Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 107 Rinteln, St. Nikolai 1522

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Sechspassfuß mit breitem Standring und mit senkrechter Gravur verzierter Zarge. Auf einem der Pässe ein eingraviertes Kreuz ohne Korpus, jedoch mit dem eingeritzten Titulus A. Das Kreuz steht auf einem stilisierten Boden mit Gräserbewuchs. Die als Konturschrift eingravierte Inschrift B verläuft auf dem Fuß über die übrigen fünf Pässe auf einem an den Enden eingerollten Schriftband, welches oben und unten von jeweils zwei Linien begrenzt wird. Auf dem zweiten Pass ist der hintere Teil der Inschrift zerstört. Als Worttrenner Quadrangeln, teilweise mit nach oben und unten ausgezogenen Enden; zwischen den Ziffern der Jahreszahl nur Punkte. Unter dem Fuß auf einem der Pässe eingeritzt ein an einen Haken gehängter Wappenschild; vom Schildinhalt sind nur wenige Reste erkennbar. Sechsseitige Schaftstücke. Auf den sechs Rotuli die einzelnen Buchstaben der Inschrift C konturiert vor schraffiertem Hintergrund.

Maße: H.: 17,5 cm; Dm.: 14,5 cm (Fuß), 10,4 cm (Kuppa); Bu.: 0,1 cm (A), 0,6 cm (B), 0,8 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A), gotische Minuskel mit Versalien (B), Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/3]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)1)

  2. B

    Memo(r)[i]ea) · d(omi)ni · / Joh(ann)is · [ . . . . . ue]b) / · Canonicic) · Eccl(es)ie / Sancti · Martinj / · Minde(n)sis · 1·5·2·2·

  3. C

    I H E S V S

Übersetzung:

Zum Gedenken an Herrn Johannes Gogreve (?), Kanoniker der Kirche des heiligen Martin in Minden. 1522. (B)

Wappen:
Gogreve II?2)

Kommentar

Die gotische Minuskel in Inschrift B ist gleichmäßig gestaltet. Die Buchstaben stehen weitgehend im Zweilinienschema. Das Schluss-s in Joh(ann)is und in Minde(n)sis ohne Brechungen. In Martinj ein ungewöhnliches Bogen-r, dessen Bogen zu einem Quadrangel reduziert ist; darunter die Cauda in Form eines Schrägbalkens (vgl. ein ähnliches r auf dem Kelch Nr. 88). Linksgewendete 5; 2 in Form eines Z, schräggestellt.

In Inschrift C sind die Schrägschäfte des V keilförmig verbreitert, ebenso die sehr kurzen Balken des E.

Der Name des in der Inschrift genannten Kanonikers lautet vermutlich Johannes Gogreve. Für die Buchstaben des Wortes Gogreve reicht der Platz aus; Reste einer Unterlänge und Umrisse der letzten beiden Buchstaben sind noch erkennbar. Ferner spricht das Wappen für eine Identifikation mit Johannes Gogreve. Für die Jahre 1519 bis 1539 ist ein Johann Gogreve als Kanoniker des Kollegiatstiftes St. Martini in Minden nachgewiesen, in zwei Urkunden aus dem Stift Fischbeck wird Johann Gogreve daneben auch als Dekan des Bonifatiusstiftes Hameln bezeichnet.3) Es handelt sich bei ihm um den jüngeren der beiden gleichnamigen Inhaber dieses Amtes (Johann Gogreve d. Ä. 1516–1522, gest. 1528, Johann Gogreve d. J. 1525–1546).4) Letzterer, der Sohn des Johann Gogreve d. Ä.,5) hatte sich 1492 an der Universität Rostock immatrikuliert und dort 1494 den Grad des Baccalaureus erworben.6) Was der Grund für die Tilgung seines Namens auf dem Kelch war, ist vermutlich nicht mehr zu klären.

Der im Jahr 1573 verstorbene schaumburgische Kanzler Johann Gogreve (vgl. Nr. 241) war Burchard zufolge der Sohn des Johann Gogreve d. J.7) Sicherlich sind jedoch der auf dem vorliegenden Kelch genannte Johann Gogreve und der schaumburgische Kanzler nicht identisch.8)

Textkritischer Apparat

  1. [i]e kleiner und außerhalb des Schriftbands hochgestellt.
  2. Vermutlich Gogreue.
  3. ci kleiner und außerhalb des Schriftbands hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Vermutlich Wappen Gogreve II (Anker zwischen drei Rosen); vgl. DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 91 u. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 49; Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 382f., Anm. 3; Reste der Rosen sind erkennbar.
  3. UB Möllenbeck, Bd. 2, Nr. 459 (1519); UB Fischbeck, Teil 2, Nr. 333 (1537) u. 338 (1539). Vgl. Nordsiek, Studien zur Geschichte des Kollegiatstifts St. Martini Minden, S. 82.
  4. Vgl. Daniel Berger/Waldemar Könighaus, Hameln, Benediktiner, später Kollegiatstift St. Bonifatius, in: Dolle (Hg.), Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 2, S. 550–562, dort S. 562.
  5. UB Hameln, Teil 2, Nr. 711 (Testament des Johann Gogreve d. Ä. aus dem Jahr 1528, in dem er unter anderem seine Söhne Johann und Severin bedenkt); vgl. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 383 Anm.
  6. Matrikel Rostock, Bd. 1, S. 264, Z. 15f. u. S. 274, Z. 9. – Wertvolle Angaben zu Johann Gogreve d. Ä. und seinem Sohn verdanke ich dem unpublizierten Anhang der Dissertation von Klaus Naß, Das Bonifatiusstift in Hameln. Anfänge, Besitz und Personal, Diss. phil. Göttingen 1984 (maschinenschriftliche Fassung), S. 311f.
  7. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 383 Anm. Das dort erwähnte, im Stadtarchiv Stadthagen aufbewahrte Notizbuch des Klerikers Johann Gogreve aus den Jahren 1500–1518 dürfte Johann Gogreve d. Ä. zum Verfasser haben.
  8. So Nordsiek, Studien zur Geschichte des Kollegiatstifts St. Martini Minden, S. 82.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 13 (B, C).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 107 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0010703.