Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 122 Rinteln, Museum Eulenburg 1. V. 16. Jh.

Beschreibung

Glasmalereien. Möglicherweise aus dem Stift Obernkirchen.1) Die bleigefassten Glasmalereien, die sich jetzt im Eigentum des Museums Rinteln befinden,2) waren davor in drei nebeneinander liegenden Fenstern in der Arensburg eingesetzt. Beim Einbau in die Arensburg, mutmaßlich im 19. Jahrhundert, wurden Teile anders zusammengesetzt und auch neu ergänzt; vermutlich wurden die Bilder unten beschnitten. Die ergänzten Buchstaben werden in spitzen Klammern wiedergegeben.

Eine Glasmalerei (ohne Inschrift) zeigt Maria mit dem Kind unter zwei spitzen Turmhauben. Links und rechts ist die Darstellung von Säulen und Blumen gerahmt.

Die zweite Glasmalerei zeigt unter einem mit Blumen verzierten Rundbogen die Figur eines Herrschers mit Krone, Szepter und hermelinbesetztem Gewandkragen. Mit seiner rechten Hand stützt er ein jetzt am unteren Bildrand befindliches Schild mit der in Schwarz auf hellbraunem Grund ausgeführten Inschrift A1. Das Glasstück mit dem linken Teil der Inschrift stellt eine Ergänzung dar.3) Oben rechts vor einem mit Blumen verzierten Hintergrund eine Kirche mit vier Zwerchgiebeln, einem Westwerk mit zwei Türmen und einem Dachreiter auf dem Langhaus. In den Bogenzwickeln jeweils ein am gemalten Rahmen aufgehängter Wappenschild; in dem Wappenschild auf der rechten Seite ist Inschrift A2 in Schwarz auf gelbem Grund gemalt.

Die dritte Glasmalerei zeigt unter einem mit Blumen verzierten Rundbogen die Figur einer Frau mit Schleier, in ihren Händen ein Kirchenmodell. Oberhalb der Frauengestalt Teile einer Kirchenarchitektur mit einer Rundbogennische und zwei Fenstern. Hier wurden jedoch auch Glasfragmente eingesetzt, die ursprünglich aus einem anderen Zusammenhang stammen, beispielsweise ein Stück, das Gewandfalten zeigt. In den Bogenzwickeln jeweils ein am gemalten Rahmen aufgehängter Wappenschild; in dem Wappenschild auf der linken Seite ist Inschrift B in Schwarz auf braunem, mit gelben Kreisen bestreutem Grund gemalt.

Maße: H.: 51 cm; B.: 46 cm; Bu.: 1,5 cm (A1), 1 cm (A2, B).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Die Eulenburg. Museum Rinteln (Wilfried Koch) [1/3]

  1. A1

    <HIR · GHIF> KEISER · FREDE[ - - -]

  2. A2

    MARIA

  3. B

    IHSa) ·

Übersetzung:

Hier gibt Kaiser Friedrich […] (A1)

Wappen:
?,4) ?5)

Kommentar

Als Merkmale der frühhumanistischen Kapitalis sind zu erwähnen: konisches M mit oberhalb der Mittellinie endendem Mittelteil, A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken, Nodus am Schaft des I, unziales D und E, am Kürzungsbalken über IHS (Inschrift B) eine Ausbuchtung.

Bei der dritten Glasmalerei handelt es sich um ein Stifterbild. Das Kirchenmodell, das die Stifterin in Händen hält, lässt an die Obernkirchener Stiftskirche denken; derselbe Kirchenbau ist im Hintergrund der zweiten Glasmalerei zu erkennen. Dazu passt die Inschrift MARIA im Wappen auf der zweiten Glasmalerei, die sich auf die Kirchenpatronin der Obernkirchener Stiftskirche beziehen könnte. Möglicherweise ist die Stifterin mit der legendarischen Gründergestalt Merwynda oder Merswidis zu identifizieren, die nach einem Ungarneinfall im 10. Jahrhundert die verwüsteten Gebäude wieder aufgebaut haben soll.6)

Geht man davon aus, dass sich die Glasmalereien auf Obernkirchen beziehen, muss es sich bei dem dargestellten Herrscher um Kaiser Friedrich I. Barbarossa handeln,7) der in einer Urkunde vom 30. November 1181 dem Stift seinen Besitz bestätigte und Obernkirchen die Marktgerechtigkeit zuerkannte.8) Diese Urkunde rückte 1520 wieder ins Bewusstsein und wurde in Obernkirchen öffentlich verlesen;9) 1521 bestätigte Kaiser Karl V. die Privilegien, die seine Vorgänger dem Stift gewährt hatten.10) Möglicherweise sind die Glasmalereien im Zusammenhang mit dieser Rückbesinnung auf die Anfänge des Stifts entstanden. Eine Datierung ins erste Viertel des 16. Jahrhunderts11) wird durch den epigraphischen Befund gestützt. Hinzu kommt, dass die Amtszeit der Priorin Helena von Bennigsen (1492–1526; zu ihr Nr. 115) eine Phase verstärkter Bautätigkeit im Stift war, so dass auch die Anfertigung von neuen Glasfenstern in dieser Phase plausibel erscheint.

Textkritischer Apparat

  1. Für IHESVS. Durch die Inschrift verlaufen Bleistege.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Kosina, Die mittelalterlichen Glasmalereien, S. 375.
  2. Inv.-Nr. 67/2014, 68/2014 u. 69/2014.
  3. Kosina, Die mittelalterlichen Glasmalereien, S. 376 u. Fig. 380.
  4. Wappen ? (geteilt: 1. drei Schrägbalken, 2. zwei Rosetten (?) nebeneinander).
  5. Wappen ? (geteilt: 1. drei Pfähle, 2. geschacht).
  6. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 2–4.
  7. Die Art der Darstellung (Krone, Frisur, Kleidung) ähnelt den Königsdarstellungen in der Cronecken der Sassen des Konrad oder Hermann Bote, Mainz 1492 (Universitätsbibliothek Jena, Sign. Ink. Sax. II,f,1, Digitalisat); Friedrich I. dort auf fol. r IIv.
  8. UB Obernkirchen, Nr. 16; vgl. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 28 u. 38f.
  9. UB Obernkirchen, Nr. 495 vom 11. Januar 1520.
  10. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 39.
  11. Kosina (Die mittelalterlichen Glasmalereien, S. 376) datiert auf „um 1500“.

Nachweise

  1. Kosina, Die mittelalterlichen Glasmalereien, S. 376 u. Abb. 267–269, S. 585f.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 122 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0012200.