Inschriftenkatalog: Regensburger Dom (I)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 74: Inschriften des Regensburger Doms (I) (2008)

Nr. 36 Domkirche, Hauptchor, Chorschluss, Mitte, unteres Fenster (Chorfenster I) um 1315

Beschreibung

Das sogenannte Bischof-Nikolaus-Fenster besteht aus vier Bahnen mit jeweils vier Zeilen, Kopfscheiben und Maßwerk im Spitzbogen1). In der linken Scheibe der ersten Zeile befindet sich die Inschrift I rechts neben dem knienden Stifter, links ein Schriftband mit einer weiteren Inschrift (Inschrift II). In der linken Scheibe der zweiten Zeile auf einem Band hinter der Heiligenfigur die Inschrift III, in der zweiten und dritten Scheibe die Inschriften IV und V jeweils im Nimbus. In der vierten Scheibe auf einem hinter der Heiligenfigur laufenden Band die Inschrift VI. In der dritten Zeile tragen die beiden äußeren Scheiben jeweils auf einem Schriftband die Inschriften VII und VIII. In der rechten Scheibe der vierten Zeile befindet sich die Inschrift IX auf einem Spruchband, ebenso die Inschrift X in der zweiten Kopfscheibe. Im Scheitel des Maßwerks ein Vierpass mit Christus am Astkreuz, über seinem Haupt ein Titulus mit der Inschrift XI.

Text nach Photomaterial CVMA, Ergänzungen nach Text Fritzsche, Glasmalereien:

Maße: H. ca. 7,3 m, B. ca. 4,35 m.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. I.

    NICOLAVS E(PISCOPVS)

  2. II.

    O ∙ PETRE ∙ PETRA ∙ DEI ∙ TV ∙ MISERE(RE) ∙ MEI ·

  3. III.

    ∙ S(ANCTA) ∙ WALP//VRGISa)

  4. IV.

    S(ANCTVS) WILLI//[BA]LDVS b)

  5. V.

    S(ANCTVS) ∙ WVNNI ∙ BALDVS

  6. VI.

    ∙ S(ANCTVS) ∙ SO//L[A] a)

  7. VII.

    S(ANCTVS) ∙ MART//INVS a)

  8. VIII.

    ∙ S(ANCTVS) ∙ NICO//LAVS a)

  9. IX.

    AVE ∙ GRACIA ∙ PLE[NA – – – c)

  10. X.

    GL(ORI)A ∙ IN EXCELSIS ∙ DEO

  11. XI.

    ∙ I ∙ N ∙ R ∙ I ∙ d)

Übersetzung:

O Petrus, Fels Gottes, erbarme dich meiner. (II)

Gegrüßet seist du, voll der Gnade. (IX)

Ruhm sei Gott in der Höhe. (X)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Lc 1,28; (IX) Lc 2,14. (X)

Versmaß: Pentameter, leoninisch gereimt. (II)

Kommentar

Am 19. März 1313 wählte das Kapitel den aus Ybbs an der Donau (Pol. Bez. Melk, NÖ.) stammenden Nikolaus, Domherrn von Regensburg, Thesaurar und Domherrn von Eichstätt und Magister der Rechte, einstimmig zum Bischof von Regensburg. Am 4. April erfolgte die Bestätigung seiner Wahl durch Erzbischof Weichart von Salzburg und am 9. Oktober durch Papst Clemens V.; Nikolaus war der erste Bischof bürgerlicher Herkunft und verdankte seine Wahl wohl nicht nur seiner ausgezeichneten Ausbildung, sondern auch seinen sehr guten Beziehungen zum kaiserlichen Hof. Ab 1306 ist seine Tätigkeit als Schreiber in der Reichskanzlei nachzuweisen; unter König Heinrich VII. von Luxemburg war er königlicher Notar. Während des Italienzuges Heinrichs übernahm er als Protonotar und Sekretär die Leitung der Kanzlei des Reichsverwesers Johann von Böhmen. Als nach der Doppelwahl Friedrichs von Österreich und Ludwigs IV. von Bayern letzterer als Sieger hervorging, huldigten sowohl der neu erwählte Bischof als auch Abordnungen der Stadt Regensburg dem König2).

Die äußerst turbulente Amtszeit war geprägt von einer Vielzahl von reichspolitischen, regionalen und innerstädtischen Ereignissen, von denen im Folgenden vor allem die Entscheidungen des Bischofs zusammengefasst werden sollen, die die Stadt Regensburg, das Bistum und die Domkirche betreffen3).

Die Doppelwahl und der dadurch ausgelöste Thronstreit zwischen Ludwig IV. von Bayern und Friedrich dem Schönen von Österreich im Jahr 1314 und die Auseinandersetzungen mit dem avignonesischen Papsttum hatten auch Folgen für die Reichsstadt. Nikolaus entschied sich, Partei für Ludwig IV. zu ergreifen. Bevor 1322 in der Schlacht bei Mühldorf Ludwig als Sieger hervorging, verwüsten die Truppen Friedrichs von Österreich im Jahre 1319 das Land außerhalb der Regensburger Stadtmauern. Nachdem der Papst den Kirchenbann über Ludwig ausgesprochen hatte, schwor Nikolaus im Januar 1325, mit Herzog Ludwig keine Gemeinsamkeit mehr zu haben. Jedoch verweigert der Bischof 1325 gemeinsam mit dem Klerus eine von Papst Johannes XXII. auferlegte Sondersteuer an den Metropoliten von Salzburg zur Verbesserung dessen zerrütteter finanzieller Verhältnisse. Dafür wurden Suspension und Interdikt verhängt, das 1327 aufgehoben und die Zahlungen der Steuerschuld gemindert wurde.

Auch die Beziehungen zwischen der Reichstadt und dem Bischof verliefen sehr problematisch. Die Anklagen des Bischofs wegen Verletzung des kirchlichen Asylrechtes, wegen der Beschädigung einiger Kanonikalhöfe und Zerstörung einer hochstiftischen Mühle anlässlich der Erneuerung der Stadtbefestigung, wegen Ratsbeschlüssen, die dem Klerus abträglich waren, führten zur Exkommunikation einzelner Räte und Bürger und schließlich zum Interdikt über die Stadt im Jahre 13214).

Reform- und Erneuerungswillen zeigte Bischof Nikolaus im Zusammenhang mit den Regensburger Stiften und Klöstern. Auch die marode finanzielle Situation des Bistums, die er von seinem Vorgänger übernommen hatte, galt es zu sanieren. So konnte er die verpfändete Herrschaft Donaustauf (Lkr. Regensburg) und das Ottokarkreuz (s. Kat.-Nr. 8), eines der kostbarsten Stücke des Domschatzes, wieder einlösen5).

Bischof Nikolaus trieb in seiner Amtszeit den Dombau mächtig voran. Er stattete den Frauenaltar mit einem Grundvermögen von 16 Pfund Pfennigen aus den Einkünften der Pfarrei Kirchberg aus6). Die älteste noch erhaltene Glocke des Domes, die Marien- oder Frauenglocke, später Predigerglocke, zählt ebenfalls zu seinen Stiftungen (s. Kat.-Nr. 60)7).

Auch dieses Fenster in der Mittelachse des Hauptchores geht auf Bischof Nikolaus zurück, der sich selbst als Stifter darstellen ließ. Da er vor seiner Berufung Kanoniker und Kustos in Eichstätt war, dürfte dies wohl der Grund sein für die Darstellung der vier Eichstätter Bistumspatrone Willibald, Wunibald, Walburga und Sola. Er starb am 10. Oktober 1340 und wurde im Chor der Benediktinerkirche Oberalteich (Gde. Bogen, Lkr. Straubing-Bogen) bestattet8).

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren im Gegensatz zum jetzigen Zustand die Stifterfigur des Bischofs und die dazugehörende Inschrift noch intakt und gut lesbar9).

Bei einer Restaurierung im Jahr 1840 sind Umstellungen einzelner Scheiben vorgenommen worden, die zum Teil heute noch stören10).

Textkritischer Apparat

  1. Durch die Heiligengestalt unterbrochen.
  2. Durch die Mitra unterbrochen.
  3. Der Rest des Schriftbandes ist verloren und ersetzt.
  4. Sehr schlecht erhalten, die ersten zwei Buchstaben sind nur noch fragmentarisch vorhanden.

Anmerkungen

  1. Fritzsche, Glasmalereien 31-44 (Abb. 22-48) mit Zusammenfassung der älteren Literatur; Hubel, Glasmalereien 2002, 20.
  2. Biographische Daten zusammengefasst nach Janner, Bischöfe III, 137-208; Popp, Nikolaus v. Ybbs 30ff.; Hausberger, Geschichte I, 190 ff. und ders., Bischöfe (Nikolaus v. Ybbs) 629. Zu seiner Ernennung s. Morenz Ludwig, Magister Nikolaus von Ybbs. Sein Werdegang als Notar der Reichskanzlei und als Protonotar der böhmischen Kanzlei bis zu seiner Wahl zum Bischof von Regensburg im Jahr 1313, in: VHVO 98 (1957), 257-263.
  3. Hubel/Schuller, Dom 42 f. (Abb. 33).
  4. Popp, Bischof Nikolaus 198f.; Frauenknecht, Der Bischof und die Stadt 700.
  5. Hausberger, Bischöfe (Nikolaus von Ybbs) 631; Popp, Bischof Nikolaus 203.
  6. Mai, Bruderschaften und Benefizien 414.
  7. Popp, Bischof Nikolaus 201ff.
  8. Leoprechting 36; Oefele I, 211; Cranner 50; Freytag/Hecht 47; Hausberger, Geschichte I, 194; ders., Grablegen 372. Zum Todesdatum vgl. Paricius, Nachricht 29: 1341; Janner, Bischöfe III, 208; Hausberger, Geschichte I, 194 und Popp, Bischof Nikolaus 204: 10. Oktober. Das Grabdenkmal Bischof Nikolaus in Oberaltaich ist heute nicht mehr vorhanden, vgl. Kdm 20 (Bezirksamt Bogen), 275. Die Inschrift ist überliefert bei Zirngibl, Epitaphia 1, Ried, Collectio 2v und Cranner 50; Text nach Cranner: anno domini M CCC XL VI id(ib)us octobris Dominus Nicolaus ratisbonensis episcopus.
  9. Mayer A., Thesaurus Novus IV, 1793, Praefamen editoris.
  10. Schuegraf, Dom I, 215f. (Anm. 216, 218); Fritzsche, Glasmalereien 32.

Nachweise

  1. Schuegraf, Dom I, 106 (Inschrift I, II); Sammlung Resch VII, Blatt 21; Walderdorff, Regensburg 151 (Inschrift III); Elsen, Dom 14 (Inschrift I, II); Hubel, Glasmalereien 1981, Farbtafeln 18, 19 (Inschriften VIII, IX); Fritzsche, Glasmalereien 36-40, 43 (Abb. 23-28, 34, 36, 44).

Zitierhinweis:
DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Nr. 36 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di074m013k0003600.