Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 455 Rauenthal, Kath. Pfarrkirche St. Antonius 1560

Beschreibung

Namensansage, Glockentugenden, Meister- und Herstellungsinschrift, Namen als Stifterinschrift und Gußjahr auf Glocke. Auf der Schulter läuft ein aufwendiger Figuren- und Architekturfries um, bestehend aus von Kielbögen umrahmten, kleinformatigen biblischen Szenen und Heiligendarstellungen. Erkennbar sind: Madonna mit Kind in der Mondsichel, Anna Selbdritt, Madonna mit Kind, Darbietung Jesu im Tempel, Kreuzigung, ein bärtiger Heiliger mit Mitra (Petrus oder Servatius von Tongern). Die doppelzeilige Inschrift (A) verläuft darunter zwischen je einem Rundsteg. Auf dem Mantel eine Kreuzigungsdarstellung mit Engeln, die das Blut Christi auffangen, begleitet von Sonne und Mond, auf dem Kreuzstamm Titulus (B). Ferner sind einzelne Münzen sowie einmal ein Medaillon (Anna Selbdritt) in die Inschrift eingelassen. Stege an Wolm und Schlagring. Schlagton c, Gewicht 2686 kg.1) Medaillons teilweise unkenntlich.

Maße: H. m. Krone ca. 165, Dm. 161, Bu. 2,5-3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, frühhumanistische Kapitalis.

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/4]

  1. A

    maria heissen ichina) di er gottes lavden ichden lebendigen ruffenb) ichdie doden bklagenc) ichbos Wetter verdriben ichheinrich von trierd) gos miche)· CHRISTMAN IVN VON FR[A]WSTEIN SCHVLTVS ZV / ROWENDAL VND AGELS ELS SIN HVISFRAW · IOHANNes JAcobi BURGEnMEISTER · iOHAnnes cLasMan GericHT SCHREIBER · Anno D(OMI)NI Mo D L X

  2. B

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDERORVM)2)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Minuskelschrift verwendet als Schmuckformen aufgerollte Buchstabenunterlängen und Zierstriche. In die Kapitalis wurden Minuskelbuchstaben eingestreut. Spiegelverkehrtes N mit Nodus, H mit nach unten ausgebuchtetem Mittelbalken, zweibogiges E, M mit kurzem Mittelteil und A mit nach rechts verlängertem Deckbalken sind Bestandteile der eigenwillig gestalteten frühhumanistischen Kapitalis.

Da der Rauenthaler Gemeinde eine Glocke im Turm der Pfarrkirche zustand,3) ließen sich ihre Vertreter inschriftlich als Auftraggeber des Glockengusses nennen. Der Gießer Heinrich von Trier (1552-94)4) verwendete auf den Glocken zu Lorch (Nr. 452) und in Rauenthal (folgende Nr.) den aus Ädikulen bestehenden Schmuckfries der Erkelenz-Glocke des Jan II. von Trier aus dem Jahre 1535 weiter.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Luthmer, Wagner zo.
  2. Ebd. roven.
  3. Sic! e ausgefallen.
  4. Luthmer, Wagner drier.
  5. Hiernach ein Medaillon.

Anmerkungen

  1. Angabe nach Wagner.
  2. Vgl. Io. 19,19.
  3. Dies galt beispielsweise auch für Eltville, wo sich eine angeblich 1488 gegossene Alarmglocke im Kirchturm befand, die von der Gemeinde gestellt wurde, vgl. Einleitung Kap.6.
  4. Vgl. Poettgen, Studien 20f. und oben Nr. 452.

Nachweise

  1. Luthmer (1921) 83.
  2. Wagner, Glocken 64.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 455 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0045500.