Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 196 Kreuzgang, Mittelhalle, Westwand, 2. Joch 1444/1445

Beschreibung

Epitaph des Lukas und der Ursula Ingolstetter aus Sandstein, in die Wand eingelassen1). Den unteren Bereich füllt eine querrechteckige Inschriftentafel mit sechszeiliger Inschrift, flankiert von zwei Vollwappen. Darüber in der Mitte unter Dreipass mit Sprengwerk Christus als Schmerzensmann, der seine Wundmale zeigt. Im Hintergrund zwei Engel, die ein bewegt drapiertes Grabtuch halten. Zu beiden Seiten in kleinen Nischen unter Wappen und Dreipass die knienden Stifterfiguren. Das Epitaph zeigt Spuren einer farbigen Fassung; es ist zum Teil beschädigt, die Finger der linken Hand der Christusfigur sind alle abgebrochen, die Fialspitzen des Figurentabernakels fehlen teilweise. Die Inschriftentafel ist stark beschädigt und zeigt mittig einen vertikal durchgehenden, schlecht gebesserten Riss. Die rechte Seite ist besonders stark verwittert.

Ergänzt nach Text Eppinger:

Maße: H. 164 cm, B. 60 cm (Figurentabernakel); H. 55 cm, B. 93 cm, Bu. 5,5 cm (Inschriftentafel).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    Anno ∙ d(omi)nj ∙ M ∙ cccc ∙ x̣liiii ∙ iar ∙ ṣṭạṛḅ [d(er)] / Erberg ∙ man ∙ her ∙ lvcas ∙ ịṇg̣ọḷṣṭẹṭṭạṛ ∙ [an] / sant ∙ niclas ∙ nacht dem got ∙ genad

  2. II.

    An(n)o ∙ d(omi)nj ∙ M ∙ cccc ∙ xlv ∙ iar ∙ starb ∙ dy er/berg ∙ fraw ∙ ṿṛṣṿḷạ ∙ sein ∙ havsfraw ∙ an / samstag vor l[icht]mes ∙ d(er) got genad a)

Datum: 1444 Dezember 05; 1445 Januar 302).

Wappen:
Ingolstetter3), Frickinger4).

Kommentar

Lukas Ingolstetter war der Sohn der Dorothea, geborene Dürnstetter (s. Kat.-Nr. 76), und des Stephan Ingolstetter d. Älteren, der ihm aus seiner Handelstätigkeit ein beträchtliches Vermögen hinterlassen hatte5). Lukas konnte sich daher fast ganz aus dem Geschäftsleben zurückziehen und auf seine Ämter in Politik und Verwaltung konzentrieren. Er war von 1412 bis 1415 Hansrat, 1414 Hausgenosse, von 1420 bis 1443 im Rat, in den Jahren 1431, 1432, 1435 und 1436 Steuerherr, dazu amtierte er 1420 und 1423 als Hansgraf, 1429 als Kammeramtsverweser und 1435 als Wachtmeister der Schererwacht6).

Er reiste als offizieller Vertreter der Stadt Regensburg zu den verschiedenen Reichstagen, erstmals 1427 nach Frankfurt, gleich anschließend zum Heidelberger Hussitentag 1427/28, im Jahr 1429 nach Pressburg (Bratislava), 1430 zum Nürnberger Fürsten- und Städtetag und zu den Beratungen der Reichsstädte in Ulm und zum Reichstag in Straubing. 1431 war er beim Reichstag in Nürnberg und beim Städtetag in Speyer, 1432 bei den Hussitenverhandlungen in Basel, 1438 in Nürnberg und 1442 in Frankfurt7). Kurz vor seinem Tod errichtete er am 20. November 1444 sein Testament8).

Verheiratet war er mit Ursula, die aus der Augsburger Kaufmannsfamilie Frickinger stammte; das Paar blieb jedoch kinderlos, so dass es nach dem Tod Ursulas, die kein eigenes Testament hinterlassen hatte, zu Erbschaftsstreitigkeiten zwischen den Familien Ingolstetter und Frickinger kam9).

Lukas Ingolstetter gilt als die herausragendste politische Persönlichkeit der Stadt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, seine Berichte und Denkschriften zählen zu den wichtigsten Quellen für die Geschichte der Reichstage, der Verhandlungen und der dort herrschenden Stimmungslagen10).

Textkritischer Apparat

  1. Die Trennzeichen sind Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Freytag/Hecht 24; Kdm Regensburg I, 170 (Abb. 98); Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 64 (Abb. 12, Figurentabernakel).
  2. Während die gesamte kopiale Überlieferung beim Todestag der Ursula den Samstag vor Lichtmess nennt, lesen Schuegraf, Freytag/Hecht und Hubel den Samstag vor St. Johannes.
  3. BayA1 149; Urbanek, Wappen 195.
  4. BayA2 41; Urbanek, Wappen 141 mit Verweis auf die Familie Lindemair.
  5. Bastian, Runtingerbuch III, 386; zur Familie Ingolstetter s. Forneck, Einwohnerschaft 123-126.
  6. Forneck, Einwohnerschaft 124, 242; Hoernes, Hauskapellen 216 (Anm. 27), hier auch zur im Jahr 1407 erworbenen Hauskapelle des Lukas Ingolstetter; Fischer, Hochfinanz 81 (Anm. 339); Engelke, Gelbes Stadtbuch 580 (Register).
  7. Forneck, Einwohnerschaft 124f. mit Verweisen auf die Deutschen Reichstagsakten.
  8. BZAR ADK 1444 11 20; für diesen Hinweis bedanken wir uns bei Dr. Olivier Richard, Straßburg.
  9. Bastian, Runtingerbuch I, 80; Gemeiner, Chronik III, 147; Schuegraf, Die Kapelle zu Unserer lieben Frau hinter den Pfannenschmieden, Unterhaltungsblatt (Beilage zur Regensburger Zeitung) Nr. 15 (1861); Fuchs/Krieger, Regesten Kaiser Friedrichs III., Nr. 85; vgl. Hoernes, Hauskapellen 216, Anm. 29.
  10. Forneck, Einwohnerschaft 124.

Nachweise

  1. Eppinger 17, 27; Eckher, Grabsteinbuch 53v; Zirngibl, Epitaphia 41; Sammlung Resch IV, Blatt 56 (Zeichnung von Justus Popp 1826); Schuegraf, Dom II, 77; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 64.

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 196 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0019600.