Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 77 Eberbach, Kreuzgang 1351

Neuer Standort: Die Grabplatte befindet sich aktuell im Westflügel des Kreuzgangs. Sie ist aufgestellt im dritten Joch von Süden als linker Stein.

Beschreibung

Grabplatte der Clara von Bechtolsheim, die nach ihrem Tode vor dem Dreifaltigkeitsaltar in der Kirche beigesetzt wurde. Die Platte wurde später in den Kreuzgang verbracht, wo sie heute aufrecht als letzte Platte nach Westen an der Nordwand auf einem Sockel steht. Große Rotsandsteinplatte mit der aus dem Stein herausgearbeiteten Relieffigur einer stehenden Frau in zeittypischer Kleidung mit Schleier, Rise und Nuschenmantel. Die Gestalt mit den betend aneinandergelegten Händen ist in einen eingetieften Spitzbogen mit Krabbenbesatz und Kreuzblume eingestellt. Auf zwei flachen, die Frauengestalt begleitenden Mauerwerkpilastern stehen Fialen; in den vier Ecken je ein identischer, erhaben gearbeiteter Wappenschild. Stein im oberen Drittel quergebrochen, mit geringfügigem Buchstabenverlust der auf dem Plattenrand zwischen Linien umlaufenden Inschrift.

Maße: H. 214, B. 106, Bu. 6,5-7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/1]

  1. ANNO · / D(OMI)NI · Mo · CCCo · LIo · I(N) · VIGILIA · B(EA)TI · BERNHARDI · O(BIIT) · / HONESTA · / PVELLA · CLARA · MAT(ER)a) · N(OST)RA · F[I]DELISSI(M)A · R(EQUIESCAT) · I(N) · PACE

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1351, am Tag vor dem Fest des hl. Bernhard (19. August) starb die ehrenhafte Jungfrau Clara, unsere allertreueste Mutter. Sie ruhe in Frieden.

Wappen:
viermal Bechtolsheim.

Kommentar

Die Verwendung des Personalpronomens NOSTRA weist auf den Entwurf der Grabinschrift und die Fertigung der Grabplatte durch Eberbacher Mönche hin. Allerdings steht das Wort PVELLA nicht in Bezug auf Claras Alter, war die Verstorbene zum Zeitpunkt ihres Todes dem Jugendalter doch längst entwachsen, sondern verdeutlicht ihren Beginenstand. Der Klostersteinmetz, der die Grabplatte fertigte, kam gegen Textende in Platzschwierigkeiten, so daß er zum Mittel der Kürzung griff, um den Text genau einpassen zu können. Der Schrifttypus ist zeitgemäß. Die Grabplatte stellt ein figurales Beispiel für die in Eberbach nachzuweisenden Bestattungen von Beginen dar.1)

Bei Clara von Bechtolsheim befindet man sich in der glücklichen Lage, ausreichendes Quellenmaterial bezüglich ihrer engen Verbindung mit der Abtei Eberbach in den Händen zu haben. Sie entstammte der Familie der Ritter von Bechtolsheim, die weitgestreuten Besitz in Rheinhessen hatten. Franck nennt sie eine Begine mit Wohnsitz in einem Haus am Speisemarkt zu Oppenheim.2) Beginen waren wohlhabende Frauen, die unverheiratet oder verwitwet in einer freien geistlichen Gemeinschaft lebten, die sich in lockerer Form gern an bestehende Zisterzienser(innen)klöster anschloß. Die rege Stiftertätigkeit und der Wunsch dieses Personenkreises nach einer Bestattung in Eberbach ist durch Urkunden3) belegt.

Clara verfügte als alleinstehende, unverheiratete Frau über ein beträchtliches Vermögen, das nach dem Tod ihrer kinderlosen Brüder Peter und Dietzo um deren Erbe vermehrt worden war. So war Clara von Bechtolsheim zeit ihres Lebens willens und in der Lage, Eberbach umfangreiche Schenkungen zu machen. Die früheste Nachricht stammt aus dem Jahre 1330, als sie vor Schultheiß, Rat, Schöffen und Bürgern zu Oppenheim dem Kloster Eberbach Liegenschaften zu Guntersblum und Nierstein mit allen darauf haftenden Rechten und allem Zubehör vermachte.4) Zugleich übereignete sie die ihr zugefallenen Güter ihres verstorbenen Bruders Dietzo in Friesenheim, Undenheim und Nordolfsheim den Eberbacher Mönchen.5) Ein Jahr später befreite sie den Eberbacher Hof in Lorch von einer Abgabe, die Eberbach dem Ritter Konrad von Rüdesheim schuldig war und erwarb zugleich einen Anteil an dem Hof des Ritters Hanzelin von Geroldstein, in welchem die Brüder von Leyen wohnten.6) Am 4. März 1334 vermachte „domicella“7) Clara erneut dem Kloster testamentarisch verschiedene Legate8) und 1341 kaufte sie Güter zu Lorch, Ingelheim, Heimbach, Undenheim und Nierstein, die sie der Abtei schenkte.9) Dem Eintrag im Eberbacher Seelbuch zufolge sollte anläßlich ihres Todestages das Kloster neben anderen Vergünstigungen von der „honesta puella“ jährlich 72 Malter Korn, 8 Pfund Heller und 1 Karate Wein erhalten.10)

Textkritischer Apparat

  1. Helwich und ihm folgend Roth überlieferten MATRONA.

Anmerkungen

  1. Äußerst schlicht gehalten sind dagegen die mit der Grabplatte der Katharina aus Sobernheim frühest belegten, in dem Eberbacher Enkelkloster Disibodenberg an der Nahe aufgefundenen schmucklosen Umschriftplatten anderer Beginen, vgl. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 33. Für Eberbach ist bereits 1310 die Sepultur einer Begine urkundlich zu belegen, vgl. Struck, Beginen 187 mit Hinweis auf Bechtradis zum Bornstab nach UB Eberbach Nr. 659. Vgl. auch Einleitung Kap.4.1.1. und 4.1.3.
  2. Franck, Oppenheim 316f.
  3. 1327 erwählte beispielsweise die Limburger Begine Hyldemudis ihr Grab auf dem Eberbacher Friedhof und wies für die Totenfeier und die Bestattung ihres Körpers 6 Mark an, s. Struck, Quellen Klöster I 628 Nr. 1431 zu 1327 Juni 8.
  4. UB Eberbach II 2 Nr. 865 zu 1330 Januar 1.
  5. Ebd. Nr. 866 zu 1330 Januar 29.
  6. Ebd. Nr. 882 zu 1331 Februar 2.
  7. Üblicherweise mit Edelfrau zu übersetzen und in diesem Zusammenhang durch die Ritterbürtigkeit des Geschlechts auch zutreffend. Zu der hier nicht inschriftlich gebrauchten Bezeichnung bei Nicht-Ritterbürtigen vgl. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 52 mit Anm. 8; der Hinweis bezieht sich auf die von Du Cange, Glossarium III 162 für das 14. Jh. nachgewiesene Bedeutung „Begine“.
  8. NUB I 3 Nr. 2023.
  9. Ebd. Nr. 2238; Roth, Geschichtsquellen I 152 Nr. 1087.
  10. Roth, Geschichtsquellen III 44 zum 13. August.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 167.
  2. Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 84.
  3. Bär/Stoff, Eberbach III 42 Anm. 31.
  4. Roth, Geschichtsquellen III 262.
  5. Schaum-Benedum 154.
  6. Monsees, Totengedächtnis- und Bauinschriften Abb. 3.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 77 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0007706.