokalische Verwendung von u ist durch u-Bögen über u und v im Rahmen bzw. auf den Stegen zwischen den Zeilen angezeigt; i-Punkte in Kontur. Der Buchstabe s weist keine Brechungen auf und ist mit auffallend großen Sporen versehen. In Media ein kastenförmiges a. Die Ziffer 3 läuft unten in einer Schlinge aus.

Die Familie Ludolf Bulles war in Stadthagen ansässig. Er ging wahrscheinlich zum Studium nach Rostock, wo sich 1517 ein Ludolf Bulle de Schouwenborgh an der Universität einschrieb.7) Später war er möglicherweise als Priester an der St. Martini-Kirche tätig.8)

Textkritischer Apparat

  1. d(omi)ne] domini Kdm.
  2. q(v)i] i über q.
  3. iracseris] statt irasceris (so Tebbe).
  4. s(anctvs)] Sante Kdm.
  5. s(anctvs) · et(c)] et(c) kleiner und hochgestellt; s(anctvs) et(c) fehlt Kdm., Tebbe; fortzusetzen wäre der Text nach dem dritten s(anctvs) mit immortalis, miserere nobis (vgl. Anm. 4).
  6. Hono(ra)(bilis)] über n ein cc-a; h min Kdm.
  7. D(ominu)s] Befund: Ds, anschließend ein redundantes us-Kürzel.
  8. electoru(m)] electru(m) Kdm.
  9. c hochgestellt. requet Kdm.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Antiphon nach Lc 18,38 (CAO 3, Nr. 3776).
  3. Media vita … irasceris: Anfang einer seit dem 11. Jahrhundert überlieferten, vom 13.–16. Jahrhundert sehr verbreiteten Antiphon; vgl. Analecta hymnica 49, Nr. 784, S. 386–388.
  4. Vgl. das Trishagion: Sanctus Deus, sanctus fortis, sanctus immortalis, miserere nobis.
  5. 3. August.
  6. Wappen Bulle (Hausmarke H8).
  7. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 68, Nr. 24.
  8. Vgl. Tebbe, Epitaphien, S. 244f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 64 (B–D).
  2. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 34, Anm. 1 (B).
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 140, S. 244f. u. Abb. 116 (B–D).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 155 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0015509.