Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 156 Kreuzgang, Nordflügel West, Nordwand, 2. Joch 1426

Beschreibung

Wappengrabplatte des Stefan Notangst aus rotem Marmor, an der Wand aufgerichtet, ehemals im ersten Joch des Kreuzgangnordflügels im Boden1). Die Inschrift auf erhöhtem Rand beginnt oben links, läuft um den Stein und endet im letzten Viertel an der linken Längsseite. In den vier Ecken befinden sich jeweils in genasten Dreipässen kleine Wappenschilde. Im Feld unter Kielbogen, der mit einer großen Kreuzblume und verkröpftem Maßwerk geziert ist, das Vollwappen. Die Helmzier besteht aus einer Halbfigur im Profil, das Haupt mit einem Birett bedeckt. Die unteren beiden Ecken füllen zwei dem Vollwappen zugeneigte Schilde, dazwischen zwei ineinander verschlungene Fabeltiere. Zwischen den beiden Zwickeln über dem Kielbogen ebenfalls je ein Fabeltier (Basilisken ?). Der Zustand ist relativ gut.

Maße: H. 253 cm, B. 128 cm, Bu. 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

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Datum: 1426 Mai 06.

Wappen:
Notangst2), Meilinger3), Karg4).

Kommentar

Stephan stammte aus der angesehen Patrizier- und Ratsfamilie Notangst, die zunächst im Handwerk, dann bald im Fernhandel tätig war und sich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer der wohlhabendsten und bedeutendsten Familien der Stadt entwickelte. Er war der Sohn des Ratsherren Fridrich Notangst5).

In den Jahren 1389, 1391 und 1395 war er Mitglied der 45er Rates. Als Ratsbürger ist er belegt in den Jahren 1393, 1394, 1397-1413, 1415, 1416, 1420-14256). Das Amt des Stadtkämmerers versah er in den Jahren 1413 und 14147). Im Jahre 1387 ist er Stadtbaumeister, 1391, 1395, 1408 und 1417 Wachtmeister der Westnerwacht, 1408-1411 Brückenmeister. 1394 war er einer von vier Schauern, die den Geldumlauf der Stadt überwachen sollten8). Gemeinsam mit der Familie Sitauer betrieb er eine Fernhandelsgesellschaft, die im großen Stil mit Böhmen und Venedig mit Barchent, Wein und Gewürzen handelte9). Im Jahr 1423 amtierte er als einer der weltlichen Spitalräte im Katharinenspital10).

Der vermögende Ratsherr und Stadtkämmerer stiftete offensichtlich erhebliche Summen zum Bau des Regensburger Domes. Sein Wappen befindet sich an der Westfassade innen jeweils an den beiden Strebepfeilern, die den Nordturm flankieren. Seine repräsentative Grablege, ursprünglich im ersten Joch des Kreuzgangnordflügels, in dem der Gewölbeschlussstein ebenfalls sein Wappen trägt, hatte er aufwendig mit Wandmalereien gestalten lassen (s. Kat.-Nr. 143)11).

Im Jahr 1419 stiftete Stephan Notangst ein Bruderhaus In der Schwaig (heute Haidplatz 2), in dem zwölf arme alte Handwerker wohnen durften, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten konnten12). In unmittelbarer Nähe dieses Bruderhauses lag die Laurentiuskapelle, für die Stephan Notangst eine ewige Wochenmesse stiftete und einen Altar samt Messbenefizium einrichtete. Nach seinem Tod übergab seine Witwe Anna dem Kaplan der Kapelle ein Legat13). Weitere Stiftungen flossen den beiden Bettelorden der Dominikaner und der Minoriten zu. Im Nordflügel des Kreuzganges der Dominikaner befindet sich ein Schlussstein mit dem Wappen der Notangst, ebenso im großen Kreuzgang der Minoriten im Westflügel14). Es sind zwei Testamente überliefert, das erste aus dem Jahr 1399, das zweite von 141915).

Stephan Notangst war zweimal verheiratet, einmal mit einer Karg (Charg), einmal mit einer Meilinger; die Witwe, die er hinterließ, hieß Anna16). Beide Ehen blieben kinderlos, sodass mit Stephan Notangst das Geschlecht ausstarb17).

Textkritischer Apparat

  1. o hochgestellt
  2. Die Trennzeichen sind Kreuze, die jeweils aus fünf Quadrangeln bestehen.

Anmerkungen

  1. Schuegraf, Dom I, 168; ders., Dom II, 121; Freytag/Hecht 32; Kdm Regensburg I, 195 (mit Abb. 101); Hubel, Mittelalterliche Plastik in Dom und Kapitelsaal 59 (Abb. 8); eine kleine im Boden eingelassene Messingtafel mit der Aufschrift hic iacet stefan notangst bezeichnet diesen Begräbnisort.
  2. BayA1 167, BayA2 162; Rheude, Grabsteine im Kreuzgange 73; Urbanek, Wappen 231; linke obere Ecke und rechte untere Ecke ebenfalls Notangst.
  3. Rheude, Grabsteine im Kreuzgange 73; Urbanek, Wappen 221f., 325; rechte obere Ecke ebenfalls Meilinger.
  4. Bg2 1, 27; Urbanek, Wappen 99, 325; linke untere Ecke ebenfalls Karg.
  5. Über seine vermutliche Herkunft, die Bedeutung des Namens und seine verwandtschaftlich Beziehung zu Bischof Leo Thundorfer vgl. Primbs, Jahr- und Totenbuch 242-244; Mai, Leo Thundorfer 73 geht allerdings auf diese verwandtschaftlichen Beziehungen nicht ein; Bastian, Runtingerbuch III, 414-418; Fischer, Hochfinanz 76f. (Anm. 306), 78 (Anm. 322); Engelke, Gelbes Stadtbuch 584 (Register).
  6. Ritscher, Ratsverfassung I, 110-122; Morré, Ratsverfassung 97; Bastian, Runtingerbuch III, 414-418; Urbanek, Wappen 231.
  7. Ritscher, Ratsverfassung I, 118; Urbanek, Wappen 231.
  8. Emmerig, Münzerhausgenossenschaft 63f. (Anm. 19).
  9. Fischer, Hochfinanz 145f., 219, 236f., 265; Hoernes, Hauskapellen 259.
  10. Dirmeier, St. Katharinenspital 315.
  11. Schuegraf, Dom I, 168-170; Janner, Bischöfe III, 385; Zahn, Dom 86; Kdm Regensburg I, 46, 77, 161, 164 (Wappen im Kreuzgang), 166f. (zur Wandmalerei); Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 59; ders., Regensburger Dombauhütte 31.
  12. StA Regensburg, Alm 1488: Stiftungsbuch des Bruderhauses; Janner, Bischöfe III, 375, 474; Hoernes, Hauskapellen 258; Dirmeier, Armenfürsorge 223f.; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 59; Fischer, Hochfinanz 84 (Anm. 351).
  13. Hoernes, Hauskapellen 239, 258f.
  14. Kdm Regensburg II, 94; DI 40 (Regensburg I), 134, Kat.-Nr. A 13.
  15. Primbs, Testamente 1894, 45.
  16. MGH Necr. III, 252; Primbs, Jahr- und Totenbuch 239 (2. Mai).
  17. BayA1 167.

Nachweise

  1. Eppinger 14, 28; Handschriftensammlung 32; Zirngibl, Epitaphia 35; Schuegraf, Dom II, 121; Sammlung Resch VII, Blatt 9 (Zeichnung von Justus Popp 1826), Blatt 136; Rheude, Grabsteine im Kreuzgange 73f.; Kdm Regensburg I, 195 (Abb. 101); Renner, Deutsche Grabschriften 3; Schmid H. U., Mittelalterliche deutsche Inschriften 28, Nr. 24; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Domkreuzgang und Kapitelhaus 59 (Abb. 8).

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 156 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0015607.