Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 53 Möllenbeck, Kloster 1493

Beschreibung

Schlusssteine. In den Gewölben des Kreuzgangs sind in den zwei nördlichsten Jochen des Ostflügels sowie im Nord- und im Westflügel reliefierte runde Schlusssteine eingefügt, die zum Teil Wappenschilde, zum Teil Inschriften sowie in einem Einzelfall eine Rosette zeigen. Sie werden hier gegen den Uhrzeigersinn von Osten bis zur Südwestecke des Kreuzgangs beschrieben.

Im Ostflügel zeigt der zweite Stein von Norden (in dem an das Eckjoch angrenzenden Joch) einen Wappenschild (Sternberg), links davon das Steinmetzzeichen M4; der Stein in der Nordostecke zeigt einen Wappenschild (Lippe).

Im Nordflügel zeigt der zweite Stein von Osten (in dem an das Eckjoch angrenzenden Joch) einen Wappenschild (Holstein-Schaumburg), links davon das Steinmetzzeichen M4; auf dem dritten Stein Inschrift A, auf dem vierten Inschrift B, auf dem fünften Inschrift C, auf dem sechsten eine Rosette, auf dem siebten Inschrift D, auf dem achten Inschrift E, auf dem neunten Inschrift F, auf dem zehnten die Jahreszahl G, auf dem elften ein Wappenschild mit Arma Christi (eine Dornenkrone und drei Kreuznägel, die so angeordnet sind wie im holstein-schaumburgischen Wappen), der Schild links, rechts und oben begleitet von je einem sechszackigen Stern, auf dem Stein im nordwestlichen Eckjoch ein Wappenschild mit einem von einer Lanze durchbohrten Herzen (Wundmal Christi oder Attribut des Augustinus).

Im Westflügel zeigt der zweite Stein von Norden (in dem an das Eckjoch angrenzenden Joch) einen Wappenschild mit unkenntlichem Inhalt, der dritte einen Wappenschild mit weiteren Arma Christi (Hahn, Geißelsäule, 30 Silberlinge, Würfel), der vierte die Inschrift H, an deren Ende ein Stern als Worttrenner dient; auf dem fünften Stein ein Wappenschild (Holstein-Schaumburg), auf dem sechsten Inschrift I, auf dem siebten Inschrift J, auf dem achten Inschrift K, auf dem neunten ein Wappenschild (Möllenbeck), um den die eingehauene Inschrift L umläuft, beginnend an der linken oberen Ecke. Auf dem zehnten Stein Inschrift M, auf dem elften, letzten Stein Inschrift N.

Alle Inschriften mit Ausnahme von L sind erhaben in vertieftem Feld ausgeführt, Inschrift L ist eingehauen. Die Steine waren zum Zeitpunkt der Aufnahme im Frühjahr 2009 nicht farbig gefasst.

Maße: Dm.: ca. 30 cm; Bu.: ca. 10 cm (A–F, I–K), ca. 15 cm (G), ca. 8 cm (H), ca. 2,5 cm (L), ca. 5 cm (M, N).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A–F, H–N).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/8]

Nordflügel

  1. A

    A(n)na

  2. B

    M(ari)aa)

  3. C

    ihsb)

  4. D

    ihsc)

  5. E

    ma(ria)

  6. F

    ioh(anne)sd)

  7. G

    1·4·93e)

Westflügel

  1. H

    Deum · / time ·1)

  2. I

    ihsf)

  3. J

    m(ari)ag)

  4. K

    ioh(anne)s

  5. L

    i(o)ha(n) va(n) / molen/beke / droste

  6. M

    s(anctvs) dyo/nisivs

  7. N

    s(anctvs) avg/vstin(vs)h)

Übersetzung:

Fürchte Gott! (H)

     
Wappen
Ostflügel: Sternberg,2) Lippe3)
Nordflügel: Holstein-Schaumburg4)
Westflügel: ?,5) Holstein-Schaumburg,4) Möllenbeck6)

Kommentar

Die erhaben gearbeiteten Inschriften auf den Schlusssteinen sind mit hoher handwerklicher Präzision in einer Bandminuskel (in Form von umgeschlagenen, geknickten und gefalteten Bändern) angefertigt. Dies verleiht den Buchstaben eine starke Plastizität, die noch dadurch erhöht wird, dass das Band an einzelnen Stellen durch andere Buchstabenteile hindurchgesteckt erscheint: Bei der (oben spitzen) schlingenförmigen 4 ist der rechte Bogenabschnitt durch den linken durchgesteckt. Beim runden s, das in den Inschriften C, D, F, I und K einen Diagonalstrich in Form eines Dolchs hat, durchbohrt dieser den Mittelteil des s; die Bogenenden schlingen sich bandartig um den Dolch. In den Inschriften A–K fällt das Band besonders weich und fließend; etwas schematischer sind die umgefalteten Brechungen in den Inschriften M und N ausgeführt. Eine Besonderheit in Inschrift D und E liegt darin, dass die Schäfte eine diagonale Längsfalte aufweisen (beim t verläuft sie senkrecht), die möglicherweise einen schrägen Schattenwurf imitieren soll.

Folgende weitere Zierformen finden Verwendung: Einige der Buchstabenenden sind zu geschwungenen Zierstrichen ausgezogen, die zum Teil verschlungen sind (Versal A in Inschrift A, Bogen des h in Inschrift C), zum Teil als Blattranken gestaltet sind (z. B. Bogen des h in Inschrift C). Besonders exquisite Varianten finden sich beim Schluss-a in A(n)na (Inschrift A) und M(ari)a (Inschrift B). Der Balken des kastenförmigen a in A(n)na steht beidseitig über; auf der rechten Seite gabelt er sich in zwei Blattranken. Beim doppelstöckigen a in M(ari)a (Inschrift B) wachsen aus den umgefalteten Enden des Bandes rankenartige Zierstriche hervor, die sich überkreuzen und rechts des Buchstabens auslaufen. Ferner finden sich einzelne Zacken an den Schäften in Inschrift C sowie an der 1 in der Jahreszahl G. Beim h teilweise gegabelte Buchstabenenden.

Kennzeichen der sorgfältigen Ausführung der Inschrift sind auch die abgeschrägten oberen Schaftenden des u, bei denen zur Unterscheidung vom n die Brechung fehlt. g in avg/vstin(vs) als flachgedecktes g; der Schaft ist über den Deckbalken gelegt und steht oben über; der untere Bogen als waagrechter Balken ohne Verbindung zum Rest des Buchstabens. In der eingehauenen Inschrift L kastenförmiges a. In Inschrift M i mit i-Punkten.

Die Gestaltung der Schlusssteine hat eine Parallele in den Schlusssteinen der Kirche in Wittenburg (Lkr. Hildesheim), das so wie das Augustinerchorherrenstift Möllenbeck von Böddeken aus reformiert wurde; der Wittenburger Prior kam aus Möllenbeck.7) Teilweise tragen auch die Schlusssteine im Kreuzgang des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts Dalheim (Kreis Paderborn, Nordrhein-Westfalen) Inschriften in gotischer Minuskel. Dies lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass neben bestimmten architektonischen Charakteristika, die für Bauten der Augustinerchorherren typisch sind, auch Elemente der Bauzier bestimmten Mustern folgen.8)

Die meisten der Namen auf den Schlusssteinen des Möllenbecker Kreuzgangs finden sich auf den Schlusssteinen des Kirchenraums wieder (Nr. 79), entweder in inschriftlicher Form oder in bildlicher Darstellung, so etwa der heilige Dionysius, der seit dem 13. Jahrhundert der Patron des Kanonissenstifts war.9) Augustinus wird aufgrund seiner Funktion als Patron der Augustinerchorherren genannt.

Der in Inschrift L genannte Knappe Johann von Möllenbeck (Molenbeke) lässt sich auch urkundlich nachweisen; 1480 verkaufte er vier Höfe in Silixen (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen) an das Stift Möllenbeck.10) Vermutlich ist er identisch mit dem in einer Urkunde des Jahres 1473 genannten Johan van Molenbeke, Cordes Sohne selygher Dechtnisse. Beziehungen der Angehörigen der Familie von Möllenbeck zum Stift lassen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen.11)

Die Grafen von Sternberg, die durch ihr Wappenbild im Kreuzgang präsent sind, waren seit dem 13. Jahrhundert bis 1377 Vögte in Möllenbeck; anschließend übernahmen die Grafen von Holstein-Schaumburg die Vogteirechte.12)

Textkritischer Apparat

  1. Erstes a als cc-a, reduziert zu zwei Quadrangeln.
  2. Für ihesvs.
  3. Für ihesvs.
  4. Oberlänge des h mit einem Kürzungsstrich durchstrichen.
  5. Schlingenförmige 4.
  6. Für ihesvs.
  7. Erstes a als cc-a, reduziert zu zwei Quadrangeln.
  8. us-Haken.

Anmerkungen

  1. Ecl 12,13. Die Angabe Heutgers, auf einem der Schlusssteine sei die Inschrift Carpe diem angebracht, scheint auf einem Irrtum zu beruhen (Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 77); Heutger nennt aber auf S. 113 auch die Inschrift Deum time.
  2. Wappen Sternberg (Stern); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Band 1, Abt. 1, Teil 2, S. 35 u. Tafel 39.
  3. Wappen Grafen zur Lippe (fünfblättrige Rose); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 2, Anhang, S. 31 u. Tafel 34.
  4. Wappen Holstein-Schaumburg (Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 32 u. Tafel 38.
  5. Wappenbild unkenntlich.
  6. Wappen Möllenbeck (aufgezäumter Pferdekopf); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 90 u. Bd. 2, Tafel 219.
  7. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 59.
  8. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 59. Allerdings ist die Möllenbecker Kirche nicht wie die beiden Vergleichsbeispiele als Wandpfeilerkirche errichtet (vgl. dazu Pötter, Möllenbeck, S. 240).
  9. Brosius, Möllenbeck, S. 1060.
  10. UB Möllenbeck, Nr. 366 vom 12. November 1480.
  11. UB Möllenbeck, Nr. 86 vom 13. Mai 1295; Nr. 256 vom 8. August 1284; Nr. 174 vom 13. April 1298; Nr. 151 vom 25. April 1395 u. ö. Vgl. Kölling, Geschichte des Klosterdorfes Möllenbeck-Hessendorf, S. 11f.
  12. Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 19; Brosius, Möllenbeck, S. 1062.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 75 (G, H, M, N).
  2. Kleßmann, Baugeschichte der Stiftskirche zu Möllenbeck, S. 18 (G).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 53 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0005300.