Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 150† Stadthagen, St. Martini 1536 o. später

Beschreibung

Gedenktafel für den Magister Johannes Koller. Der Verbleib der in den 1930er-Jahren offenbar noch vorhandenen Tafel ist unklar.1)

Inschrift nach Dolle.

  1. Iohannes Koller artium Magister Hagensis civitatis Lyneburgensis protonotarius ac praepositus post multos Reipublicae labores domi peregriquea) fideliter gestos utramque fortunam expertus est et quum omnibus charus injurius nemini vixisset penso vitae fideliter absolutob) cum acerbo luctu piorum septuagenarius migravit ad Dominum Obiit anno D(omi)ni 1536 feria sexta post Laetare2) sepultus Lyneb(urgae) ad S(anctum) Iohannem

Übersetzung:

Johannes Koller, Magister artium aus Stadthagen, Protonotar der Stadt Lüneburg und Propst, hat für das Gemeinwesen viele Tätigkeiten in der Heimat und in der Fremde pflichtbewusst ausgeübt und sowohl Glück als auch Unglück erfahren. Und weil er in seinem Leben von allen geliebt wurde und niemandem ein Unrecht antat, ging er, nachdem er das Pensum seines Lebens treu erfüllt hatte, unter bitterer Trauer der Frommen siebzigjährig zum Herrn. Er starb im Jahr des Herrn 1536 am Freitag nach Laetare und wurde in Lüneburg in der St. Johanniskirche begraben.

Kommentar

Johannes Koller wurde um 1460 als Sohn des Stadthäger Bürgermeisters Hans Koller und der Gesche Polemann geboren.3) Er studierte an der Universität Rostock, wo er 1492 den Grad eines Baccalaureus und 1494 den Magistertitel erwarb.4) Seit 1503 ist er in Lüneburg als Ratssekretär bezeugt, seit 1512 als Protonotar. Am 14. Februar 1519 wurde er zum Propst von St. Johannis in Lüneburg gewählt; er war der letzte katholische Amtsinhaber. Das Amt des Protonotars behielt er noch bis 1520 bei.5) Daneben hatte er eine Pfründe an St. Martini in Minden inne.6)

Sein Bruder Hinrich, der mehrfach zusammen mit ihm in den Akten des Stadtarchivs Stadthagen verzeichnet ist, übte in Lübeck das Amt eines Senators aus.7) Johannes Koller wird 1524 zweimal als Zeuge für Testamente von in Stadthagen geborenen, aber in Lübeck lebenden bzw. in Lüneburg verstorbenen Personen genannt.8) 1527 treten beide Brüder als Zeugen für das Testament ihres am 4. April verstorbenen Vaters auf.9)

1530 stiftete Johannes Koller aus hertliker toneginge to mynem vaderlande10) der Schule in Stadthagen ein Kapital von 60 Rheinischen Gulden, ferner die jährliche Lieferung eines Fuders Korn.11) Er wollte damit, so die Begründung in der Urkunde, die Qualität der Schulbildung in seiner Heimatstadt sicherstellen.

Johannes Koller starb am 31. März 1536 und wurde in der Lüneburger Kirche St. Marien bestattet. Die Angabe des vorliegenden Epitaphs, Koller sei in St. Johannis bestattet, dürfte auf einem Irrtum beruhen, der vermutlich darauf zurückgeht, dass man annahm, der Propst von St. Johannis sei dort auch begraben. Aus Kollers Nachlass entstand eine Stiftung zugunsten von Armen und Witwen sowie bedürftigen Begabten für deren Ausbildung.12) Die genannten Stiftungen dürften den Anstoß dazu gegeben haben, Johannes Koller auch in der Stadthäger St. Martini-Kirche durch ein Epitaph zu ehren. Der Text des Stadthäger Epitaphs wurde – abgesehen vom Sterbevermerk am Ende – fast wörtlich von seiner Lüneburger Grabplatte übernommen.13)

Textkritischer Apparat

  1. peregrique] peregreq(ue) StA Stadthagen, C VII 4 V d Nr. 17.
  2. omnibus charus injurius nemini vixisset penso vitae fideliter absoluto] vita fideliter absoluta Prinz.

Anmerkungen

  1. Bentrup (Kirchen in Schaumburg, S. 182) vermutete, das Objekt sei beim Kirchenbrand von 1908 zerstört worden. Dagegen spricht aber die Angabe in dem 1939 erstmals erschienenen und 1958 nachgedruckten Beitrag von Prinz (Stadthagener Lateinschule, S. 71): „Das Andenken dieses […] Mannes kündet noch heute eine in der St. Martinkirche zu Stadthagen vorhandene Inschrifttafel mit den Worten: […]“. Heidkämper zufolge hing die Tafel in der Nähe des Haupteingangs an der Westseite, also vermutlich in der Turmhalle (Heidkämper, Die St. Martinikirche und das kirchliche Leben zu Stadthagen, in: Das Nesselblatt 1934, H. 12, ohne Seitenzählung).
  2. 31. März.
  3. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 143,35 sowie Tafel 40; DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 316.
  4. Matrikel Rostock, Bd. 1, S. 255, 260 u. 271; die Behauptung von Prinz (Stadthagener Lateinschule, S. 71), er habe sich 1495 an der Universität Köln immatrikuliert, ließ sich anhand der Matrikel nicht verifizieren.
  5. DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 316.
  6. Nordsiek, Studien zur Geschichte des Kollegiatstifts St. Martini Minden, S. 82. Koller ist für 1516 als Kanoniker nachgewiesen.
  7. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, Tafel 40. Vgl. zu ihm auch unten Anm. 13.
  8. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 143,33ff. und 144,10ff.
  9. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 144,44ff.
  10. „herzlicher Zuneigung zu meinem Vaterland“; Urkunde vom 20. September 1530 im Stadtarchiv Stadthagen, zit. n. Prinz, Stadthagener Lateinschule, S. 74; die Urkunde fehlt bei Doebners Urkunden-Regesten von Stadthagen. Ein weiteres Exemplar der Urkunde befindet sich im Stadtarchiv Lüneburg, vgl. DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 316 mit Anm. 5.
  11. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 145,21; sollte das Korn nicht zugestellt werden können, sollte es den Nachkommen seines Onkels Hinrik zufallen.
  12. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 346–357 (mit einer Liste der Begünstigten) und 379,37; DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 316.
  13. Vgl. DI 100 (Stadt Lüneburg), Nr. 316. Die nicht mehr vorhandene Grabplatte befand sich in der Kirche St. Marien. Ihre Inschrift weist mehrere Übereinstimmungen mit einem von Lucas Lossius verfassten Epigramm auf Koller auf (DI 100, Nr. 318): fortunam expertus vtramque (V. 23), cunctis charus (V. 24), Cunctorum luctu rapitur vir tantus acerbo (V. 25). Vgl. auch consiliisque fides (V. 8) im Vergleich mit Reipublicae labores […] fideliter gestos. Es ist also denkbar, dass Lossius auch der Autor der Inschrift auf der Lüneburger Grabplatte war. – In einem 1595 angelegten Verwaltungsbuch für die Kollersche Stiftung („Verwalltung der Fundationen, vnd vermachungenn, Damit die Hern Kollere Jhr vatterlandt vnnd Heimet […] bedacht […]“, StA Stadthagen, C VII 4 V d Nr. 17) ist auf dem zweiten Blatt zusätzlich zur hier edierten Inschrift der Text eines Epitaphs für Heinrich Koller wiedergegeben: EPITAPHIVM. D(OMINI) HINRICI KOLLERI SENATORIS LVBECENS(IS) Dominus Hinricus Kollerus Schomburgensis Senatorij Ordinis Lubecensis, Senior, Nonagenarius requieuit Anno Christi. 1563: 24 Mensis Maij, Sepultus Lubecae circa Babtisma ad Latus Meridionale, Cui Deus sit propitius, in Te(m)plo Beatae Virg(ini)s Mariae. (Die letzten beiden Satzteile sind womöglich bei der Abschrift vertauscht worden). („Epitaph des Herrn Heinrich Koller, Lübecker Senator. Herr Heinrich Koller aus Schaumburg, Angehöriger des Lübecker Senatorenstandes, Ältester, starb neunzigjährig im Jahr Christi 1563 am 24. Mai. Er wurde in Lübeck in der Nähe des Taufbeckens an der Südseite begraben. Gott sei ihm gnädig. In der Kirche der seligen Jungfrau Maria.“). Ob dieser Text in Stadthagen als Inschrift ausgeführt war, ist nicht zu klären.

Nachweise

  1. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 391.
  2. StA Stadthagen, C VII 4 V d Nr. 17.
  3. Prinz, Stadthagener Lateinschule, S. 71.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 150† (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0015004.