Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 52 Lauenhagen, Maria-Magdalenen-Kirche 1493

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die erhaben gegossene Inschrift verläuft unterhalb der Schulter zwischen zwei Stegen; darüber ein Perlstab- und Kreuzblumenfries. Die Inschrift setzt sich eingefasst von zweimal drei Brakteatenabdrücken in einer zweiten Zeile fort. Am Schlag fünf, an der Schärfe nochmals drei Stege.

Maße: H.: 78 cm; Dm.: 96 cm; Bu.: 3,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. + mar(ia) maddalena is ghena(n)ta) mi(n) ghelvtb) is gade beq(ua)mec) de(n) leve(n)dige(n) rop ic de(n) dode(n) bescrid) ic hagel bixinee) donder brec ic m cccc xc iiif) / · · · harman(n)e vogel · · ·

Übersetzung:

Maria Magdalena ist genannt mein Geläut. Es1) ist Gott gefällig. Den Lebendigen rufe ich, den Toten beweine ich, Hagel, Blitz und Donner breche ich. 1493.

Kommentar

Die Buchstaben sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen, ebenmäßig gearbeitet. Hermann Vogel verwendet weitgehend das gleiche Formenrepertoire wie Gerhard de Wou d. Ä., zu dessen engerem Schülerkreis er gehörte.2) Charakteristisch ist insbesondere das nach innen gegabelte a. Das x weist einen Querbalken auf.3) Der untere Bogen des g nach rechts ausholend, dann umgebrochen zu einem waagrechten Balken, der knapp unter der Grundlinie liegt. Am Schaft setzt kurz unter der oberen Brechung nach rechts ein balkenartiger Strich an; während bei de Wou an diesem Balkenstück ein senkrechter Zierstrich ansetzt, fehlt bei der vorliegenden Glocke dieser Zierstrich. An vielen der Buchstabenenden Zierstriche und -häkchen, z. B. am Balken des e, an den Bogenenden des c und des Schluss-s, am oberen und am unteren Schaftende des l. Beim s sind die Zierhäkchen am Ende tropfenförmig verdickt.

Der in Soest ansässige Glockengießer Hermann Vogel goss eine Reihe von Glocken für Kirchen im heutigen Nordrhein-Westfalen.4) Ein zweiter regionaler Schwerpunkt seiner Arbeit lag in Stendal und Umgebung (Sachsen-Anhalt).5) Eine weitere von Hermann Vogel im Jahr 1493 gegossene Glocke befand sich im 19. Jahrhundert in der Bückeburger Stadtkirche (Nr. 51).

Die Inschrift der vorliegenden Glocke ähnelt derjenigen in Berge (Stadt Hamm), auf der es heißt: (Oepan?) is min name Min gelut dat i(s) gade b(equa)me Doden bescrige ik Hagel unde donder berke iks.6) Auf der Lauenhäger Glocke sind neben Hagel und Donner auch noch Blitze genannt, vor denen die Glocke Schutz bieten soll.7) Ähnliche Glockensprüche verwendete auch Gerhard de Wou, z. B. auf einer Glocke von 1490 in Dinslaken-Hiesfeld: ihesus maria anna katharina is min name min ghelut si gade bequame de levendigen rope ik de doden bescreie ik gherardus de wou me fecit anno domini m cccc xc.8) Insbesondere die Formulierung „Mein Geläut sei Gott bequem“ o. ä. ist typisch für de Wous Glocken.9)

Kennzeichnend für Vogels wie auch für de Wous Glocken ist davon abgesehen der von einem Perlstab begleitete Kreuzblumenfries sowie die fünf Stege über dem Schlagring und drei Stege an der Schärfe.10)

Textkritischer Apparat

  1. ghena(n)t] Kürzungsstrich fehlt.
  2. ghelvt] Spatium zwischen ghe und lvt.
  3. beq(ua)me] Spatium zwischen be und qme.
  4. bescri] bessri NLA BU, Dep. 22 Nr. 610.
  5. bixine] statt blixine; ban ic NLA BU, Dep. 22 Nr. 610, Kölling.
  6. m cccc xc iii] m cccc xc vi Glocken-Inschriften.

Anmerkungen

  1. Der Übersetzung liegt die Auffassung zugrunde, dass mi(n) ghelvt apo koinu gestellt ist, hier also Subjekt sowohl des vorhergehenden als auch des nachfolgenden Satzteils ist.
  2. Peter, Glocken des Meisters Gherardus de Wou, Anm. 9 zu S. 357. Vgl. beispielsweise folgende von de Wou gegossenen Glocken: DI 26 (Stadt Osnabrück), Nr. 61; DI 35 (Stadt Braunschweig I), Nr. 308; DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 112. Vergleichsmaterial bieten auch die Abbildungstafeln bei Fehrmann, De Kamper Klokgieters sowie die Abbildungen bei Peter, Altmark als Glockenlandschaft, S. 177f.
  3. Vgl. Peter, Glocken des Meisters Gherardus de Wou, S. 362, Abb. 13: Glocke aus Utrecht von 1505.
  4. J. B. Nordhoff, Der Erzgießer Herman Vogel, in: Archiv für kirchliche Kunst 8 (1884), S. 81–85, dort S. 83–85; Peter, Glocke von 1498, S. 50, 52; Liste der Glocken in chronologischer Reihenfolge: 1492 Holzhausen a. d. Porta (Kreis Minden-Lübbecke), 1492 Weslarn (Kreis Soest), 1495 Werl (Kreis Soest), 1498 Meiningsen (Stadt Soest), 1501 Obermarsberg (Hochsauerlandkreis; 1646 zerborsten), 1503 Benninghausen (Kreis Soest; umgegossen), 1503 Welver (Kreis Soest; Verbleib unklar), 1511 Harsewinkel (Kreis Gütersloh), 1512 Eickel (Stadt Herne; Verbleib unklar), 1513 Suderwich (Stadt Recklinghausen), 1514 Lünen (Kreis Unna, zwei Glocken), 1517 Bad Sassendorf (Kreis Soest), 1519 Berge (Stadt Hamm) (nach Peter, ebd., S. 56; vgl. Nordhoff, S. 83 zu den Glocken in Lünen).
  5. Peter, Altmark als Glockenlandschaft, passim; Liste der Glocken in chronologischer Reihenfolge: 1497 Stendal, St. Marien u. St. Petri, 1497 Storkau (zwei Glocken), 1501 Polkritz, Sanne u. Tangerhütte, 1503 Querstedt (alle Lkr. Stendal).
  6. Zit. n. [Heinrich] Niemöller, Die Glocken der Grafschaft Mark und angrenzender Gebiete. Teil I, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte der Grafschaft Mark 2 (1900), S. 27–62, dort S. 41. Vgl. auch ganz ähnliche Inschriften auf den Glocken in Werl und Marsberg (wiedergegeben bei Nordhoff (wie oben Anm. 4), S. 83).
  7. Vgl. den Eintrag „blixeme, blixene […] blix“, in: Schiller/Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1, S. 359f. Dort wird eine Glockeninschrift aus Schwelm (Ennepe-Ruhr-Kreis, Nordrhein-Westfalen) zitiert: maria heiten Ich – tzo dem deinst gotz roiffen (rufe) Ich – de doden bescrien (beklage) Ich – blix und donner verdriuen Ich – Johan van Collen guis (goß) mich – Anno dni. M. d. XXXVII.
  8. Zit. n. Fehrmann, De Kamper Klokgieters, S. 260.
  9. S. die Werkliste bei Fehrmann, De Kamper Klokgieters, S. 250–281.
  10. Vgl. Peter, Glocke von 1498, S. 51, 53; ders., Die Glocken des Meisters Gherardus de Wou, S. 357.

Nachweise

  1. Glocken-Inschriften, 1891 (Archiv des Museums Bückeburg, M 75), ohne Blattzählung.
  2. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 111 u. Abb. 207.
  3. NLA BU, Dep. 22 Nr. 610 (Heidkämper, Die Glocken in den luth. Kirchen Schaumburg-Lippes), fol. 250cr.
  4. Kölling, Aus der Geschichte des Kirchspiels Lauenhagen, S. 214.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 52 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0005203.