Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 109 Kreuzgang, Mittelhalle, Westseite, 4. Joch 1396 (?)

Beschreibung

Grabplatte des Petrus von Remago aus Kalkstein, ehemals in der Stephanskapelle vermutlich im Boden eingelassen1). Die Grabplatte ist heute an der Westwand der Mittelhalle quer an der Wand aufgestellt2). Die Umschrift auf erhöhtem Rand beginnt oben links und endet an der unteren linken Längsseite. Im oberen Drittel der rechten Längsseite weist sie einen großen Leerraum auf; der Domherr hatte die Grabplatte zu seinen Lebzeiten in Auftrag gegeben, die minderen Daten hat man nach seinem Tode nicht mehr nachgetragen3). Fast die ganze linke Längsseite ist ebenfalls ohne Inschrift. Im vertieften Feld unter gedrücktem Kielbogen, der mit Kreuzblume und Maßwerk verziert ist, auf einem mit Quasten gezierten Kissen ruhend, die Gestalt des Kanonikers, bekleidet mit Chorgewand und kurzer Almucia, im Viertelrelief. In seiner Rechten hält er den Kelch, in der Linken ein Buch. Seine Füße stehen auf zwei Hündchen, die auch den Wappenschild halten. Bei der gedrungen wirkenden Gestalt des Domkanonikers handelt es sich um eine frühe Art einer wirklichkeitsgetreuen Darstellung4). Die Grabplatte ist abgetreten, die Inschrift jedoch gut lesbar.

Maße: H. 236 cm, B. 110 cm, Bu. 11,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. + anno ∙ d(omi)ni ∙ M ∙ / ccc 〈– – –〉 d(omi)n(u)s ∙ petrvs ∙ de ∙ remago ∙ / cano(n)icvs ∙ ecc(les)ie / ∙ rat(isbonensis) ∙ a)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 13.. (starb) Herr Petrus von Remago, Domherr der Regensburger Kirche.

Datum: nach 1396 April 165).

Wappen:
Remago6).

Kommentar

Petrus von Remago stammt wahrscheinlich aus Niederösterreich und wird im Jahre 1363 erstmals als Kanonikus des Stiftes von St. Johann genannt. Im Jahre 1382 erhielt er das Amt des Sammlers der päpstlichen Kammergefälle für fast ganz Deutschland7). Am 9. Februar 1391 wurde er Domherr und Generalvikar der Diözese Regensburg8).

Bischof Johannes von Moosburg (s. Kat.-Nr. 129) setzte ihn als obersten Dombaumeister und Verwalter der Domfabrikkasse ein9). Nicht nur der Dombau, um den er sich große Verdienste erworben hatte, sondern wohl auch das aufwendige Leben des Bischofs erforderten hohe Geldsummen, die der Domherr zu beschaffen hatte. So besteuerte Petrus von Remago nicht nur den Klerus der Diözese, er trieb auch alle Außenstände des Hochstiftes ein und hielt Sammlungen mit Ablassbriefen ab. Als diese Quellen aufgebraucht waren, fiel er in Ungnade bei Bischof Johannes, wurde gestürzt, verhaftet und sein Vermögen eingezogen. Ende Februar 1394 wandte er sich an den Papst um Hilfe und beklagte sich über seine Gefangensetzung und Folterung sowie die Plünderung und Besetzung seines Hauses in der Schäffnerstraße, aber offensichtlich ohne Erfolg10).

Nach all diesen Vorkommnissen hat er wohl Regensburg verlassen. Im Sommersemester 1394 finden wir ihn als „canonicus Ratisbonensis“ an der Universität Wien immatrikuliert11). Am 25. August 1394 weilt der Domherr in St. Pölten (NÖ.) und bestellt Prokuratoren für seinen Prozess gegen Bischof Johann12). In einer weiteren Urkunde vom 2. Januar 1395 wird er als verstorben bezeichnet, erscheint aber am 16. April 1396 bei der Bestätigung eines Ämtertausches um die Prepositur der Alten Kapelle13). Daher muss nach wie vor sein genaues Todesdatum offen bleiben.

Er stiftete für St. Johann zwei Kaplaneien und eine reich dotierte Ewigmesse auf den Altar der Stephanskapelle, seinen Begräbnisort14).

Textkritischer Apparat

  1. Die Trennzeichen sind Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Oefele I, 215; Schuegraf, Dom II, 95; Freytag/Hecht 40.
  2. Freytag/Hecht 40; Kdm Regensburg I, 170f.
  3. Schuegraf, Dom I, 147, Anm. 110; Janner, Bischöfe III, 345; Hausberger, Geschichte I, 202f.
  4. Hubel, Mittelalterliche Plastik in Kreuzgang und Kapitelhaus 57.
  5. Mai, St. Johann 19 und Güntner, Dekane und Kanoniker 72 nennen als Todesjahr 1394 (laut Urkunde 482), anders Mai, Die Regensburger Kirche im Spätmittelalter 70: 1395; Schuegraf; Dom I, 147: 1400 (Domkapitelinisches Registraturbuch von 1585); Bernclau, Episcopatus 354: 1400.
  6. Adeliges Familienwappen, vgl. Schuegraf, Dom I, 148, Abb. V im Anhang: geteilter Schild, oben drei Jakobsmuscheln.
  7. Janner, Bischöfe III, 343; Güntner, Dekane und Kanoniker 72.
  8. Bernclau, Episcopatus 354: 9. Februar 1391; so auch Leoprechting 84; Güntner, Dekane und Kanoniker 72: 1390; Mai, Verzeichnis 1214: 1384.
  9. Hubel, Regensburger Dombauhütte 24; Mai, Die Regensburger Kirche im Spätmittelalter 70.
  10. Thiel, Urkunden St. Johann Nr. 475 (Supplik an Papst Bonifaz IX); vgl. auch Schuegraf, Dom I, 142-149; Janner, Bischöfe III, 335; Kdm Regensburg I, 46; Mai, St. Johann in Regensburg 19; Güntner, Dekane und Kanoniker 72.
  11. Matrikel der Universität Wien I, 43: Immatrikulation am 14. April.
  12. Thiel, Urkunden St. Johann Nr. 479.
  13. Ebenda, Nr. 479; RG 2, 2, Sp. 589.
  14. Thiel, Urkunden St. Johann Nrn. 466, 472; Schuegraf, Dom I, 147; Güntner, Dekane und Kanoniker 72; Mai, Bruderschaften und Benefizien 402f., vermutlich kam diese Stiftung den Acht Bruderschaften zugute.

Nachweise

  1. Sammlung Heckenstaller 372; Schuegraf, Dom I, Anhang, Abb. V; Hubel, Mittelalterliche Plastik in Kreuzgang und Kapitelhaus 57 (Abb. 6); Güntner, Dekane und Kanoniker 131; Kdm Regensburg I, 170f. (Abb. 105).

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 109 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0010905.