Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 151 Rinteln, Bäckerstraße 7 1537

Beschreibung

Haus.1) Fachwerk, giebelständig, zweigeschossig mit Zwischengeschoss, fünf Gefache breit. Schnitzereien an den Knaggen. Die Inschrift befindet sich auf dem Schwellbalken des vorkragenden Obergeschosses. Sie ist erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt und in Gold auf blauem Grund gefasst. Zwischen dem ersten und zweiten Wort der Inschrift eine rot gefasste Marke bestehend aus einem C und zwei ins Kreuz gestellten Buchstaben Tau; der senkrechte Schaft des stehenden Tau ist unten zu einem o eingerollt (S1).

Maße: Bu.: ca. 20 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/3]

  1. Thau · signatum super hos postes terreat hostes Anno 1537 Hans proelea) hec fieri fecit

Übersetzung:

Das Tau als Zeichen über dieser Tür soll die Feinde verschrecken. Im Jahr 1537 hat Hans Proele dieses (Haus) erbauen lassen.

Kommentar

Oberes Schaftende des h gegabelt, Bogenende des h in Thau und hos gegabelt; oberes Schaftende des g gegabelt; unteres Schaftende des p gegabelt.

Der erste Teil der Inschrift ist in Form eines leoninischen Hexameters (Tau super hos postes signatum terreat hostes2)) auch anderweitig nachgewiesen, beispielsweise über der Tür einer Mönchszelle in der Abtei Bebenhausen (bei Tübingen)3) oder auf einem Amulett aus dem 16. oder 17. Jahrhundert aus der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg.4) Als apotropäisches Zeichen geht das Tau/Thau, das ursprünglich nur so viel wie „Zeichen“ bedeutete und erst nachträglich mit dem griechischen Buchstaben τ gleichgesetzt wurde, auf Ez 9,4–6 zurück. Es galt seit dem Mittelalter als Zeichen in erster Linie gegen die Pest, aber auch gegen Dämonen.5) Am Haus Bäckerstraße 7 sind zwei T mit einem C so kombiniert, dass sich zusammen mit dem unten zu einem o eingerollten Schaft des einen T das Wort „GOTT“ ergibt;6) dies sollte sicherlich die Wunderkraft des Zeichens noch erhöhen.7)

Heutger und Maack referieren verschiedene Mutmaßungen, dass das Tau vom katholischen Erbauer des Hauses zur Abwehr der reformatorischen Bewegungen angebracht worden sei. Heutger selbst hingegen schlägt die Deutung des Zeichens als Ordenszeichen der Antoniter vor, die sich besonders bei der Bekämpfung der Pest hervorgetan hätten; im übertragenen Sinne könne man in dem Tau auch ein Zeichen „zur Abwehr der ‚Lutherischen Pest‘“ sehen.8)

Der Erbauer, Hans Proele, war von 1537 bis 1539 Vorsitzender des Rintelner Heiliggeiststiftes. Die Familie hatte seit dem 15. Jahrhundert Hausbesitz in der Bäckerstraße; im 17. und 18. Jahrhundert gehörten mehrfach Familienmitglieder dem Rat an.9)

Im selben Haus war zwischenzeitlich ein ursprünglich aus einem anderen Bauzusammenhang stammender Balken eingebaut (vgl. Nr. 171).

Textkritischer Apparat

  1. proele] procle Kdm.

Anmerkungen

  1. Früher Hausnr. 97, Assekuranz-No. 90 (Klosterstraßenviertel).
  2. Der Versschluss terreat hostes aus Ovid, Metamorphosen 4,802.
  3. Helmut Feld, Die Zeichenhandlungen des Franziskus von Assisi, in: Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, hg. von Gert Melville, Köln Weimar Wien 2001, S. 393–408, dort S. 398 mit Anm. 19.
  4. Heute im Landesmuseum Württemberg, Münzkabinett, Inv.-Nr. MK 19317.
  5. Dazu Jacoby, Art. Thau, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 8 (1937), Sp. 749–754; Feld, Die Zeichenhandlungen des Franziskus von Assisi (wie oben Anm. 3), S. 397f.
  6. Mentz, Zu einigen Rintelner Hausinschriften, S. 60 löst das Zeichen als „COT“ auf und erklärt es als die althochdeutsche Form des Wortes „Gott“. Diese Erklärung ist jedoch wenig überzeugend.
  7. Mentz, Zu einigen Rintelner Hausinschriften, S. 60.
  8. Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32.
  9. Sprenger, Bürgerhäuser und Adelshöfe, S. 99 u. 236f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 22 u. Tafel 24.
  2. Das Stammhaus der Rinteler Bürgerfamilie Pröle und seine Balkeninschrift, in: Heimatblätter. Beilage zur Schaumburger Zeitung, Jg. 1933, Nr. 38 vom 13.10.1933.
  3. Heutger/Maack, Rintelner Hausinschriften, S. 32.
  4. Erdniß, Gang durch Rinteln, S. 8f.
  5. Maack, Hausinschriften der Stadt Rinteln, S. 125.
  6. Janiesch, Selbst Dachbalken sind rauchgeschwärzt, S. 68.
  7. Sprenger, Bürgerhäuser und Adelshöfe, S. 99 u. 238.
  8. Künkel, Stadt Rinteln Lexikon, S. 414.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 151 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0015101.