Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 115 Obernkirchen, Stift 1516–1525

Beschreibung

Zwei Türstürze. Stein. Der Sturz I an der Nordseite des Gebäudes (nach Brosius handelt es sich um den ehemaligen Getreidespeicher1)) zeigt in der Mitte ein kreisförmiges Medaillon mit dem erhaben ausgehauenen Marienmonogramm IA, das von strahlenförmigem Ornament gerahmt ist. Zu beiden Seiten je ein Wappenschild, um den sich Schriftbänder mit den eingehauenen Beischriften IB (heraldisch rechts) und IC (heraldisch links) schlingen.

Auf dem Sturz II an der Hofseite (Ostseite) des Gebäudes ein kreisförmiges, in gleicher Weise wie auf dem anderen Sturz gestaltetes Medaillon mit dem erhaben ausgehauenen Christusmonogramm. Am s setzt eine Hand mit nach innen gekrümmten Fingern an. Unterhalb des Medaillons vier möglicherweise nachträglich angebrachte Einkerbungen, die in der bisherigen Forschungsliteratur als Jahreszahl gedeutet wurden, jedoch nicht eindeutig identifizierbar sind.2)

Maße: Bu.: 9 cm (IA), 7 cm (IB, IC), 10,5 cm (II).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (IA, IB), gotische Minuskel (IC, II).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. I A

    Ma(r)i(a)a)

  2. I B

    Jo(hanne)s busse al(ia)sb) page(n)d(arm)c) p(re)p(osi)t(us)

  3. I C

    helena de benexen p(ri)orentd)

  4. II

    ihse)

Übersetzung:

Propst Johann Busse genannt Pagendarm. (IB)

Priorin Helena von Bennigsen. (IC)

Wappen:
Busse,3) Bennigsen4)

Kommentar

Die erhaben ausgehauenen Buchstaben (Inschriften IA und II) sind als Bandminuskel aus umgeknickten und gefalteten Bändern gestaltet. Der linke Schaft des m ist unter die Grundlinie verlängert. An den Bogenenden des s und am unteren Bogenende des h umgebogene Zierhäkchen. Auch die eingehauenen Buchstaben der Inschriften IB und IC sind gleichmäßig und qualitätvoll gearbeitet. s mit Diagonalstrich. Beim g überkreuzen sich der obere Teil des gebrochenen oberen Bogens und der Schaft.

Die in der Inschrift IC verwendete Amtsbezeichnung priorent ist das niederdeutsche Äquivalent zu priorissa5) und kommt in dieser Form häufig in den Urkunden des Stifts vor.6) Helena von Bennigsen wurde am 10. Mai 1492 das Amt der Priorin übertragen, das sie bis 1526 ausgeübt haben soll.7) Johann Busse genannt Pagendarm folgte dem 1516 verstorbenen Propst Dethard Dorgeloh im Amt und lässt sich in den Urkunden bis zum 23. Dezember 1525 nachweisen.8) 1520 wird er auch als Archidiakon bezeichnet.9) Helena von Bennigsen unternahm als Priorin einige Um- und Neubauten,10) so an der Abtei, am Westflügel (Nr. 132) und im Kreuzgang, wo ihr Wappen zusammen mit dem des Propstes Dethard Dorgeloh, dem Vorgänger Busses, erscheint (Nr. 93). Auch die Predella des Hochaltars (Nr. 116) trägt das Wappen der Priorin. 1514 wurde dem Stift ein Ablass gewährt, durch den die Gläubigen zu Spenden für die Renovierung der Kirche (vt dicta ecclesia […] in structuris et edificiis […] reparetur), aber auch für den Erwerb von Büchern, Kelchen, Leuchtern und anderem liturgischem Gerät (libris calicibus luminibus et aliis ornamentis ac rebus ecclesiasticis divino cultui inibi necessariis) veranlasst werden sollten.11)

Textkritischer Apparat

  1. Als Kürzungszeichen ein zu zwei Quadrangeln reduziertes cc-a.
  2. Kürzungsstrich durch den Schaft des l.
  3. Das gebrochene obere Bogenende des d geht nach unten in einen geschwungenen Kürzungsstrich über, der den senkrechten Teil des gebrochenen rechten Bogenabschnitts durchschneidet.
  4. Befund: porent ohne Kürzungszeichen.
  5. Für ihesus; Kürzungsstrich durch den Schaft des h.

Anmerkungen

  1. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 93.
  2. In Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 90, bei Brosius (Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 24) und bei Suckale (Stift Obernkirchen, S. 45) als 1521 gedeutet. Zu sehen sind 1. ein Schaft in Form eines i der gotischen Minuskel, 2. ein abgeknicktes Zeichen, das als linksgewendete 5 gedeutet werden könnte, wobei allerdings der Deckbalken nicht waagrecht steht, 3. ein Schaft in Form eines i der gotischen Minuskel mit kleinem Querbalken, 4. ein Schaft in Form eines i der gotischen Minuskel. Bei allen vier Zeichen am unteren Schaftende eine ausgeprägte Brechung nach rechts, die leicht nach oben weist. Eine Lesung als 1511 ist aufgrund der Amtszeit des Propstes Johann Busse unwahrscheinlich, wenn man davon ausgeht, dass beide Türstürze in etwa gleichzeitig entstanden sind.
  3. Wappen Busse (drei Eichenblätter 2:1).
  4. Wappen Bennigsen (Armbrustschaft); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 10 u. Tafel 23.
  5. Schiller/Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 3, S. 376.
  6. UB Obernkirchen, Nr. 447, 475, 477, 496 u. ö.
  7. Daten nach Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 91f. u. 207. Das Ende ihrer Amtszeit gibt Mooyer, (Reihenfolge, S. 301) mit 1526 an. Die letzte im Obernkirchener Urkundenbuch edierte Urkunde, die ihren Namen nennt, datiert vom 23. April 1523 (UB Obernkirchen, Nr. 501).
  8. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 206f.
  9. UB Obernkirchen, Nr. 495 vom 11. Januar 1520.
  10. Dazu Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 23f.
  11. UB Obernkirchen, Nr. 487b, S. 323f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 90 u. Abb. 114b.
  2. Suckale, Stift Obernkirchen, Abb. 52 u. 53, S. 44.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 115 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0011505.