Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 93 Obernkirchen, Stift 1511
Beschreibung
Türgewände. Stein. Am Eingang zum Kaminzimmer vom Kreuzgang aus. Die Inschrift wurde 1989 bei Renovierungsarbeiten freigelegt. Sie verläuft dreizeilig auf dem Sturz, das Datum zweizeilig in der Mitte, die dritte Zeile über nahezu die gesamte Breite. Die Buchstaben sind erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt, die Konturen der in den Rahmen hineinreichenden Oberlängen sind eingehauen. Rechts und links des Datums befinden sich leere schraffierte Felder, auf denen der weitere Verlauf der Zeilen angedeutet ist.
Das Profil der Türeinfassung endet links über einem rechteckigen vertieften Feld mit einem Relief der Dornenkrone, darunter in einem runden vertieften Feld ein Wappenschild im Relief; rechts an symmetrischer Stelle ein Feld mit einer Reliefdarstellung der Fünf Wunden Christi, darunter ebenfalls in einem runden vertieften Feld ein Wappenschild im Relief. Auf dem Türgewände befinden sich die Steinmetzzeichen M11 und M12. Auf dem Sturz der untere Rest eines Steinmetzzeichens, dessen oberer Teil durch die später eingehauene Inschriftenzeile beseitigt wurde.
Maße: H.: 39 cm (Sturz); B.: 167 cm; Bu.: 9,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
Anno d(omi)ni / M ccccc xi / S(an)c(t)a dei ge(n)it(ri)x esto hui(us) loci defensatrix
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1511. Heilige Gottesgebärerin, sei du die Beschützerin dieses Ortes.
Versmaß: Rhythmischer, einsilbig leoninisch gereimter Hexameter.
Dorgeloh (mit Schrägfaden),1) Bennigsen2) |
Anmerkungen
- Wappen Dorgeloh (zwei ausgerissene, gestümmelte Baumstümpfe nebeneinander); vgl. Spießen, Wappenbuch, S. 41f. u. Tafel 100; der Schrägfaden (vermutlich Bastardfaden) nur schwach im Hintergrund erkennbar. Zur unehelichen Geburt Dethards von Dorgeloh vgl. Nr. 102.
- Wappen Bennigsen (Armbrustschaft); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 10 u. Tafel 23.
- Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 108–110. Bei der Einführung der Reformation im Jahr 1565 ließ Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg das Gnadenbild entfernen.
- Z. B. Analecta hymnica 11, Nr. 95, S. 62; 23, Nr. 27, S. 24 oder 24, Nr. 46, S. 147.
Nachweise
- Suckale, Stift Obernkirchen, Abb. 42, S. 37.
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 93 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0009300.
Kommentar
Gleichmäßig ausgeführte gotische Minuskel. Flachgedecktes g. Der zu einer Zierlinie reduzierte Balken des e und die Zierlinie, die an der zum Quadrangel reduzierten Fahne des r ansetzt, sind in manchen Fällen auffällig gewellt. Der ungewöhnliche Versal S gleicht dem auf einem im selben Jahr entstandenen Steinquader in der Kirche von Deckbergen (Nr. 92): Die Bogenenden des S sind so verlängert, dass sich ein Kreis bildet; an diesem setzen zwei Zierstriche an, die in den Ober- und Unterlängenbereich ragen.
Zur Bautätigkeit der Priorin Helena von Bennigsen und des Propstes Dethard von Dorgeloh vgl. Nr. 102 u. 115.
Das Stift Obernkirchen stand unter dem Patrozinium Mariens. Die Marienverehrung im Stift erhielt einen besonderen Aufschwung durch ein Gnadenbild, das seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts Wallfahrer anzog.3)
Der Vers weist einige Abweichungen von der klassischen Metrik auf, doch dass ein binnengereimter Hexameter intendiert ist, scheint unzweifelhaft. Die erste Vershälfte Sancta dei genitrix ist in mittelalterlicher Hymnendichtung verbreitet.4)