Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 255 Kreuzgang, Mittelhalle, Westwand, 5. Joch 3. V. 15. Jh.

Beschreibung

Relief aus rotem Marmor mit der Darstellung der sogenannten Gregorsmesse, ehemals bei dem Altar des Hl. Gregor aufgestellt, dessen Standort nicht bekannt ist. Es wurde wohl zu Zeiten der Reformation aus dem Dom entfernt1). Im unteren Drittel die achtzeilige Inschrift I, darüber im vertieften Feld die Gestalt des vor dem Altar knienden Papstes in vollem Ornat. An der Borte des Altartuchs eine weitere Inschrift, erhaben gehauen (II). Auf der Mensa der Sarkophag Christi mit dem Schmerzensmann als Halbfigur, flankiert von seinen Leidenswerkzeugen. Über der Christusfigur der Kreuzesquerbalken mit einer hebräischen und lateinischen Inschrift (III und IV). An der Vorderseite des Sarkophags das Schweißtuch der Veronika, auf dem Altartisch die Patene mit dem umgestürzten Kelch. Der Zustand des Bildwerks ist gut.

Maße: H. 166 cm, B. 75 cm, Bu. 3,5 cm (I), 2 cm (II, III), 1,5 cm (IV).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal (I), Gotische Majuskel (II, IV), Hebräische Schrift (III).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    wer ∙ dise ∙ figur ∙ ert ∙ mit ∙ eine(m) ∙ p(ate)r ∙ n(oste)r / vnd ∙ ain ∙ aue ∙ Maria ∙ d(er) ∙ hat ∙ vo(n) ∙ d(er) ∙ ersch=/einu(n)g ∙ dy ∙ s(ant) ∙ grego(r)i(us) a) ∙ erschein ∙ in ∙ eine(r) ∙ / kirchen ∙ haist ∙ porta ∙ cruc(is) ∙ den ∙ selbe(n) ∙ / aplaz ∙ d(er) ∙ selbe(n) ∙ kirch(e)n ∙ dez ∙ ist ∙ xxxiiii ∙ / M ∙ iar ∙ vn(d) ∙ vo(n) ∙ ij ∙ pebste(n) ∙ vo(n) ∙ iede(m) ∙ xl ∙ iar ∙ / vn(d) ∙ vo(n) ∙ liii ∙ pischoffe(n) ∙ vo(n) ∙ iede(m) ∙ xl ∙ tag ∙ vn(d) / vo(n) ∙ xxx ∙ pebste(n) ∙ vo(n) ∙ i(e)de(m) ∙ cc ∙ tag ∙ ablas ∙ b)

  2. II.

    OST//E//ND//E NOBIS c)

  3. III.

    יעזךשםd)

  4. IV.

    IN//RI e)

Übersetzung:

Zeige uns (o Herr, deine Barmherzigkeit). (II) Gott (?) wird/möge helfen. (III)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Ps 84,8. (II)

Kommentar

Gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden für zahlreiche Kirchen Darstellungen der Gregorsmesse angefertigt, als gemalte Tafeln oder in Stein gehauen. Die Texte, die den Darstellungen hinzugefügt sind, versprechen den Gläubigen für 34000 Jahre den Ablass, wenn sie die geforderten Gebete vor diesen Darstellungen verrichten. Zudem blieben den frommen Menschen die aufwendigen Reisen erspart, um die erbetene Befreiung von den Sünden zu erhalten2).

Im Fall des Regensburger Reliefs im Dom St. Peter handelt es sich ikonographisch um die Vermischung zweier im Mittelalter beliebten Darstellungen der Transsubstantiation. Der Legende nach soll Papst Gregor I. während der Messfeier um das Wunder gebeten haben, der Wein im Kelch möge sich in Christi Blut verwandeln, um einen Ungläubigen zu bekehren. Christus ist leibhaftig als Schmerzensmann erschienen und füllte den Kelch mit den aus seinen Wundmalen fließenden Blut. Bei der Messe von Bolsena, die in die Regierungszeit Papst Urbans IV. (1261-64) fällt, soll ein Priester den geweihten Wein verschüttet haben, der sich in Blutstropfen verwandelte3). Soweit bisher bekannt, existieren in der Stadt Regensburg zwei weitere in Stein gehauene Darstellungen einer Gregorsmesse bzw. der Messe von Bolsena. In der ehemaligen Minoritenkirche, heute Museum, ist ein Bildwerk aus dem Jahre 1502 an der Nordwand des Chores aufgerichtet. Der Text des Ablasses, der nahezu identisch ist mit dem Text des hier vorgestellten Reliefs, ist allerdings möglicherweise während der Reformation entfernt worden und nur kopial überliefert4).

Eine weitere Darstellung der Gregorsmesse befindet sich an der Westseite der Vorhalle von St. Emmeram; sie trägt keinen Text5).

Textkritischer Apparat

  1. o hochgestellt.
  2. Die Trennzeichen sind Quadrangeln.
  3. Zwischen T E und E N durch Figur unterbrochen, zwischen D E Knick im Schriftband. Psalm 84,8: Ostende nobis domine miserecordiam tuam.
  4. Yod -´Ayin – Zayin – Resch – Schim – Schlußmem.
  5. Unterbrochen durch den Dorn auf dem Kreuzesquerbalken.

Anmerkungen

  1. Schuegraf, Dom II, 108ff.; Gamber, Gregoriusmesse 38-44; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Kreuzgang und Kapitelhaus 67; für die Transkription und Übersetzung der hebräischen Inschrift bedanken wir uns bei Herrn Dr. Hans-Georg von Mutius, Institut für Judäistik, LMU München.
  2. Braun, Der christliche Altar II, 453ff.; Bookmann, Die Stadt 209; ders., Ablaß-„Medien“ 717-719; ders., Schrifttafeln 216f.
  3. Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 66f.
  4. DI 40 (Regensburg I), Kat.-Nr. 149 (Abb. 32, 33).
  5. Mader datiert diese Gregorsmesse um 1480, vgl. hierzu Kdm Regensburg I, 302.

Nachweise

  1. Schuegraf , Dom II, 109 (Abb. IX im Anhang); Kdm Regensburg I, 170 (Abb. 95); Gamber, Gregoriusmesse 38; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Kreuzgang und Kapitelhaus 66 (Abb. 17); Schmid H. U., Mittelalterliche deutsche Inschriften 44, Nr. 59.

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 255 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0025505.