Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 51 Domschatzmuseum 1. V. 14. Jh.

Beschreibung

Das Rationale besteht aus Brust- und Rückenteil, verbunden durch zwei runde Schulterstücke. Sowohl Vorder- als auch Rückenteil sind zu beiden Seiten durch breite Stoffbahnen verlängert. Das ganze Gewebe ist überzogen von einer prächtigen Stickerei aus Gold, Silber und farbiger Seide. Dargestellt ist ein komplexes ikonographisches Programm, das durch eingestickte Inschriften aufgeschlüsselt ist1).

Auf der Rückseite ist Christus als Weltenrichter in der Mandorla dargestellt, darüber die Inschrift I. Unter der Mandorla das apokalyptische Lamm in rundem, von der Darstellung scharf abgegrenztem Rahmen mit der Inschrift II. Die Christusdarstellung ist im oberen Bereich flankiert von zwei Engeln in Halbfigur, die Spruchbänder halten mit den Inschriften III und IV. Unter den Engelsfiguren die Darstellungen der vier Evangelistensymbole mit Namensbezeichnungen und Spruchbändern, links der Adler des Johannes (Inschriften V und VI), darunter der Stier des Lukas (Inschriften VII und VIII), rechts der Engel des Matthäus (Inschriften IX und X) sowie der Löwe des Markus (Inschriften XI und XII). Zwischen Adler und Stier ein Engel mit einem Spruchband mit der Inschrift XIII. Auf den verlängerten seitlichen Stoffbahnen je drei Aposteldarstellungen unter Arkadenbögen (Inschriften XIV bis XVI links und XVII bis XIX rechts). Am unteren Rand der Bahnen jeweils eine mittelhochdeutsche Inschrift (Inschrift XX links, Inschrift XXI rechts).

Die Vorderseite zeigt die Allegorie der Kirche. In einer von zwei Säulen (bezeichnet mit Inschriften XXII und XXIII) getragenen Halle, bekrönt von fünf Türmen, über denen die Inschrift XXIV eingestickt ist, steht Christus in Halbfigur, ein Spruchband mit der Inschrift XXV haltend, die Inschrift XXVI rechts neben seinem Nimbus. Auf dem Balken unter der Christusfigur die Inschrift XXVII, darunter Ecclesia, ein Spruchband haltend (Inschrift XXVIII), direkt darüber die Inschrift XXIX. Zu beiden Seiten der Ecclesia im unteren Bereich zwei weibliche Halbfiguren (Inschrift XXX links). Neben Ecclesia auf der rechten Seite Johannes (bezeichnet durch die Inschrift XXXI), links die Heiligen Stephan und Dionysius (Inschrift XXXII). Den seitlichen Abschluß der zentralen Darstellung bilden links Petrus (Inschrift XXXIII) und rechts Paulus (Inschrift XXXIV).

Auf den verlängerten seitlichen Stoffbahnen je drei Aposteldarstellungen unter Arkadenbögen (Inschriften XXXV bis XXXVII links und XXXVIII bis XL rechts).

Am unteren Rand der Bahnen analog zur Rückseite jeweils eine mittelhochdeutsche Inschrift (Inschrift XLI links, Inschrift XLII rechts).

Auch die beiden runden Schulterstücke sind mit Inschriften versehen. Links die Inschrift XLIII um die beiden allegorischen Frauengestalten in der Mitte und die Inschrift XLIV um sechs der zwölf Stämme Juda am äußeren Rand, rechts entsprechend dazu die Inschrift XLV um die allegorischen Frauengestalten in der Mitte und die Inschrift XLVI um die anderen sechs der zwölf Stämme Juda am äußeren Rand.

Text nach Hubel, Domschatz:

Maße: H. 65,5 cm, B. 66 cm, Du. (Schulterteile) 21 cm, Bu. ca. 0,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. I.

    FIDELIS ET [VERAX]

Übersetzung:

Treu und wahrhaft.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Apc 19,11.

  1. II.

    MICHAEL TVBA CECINIT DIGNUS ES APERIRE LIBRUM ET SIGNACULA EIUS

Übersetzung:

Michael sang mit der Posaune: Du bist würdig, das Buch und seine Siegel zu öffnen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Apc 5,9.

  1. III.

    DOMINUS DIGNUS EST APERIRE LIBRUM

Übersetzung:

Der Herr ist würdig, das Buch zu öffnen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Apc 5,2.

  1. IV.

    QUIS NON TIMEBIT DOMINE

Übersetzung:

Wer soll dich nicht fürchten, Herr?

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Apc 15,4.

  1. V.

    IOH(ANNE)S

  1. VI.

    OMNIA PER [IPS(VM) F(A)CTA S(VNT)]

Übersetzung:

Alles ist durch ihn geworden.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Io 1,3.

  1. VII.

    LVCAS

  1. VIII.

    REGNABIT IN DOMO IACOB

Übersetzung:

Er wird herrschen über das Haus Jakob.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Lc 1,32.

  1. IX.

    MATHEUS

  1. X.

    NEMO NOUIT PATREM [NISI FILIUS]

Übersetzung:

Niemand kennt den Vater, außer der Sohn.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Mt 11,27.

  1. XI.

    MARCUS

  1. XII.

    VIDEBIT F(I)L(I)VM HO(MIN)IS UENIENTEM IN (NUBIBUS)

Übersetzung:

Er wird den Menschensohn in Wolken kommen sehen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Mc 13,26.

  1. XIII.

    SCRIBE

Übersetzung:

Schreibe

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Apc 1,11 und öfter.

  1. XIV.

    S(ANCTVS) PETRUS

  1. XV.

    [S(ANCTVS) IOHAN]NES

  1. XVI.

    S(ANCTVS) THOMAS

  1. XVII.

    S(ANCTVS) PAULVS

  1. XVIII.

    S(ANCTVS) THADDEVS

  1. XIX.

    S(ANCTVS) PHILIPPUS

  1. XX.

    DIZ ∙ HAT ∙ GEFRVMT

  1. XXI.

    – – –] ∙ ROMISCHER ∙ CHVNIG

  1. XXII.

    COLVM/PNAS

Übersetzung:

Säulen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Cant 3,10.

  1. XXIII.

    ARGEN/TEAS

Übersetzung:

Aus Silber.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Cant. 3,10.

  1. XXIV.

    FERCVLU(M) FECIT SIBI REX SALEMON

Übersetzung:

Ein Prunkbett ließ sich König Salomon fertigen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Cant. 3,9.

  1. XXV.

    PACEM MEA(M) DO VOBIS

Übersetzung:

Meinen Frieden gebe ich euch.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Io 14,27.

  1. XXVI.

    EGO SUM UIA / ET UERITAS / ET UITA

Übersetzung:

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Io 14,6.

  1. XXVII.

    RECLINATORIVM AUREV(M) MEDIA / CARITATE CONSTRAVIT

Übersetzung:

Die Lehne von Gold, die Mitte belegte er mit Liebe.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Cant 3,10.

  1. XXVIII.

    DILIGES DEV(M) TUVM

Übersetzung:

Du sollst deinen Gott lieben.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Mt 22,37; Mc 12,30; Lc 10,27.

  1. XXIX.

    ASCENSVS PVRPVREVS

Übersetzung:

Den Aufgang purpurfarben b).

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Cant 3,10.

  1. XXX.

    MARIA

  1. XXXI.

    IOH(ANNE)S DE/US CARITAS EST

Übersetzung:

Gott ist die Liebe.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): 1 Io 4,8, 16.

  1. XXXII.

    STEPHA/NUS DION/ISIUS

  1. XXXIII.

    HIC FIDE ROBVSTAM EC(CLESI)AM / S(IBI) TRADIT/AM SVSTI/NET [PETRVS]

Übersetzung:

Petrus trägt hier durch seinen Glauben die starke ihm anvertraute Kirche.

  1. XXXIV.

    BE(ATAM) ECCL(ESI)AM / DOCET IN / CHR(IST)O c) GLORI/ARI APOS/(TOLUS) / PAVL/US

Übersetzung:

Der Apostel Paulus lehrt die selige Kirche, sich in Christus zu rühmen.

  1. XXXV.

    S(ANCTVS) BARTHOLOMEVS

  1. XXXVI.

    [S(ANCTVS) IACOBVS]

  1. XXXVII.

    S(ANCTVS) SIMON

  1. XXXVIII.

    S(ANCTVS) ANDREAS

  1. XXXIX.

    S(ANCTVS) MATHIAS

  1. XL.

    [S(ANCTVS) IACOBVS]

  1. XLI.

    [ZV]FOR ∙ VERG[– – –]

  1. XLII.

    WORDEN ∙ VON PAP(ST) d) ∙ GRE(GOR)

  1. XLIII.

    + MISERICORDIA ET VERITAS OBVIAVERVNT SIBI

Übersetzung:

Barmherzigkeit und Treue begegnen einander.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ps 84,11.

  1. XLIV.

    SYMEON ZABULON BE(NIAMIN) IVDAS GAD [NEPHTALI]

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ex 1,1-6.

  1. XLV.

    + IVSTICIA ET PAX OCCVLATE SVNT

Übersetzung:

Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ps 84,11.

  1. XLVI.

    [MANA]SSES YSA[CHAR LEUI] IOSEPH [RUBEN ASER]

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ex 1,1-6.

Kommentar

Möglicherweise handelt es sich hier um eine Stiftung Ludwigs des Bayern. Diese Schenkung müsste auf jeden Fall vor seiner Kaiserkrönung im Jahr 1328 erfolgt sein, da er hier als Römischer König (Inschrift XXI) bezeichnet wird2). Spätestens im Jahr 1325 hatte Bischof Nikolaus, der bis dahin auf der Seite Ludwigs stand, die Fronten gewechselt und sich für das päpstliche Lager entschieden3). Der Gesamterhaltungszustand wird als außergewöhnlich gut bewertet, berücksichtigt man das hohe Alter. Allerdings sind die zumeist mit brauner Seide aufgestickten Inschriften zum Teil abgerieben und unleserlich4).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Die Inschriften nach dem Hohenlied 3,9/3,10 gehören in der Reihenfolge XXIV, XXII, XXIII, XXVII und XXIX.
  3. XPO.
  4. Ohne Wortabstand.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. D 1974/89; Hubel, Domschatz 219-229, Farbtafel XV, Abb. 153-155. Die Inschriften konnten zum Teil nur mit den modernen technischen Hilfsmitteln wie Quarzlampen, Infrarotphotographie und orthochromatischen Filmen entziffert und ergänzt werden, vgl. hierzu Hubel, Domschatz 222; Honselmann, Das Rationale der Bischöfe 48 u. Nrn. 4 u. 5 datiert das Regensburger Rationale in die Mitte des 14. Jahrhunderts.
  2. Hubel, Domschatz 227f.
  3. Hausberger, Geschichte I, 191; vgl. hierzu Kat.-Nr. 36: Dieser Seitenwechsel äußerte sich unter anderem in der Aufstellung der Skulptur der Hl. Petronella (Kat.-Nr. 56) in der Domkirche.
  4. Hubel, Domschatz 220.

Nachweise

  1. Kdm Regensburg I, 136ff.; Hubel, Domschatz 220f.

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 51 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0005107.