Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 7† Domkirche, Südchor 1277

Beschreibung

Grabschrift des Bischofs Leo Tundorfer in leoninischen Hexametern. Er war ehemals im Südchor westlich des St. Andreasaltares bestattet. Im Jahre 1630 ließ Bischof Albert IV. von Törring ihm und Bischof Konrad von Luppurg (s. Kat.-Nr. 34) ein neues Denkmal bei dem St. Rupertusaltar setzen. Die Grablege Bischof Leo Tundorfers diente im Jahre 1649 Albert IV. als Bestattungsort; dessen Nachfolger Bischof Wilhelm von Wartenberg übergab die Grabplatte Leos den Karthäusern in Prüll (Stadt Regensburg), wo sie als Altarstein im Kapitelhaus verwendet wurde. Sie ging während der Säkularisation verloren1).

Text nach Zirngibl:

  1. Hac iacet in tumba Praesul Leo, mente columba Nomine, regnea) Leo, sit datus ipse Deo o(biit) in die Margaretae

Übersetzung:

In dieser Tumba liegt Bischof Leo, dem Gemüt nach eine Taube, dem Namen und der Herrschaft nach ein Löwe, er sei Gott selbst gegeben. Er starb am Tag der Hl. Margarete2).

Versmaß: Hexameter, leoninisch gereimt (erster Teil); Hexameter mit fehlendem Fuß (zweiter Teil).

Datum: 1277 Juli 12.

Kommentar

Leo entstammte dem Patriziergeschlecht der Tundorfer, einer der bekanntesten Regensburger Familien, die im Goliathhaus am Watmarkt ihren Wohnsitz hatte. Der Herkunftsort dieser Familie, Tundorf (Gde. Freystadt, Lkr. Neumarkt/Opf.), kann nicht sicher nachgewiesen werden3).

Vermutlich hat Leo in Paris und Bologna studiert, da er in der frühesten urkundlichen Erwähnung aus dem Jahr 1252 den Titel eines Magisters führte4). Im selben Jahr ist er auch als Kanonikus der Alten Kapelle und der Domkirche belegt. 1253 erhielt er zudem ein Kanonikat im Domkapitel Passau, das er wohl bis in das Jahr 1268 innehatte. Bischof Albert II. ernannte ihn noch während seiner kurzen Amtszeit (1260-1262) zum Domdekan.

Nach dem Verzicht Alberts II. auf die Bischofswürde wählte das Domkapitel im Mai des Jahres 1262 einstimmig Leo Tundorfer als neuen Bischof. Mit ihm stand erstmals ein Mitglied des Stadtadels der Freien Reichsstadt dem Bistum vor. Die päpstliche Zustimmung seiner Wahl traf noch im selben Monat ein, seine Konsekration geschah vor dem 30. Juli5).

Nicht nur der Neubau des gotischen Domes – der große Brand im Jahre 1273 hatte fast den gesamten Vorgängerbau vernichtet – , den Bischof Leo vehement vorantrieb, prägten seine Amtszeit6). Er zeichnete sich ebenfalls durch seine Vermittlertätigkeit in der großen Reichspolitik im Streit zwischen König Ottokar II. von Böhmen und dem bayerischen Herzog Heinrich XIII. aus7).

Neben der Reichspolitik in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bestimmten zwei große kirchliche Ereignisse das Episkopat Leo Tundorfers: Die Reformsynode zu Wien im Jahre 1267 und das Zweite Konzil von Lyon im Jahr 1274. An beiden bedeutenden Zusammenkünften war der Regensburger Bischof maßgeblich beteiligt8).

Die zeitraubenden Aktivitäten in der Reichs- und Kirchenpolitik hielten den Oberhirten nicht ab, in seinem Bistum mit großem Reformeifer Ordnung zu schaffen. So versuchte er im Exemptionsstreit mit dem Kloster Emmeram zu schlichten, stattete das Katharinenspital großzügig mit Vergaben aus, förderte die beiden Bettelorden, die Dominikaner und die Minoriten, das Chorherrenstift St. Johann und die Dominkanerinnen und die Klarissinnen9).

Im Juli des Jahres 1277 starb Leo Tundorfer in Wien. Sein Leichnam wurde nach Regensburg überführt, zunächst in die Kirche St. Emmeram. Bestattet wurde er im Dom im Südchor bei dem von ihm konsekrierten Altar des Hl. Andreas, wo ein Glasfenster sein Bildnis und sein Wappen zeigt (s. Kat.-Nr. 23). Das Wappen der Tundorfer am Obergeschoß eines Strebepfeilers am äußeren Chorhaupt der Kathedrale zeugt heute noch von seinen Leistungen für den Neubau des gotischen Domes10).

Leo Tundorfer war der erste Regensburger Bischof, der auf seinen Siegeln das Wappen des Hochstifts, einen silbernen Schrägbalken in Rot, verwendete11).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Cranner 48 überliefert im Jahre 1794: alles Nachsuchen, diese Grabschrift ausfindig zu machen, war fruchtlos; Schuegraf, Dom I, 83f.; Schuegraf, Dom II, 1; Freytag/Hecht 32, 51; Hausberger, Geschichte I, 134; ders., Grablegen 371 f.; Mai, Bischof Leo Tundorfer 95.
  2. Vgl. hierzu Paricius, Nachricht 93: Hier liegt der Bischof Löw im Staub, Der war im Gmüth gleichwie ein Taub: Er hieß Löw, hatt´ einem Löwen-Muth, Jetz und ist er in Gottes Hut.
  3. Mai, Bischof Leo Tundorfer 73; Leo Tundorfer führte zudem den Namen Notangst. Ein angesehenes Mitglied der Familie Tundorfer sollte den Ausspruch „Not und Angst“ gemacht haben, der dann zum Namen aufgenommen wurde. Hierfür fehlen aber jegliche Belege. Zu Herkunft und Biographie vgl. Schuegraf, Dom I, 71ff.; der Name Notangst findet sich auf der Gedenkinschrift des Bischofs Albert von Törring für Leo Tundorfer; vgl. hierzu Zirngibl, Epitaphia 8: ...d(omini) Leoni Notangst, dicto Tundorfer; Leoprechting, 13: Leo Notangst Thunndorfer genant; ebenda 69.
  4. Mai, Bischof Leo Tundorfer 72; Die biographischen Daten sind zusammengefasst nach: Paul Mai, Leo Tundorfer, Bischof von Regensburg, in: NDB 14, 239f. und Paul Mai, Leo Tundorfer. Bischof von Regensburg (1262-1277), in: BGBR 23/24 (1989/1990) 168-182; vgl. auch Hausberger, Bischöfe (Leo Tundorfer) 627.
  5. Bernclau, Episcopatus 34f.; Leoprechting 69: Decanus et can(onicus) a(nn)o 1240; Mai, Bischof Leo Tundorfer 76f.
  6. Schuegraf, Dom II, 81ff.; Kdm Regensburg I, 44; Hubel/Schuller, Dom 12f.; Mai, Bischof Leo Tundorfer 74.
  7. Hierzu ausführlich: Mai, Bischof Leo Tundorfer 77-84; Hausberger, Geschichte I, 132.
  8. Mai, Bischof Leo Tundorfer 93-95; Hausberger, Geschichte I, 134.
  9. Mai, Bischof Leo Tundorfer 88ff.; Hausberger, Geschichte I, 132ff.
  10. Schuegraf, Dom I, 83f.; Janner, Bischöfe II, 560f.; Kdm Regensburg I, 44, 63; Mai, Bischof Leo Tundorfer 69; ders.; Bruderschaften und Benefizien 413.
  11. Primbs, Jahr- und Totenbuch 261f.: Sein Jahrtag wurde bei den Minoriten am 12. Juli gefeiert; zum Wappen: Ebenda, 266f.; vgl. hierzu auch Janner, Bischöfe II, 562; Heydenreuter, Die Wappen der süddeutschen Hochstifte 130f.; Wappen der Familie Tundorfer s. Urbanek, Wappen 122f.: In Rot silberne Lilie mit goldenen Rosen.

Nachweise

  1. Paricius, Nachricht 93; Zirngibl, Epitaphia 1, 8; Ried, Collectio 1r; Cranner 48; Hund, Metropolis Salisburgensis 72; Oefele I, 208; Sammlung Resch VII, Blatt 16, 37; Schuegraf, Dom I, 84, 71, 96; Sammlung Heckenstaller 298; Niedermayer, Künstler und Kunstwerke 92; Janner, Bischöfe II, 476; Zahn, Dom 25.

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 7† (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0000709.