Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 45 Obernkirchen, Stiftskirche St. Marien 1482 o. später
Beschreibung
Antependium. Applikationsstickerei mit Woll- und Seidenfäden auf rotem Wolltuch. Das Antependium war zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sommer 2009 auf der Stiftsdamenempore aufgehängt. Am unteren Rand eine Borte mit Blütenornamenten, an den Seiten Eichenlaubranken. Das Innenfeld wird durch sechs Säulen in fünf Felder unterteilt, die Spitzgiebel tragen. In den vier schmaleren Seitenfeldern und dem breiteren Mittelfeld befinden sich figürliche Darstellungen. Von links nach rechts: 1. Der Erzengel Michael mit einer Waage, in jeder Waagschale sitzt eine Seele, der linken – zu leicht befundenen – hat sich bereits der Teufel bemächtigt. 2. Eulalia mit nicht mehr identifizierbarem Attribut, vermutlich einem Feuerofen. 3. Maria, rechts von ihr drei Engel, im Hintergrund ein Altar. 4. Maria Magdalena mit Salbgefäß. 5. Georg tötet den Drachen, im Hintergrund eine Prinzessin mit einem Hund an der Leine. Unterhalb der Figuren verläuft eine Leiste mit Beischriften. Die Buchstaben sind ebenfalls als Applikationen ausgeführt, die Versalien in blauem, die Minuskeln in hellbraunem Stoff.
Maße: H.: 85 cm; B.: 155–163 cm; Bu.: 6,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
S(anctus) michael S(ancta) eulalia S(ancta) m(aria) de meyla(nd)a) S(ancta) m(aria) magda(lena) S(anctus) georgi(us)
Textkritischer Apparat
- m(aria) de meyla(nd)] Balken des e in meyla(nd) fehlt. Die Deutung als m(aria mater) de(i) m(ater) c(arissima) y (= virgo) la(udabilis) in: Das Antependium im Stift Obernkirchen, in: Textilkunst 13 (1985), H. 1, S. 30, lässt sich weder mit dem Buchstabenbefund noch mit den in den anderen Beischriften korrekt verwendeten Kürzungszeichen in Einklang bringen.
Anmerkungen
- Gmelin, Spätgotische Tafelmalerei, Nr. 67, S. 258–261 u. Abb. 67.2; vgl. Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat. Nr. 139, S. 449.
- Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat. Nr. 139, S. 449.
- Alois Thomas, Ährenkleidmadonna, in: LCI, Bd. 1, Sp. 82–85, dort Sp. 82.
- Kirchen- und Altarpatrozinien, Ergänzungsband, S. 160.
- So Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat. Nr. 139, S. 449.
- Zu den Altären vgl. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 104–108; vgl. Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien, S. 196. Suckale hingegen datiert das Antependium aufgrund der Kastenpanzer, mit denen Michael und Georg dargestellt sind, auf die Zeit um 1430–1450 (Suckale, Stift Obernkirchen, S. 24).
Nachweise
- Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 85f. (ohne Wiedergabe der Inschrift) u. Tafel 103,2.
- Das Antependium im Stift Obernkirchen, in: Textilkunst 13 (1985), H. 1, S. 30.
- Katalog Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Kat. Nr. 139, S. 448f. u. Abb. 154.
- Suckale, Stift Obernkirchen, S. 24 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 45 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0004508.
Kommentar
In der Inschrift wird häufig ein zu zwei Quadrangeln reduziertes cc-a als Kürzungszeichen verwendet.
Die Darstellung der Maria folgt der Ikonographie der Tempeljungfrau, wie sie auch auf dem Altarretabel auf der Stiftsdamenempore (Nr. 118) zu finden ist, dort eindeutig als Ährenkleidmadonna.1) Dieser Typus fand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts über Holzschnitte weite Verbreitung.2) Da sich diese Art der Darstellung auf ein Gnadenbild im Mailänder Dom zurückführen lässt,3) wird Maria auf dem vorliegenden Antependium als S(ancta) m(aria) de meyla(nd) betitelt.
Eine Verbindung des Antependiums zu dem erwähnten Altar wird auch durch die Figur der Eulalia hergestellt, einer Heiligen, die im norddeutschen Raum selten als Kirchen- oder Altarpatronin anzutreffen ist.4) Dennoch ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären, ob das Parament für diesen Altar hergestellt wurde,5) denn auch die auf dem Antependium dargestellten Heiligen Michael und Maria Magdalena hatten in Obernkirchen eigene Altäre, während der Hochaltar Maria geweiht ist. Als Anhaltspunkt für die Datierung des Antependiums kann trotzdem die Stiftung des Eulalia-Altars im Jahr 1482 gelten; ein Magdalenenaltar ist bereits 1319, ein Michaelsaltar 1459 bezeugt.6)