Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 218(†) Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1604

Beschreibung

Sargtafel des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden-Durlach. Vermutlich im Innern des Sarges, der am 30. April 1604 im Chor in eine aus Backsteinen gemauerte Einzelgruft hinabgesenkt worden ist. Tafel aus Zinn mit eingravierter Inschrift. Gestaltung im einzelnen nicht überliefert.

Inschrift und Beschreibung nach Ernst.

  1. Illustrissimus ac clementissimus princeps ac dominus, dominus Ernestus Fridericus, marchio Badensis et Hachpergensis, natus anno 1560 die 17. octobris Mülburgi1) ac regnare coepit octuagesimo quinto anno ultimo die ianuarii, pie in Christo obdormiuit 14. aprilis anno 1604, resurecturus in novissimo die cum omnibus Christi fidelibus ad salutem aeternam.

Übersetzung:

Der durchlauchtigste und gnädigste Fürst und Herr, Herr Ernst Friedrich, Markgraf von Baden und Hachberg, wurde geboren im Jahr 1560 am 17. Oktober zu Mühlburg und begann zu regieren im 85. Jahr, am letzten Tag des Januar; er entschlief fromm in Christus am 14. April im Jahr 1604, er wird am Jüngsten Tag zusammen mit allen Christgläubigen zum ewigen Heil auferstehen.

Kommentar

Ernst Friedrich war der älteste der drei Söhne Karls II. (reg. 1552–1577) aus dessen zweiter Ehe mit Anna von Pfalz-Veldenz2. Er war mit Anna Gräfin von Ostfriesland (1562–1621), der Witwe des lutherischen Kurfürsten Ludwig VI. von der Pfalz († 1583), vermählt und blieb kinderlos3. Die vormundschaftliche Regierung unter Führung der Mutter endete 1584/85 mit der Erbteilung des Landes durch die drei Brüder, die dann auch konfessionell getrennte Wege einschlugen. Während Markgraf Jakob III. (1562–1590)4 in seinem Todesjahr zum Katholizismus übertrat und Georg Friedrich (1573–1638) an der lutherischen Konfession seines Vaters festhielt, neigte Ernst Friedrich schon früh der reformierten Lehre zu und vollzog die Wendung zum Reformiertentum mit der Veröffentlichung des sog. „Stafforter Buches“ im Jahre 15995. Da diese Wendung die Entlassung ihrer lutherischen Pfarrer nach sich zog, protestierte die Stadt Pforzheim mit der Forderung nach deren Wiedereinsetzung. Eine Bürgerversammlung auf dem Pforzheimer Marktplatz am 11. September 1601 machte mit einem Bürgereid deutlich, daß die Stadt die Religionsfrage „am Landesherrn vorbei in Unmittelbarkeit zu Gott“ zu entscheiden gedachte6. Ernst Friedrich entschloß sich angeblich erst nach langem Zögern dazu, die renitente Stadt zu disziplinieren. Er soll – nach Aussage der älteren Forschung7 – am 14. April 1604 von Durlach aus eine militärische Aktion gegen Pforzheim unternommen haben, aber auf halbem Wege – in Remchingen (Enzkreis) – an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben sein. Dieser Todesfall ist in der zeitgenössischen Berichterstattung als Gottesurteil gewertet worden.

Neu entdeckte Quellenaussagen über Ernst Friedrichs Tod – so ein Bericht über sein Sterben, verfaßt von dem reformierten Durlacher Superintendenten Johann Christoph Flurer8, und die Leichenpredigt9 des ungenannten lutherischen Hofpredigers anläßlich der Beisetzung in Pforzheim – machen wahrscheinlich, daß die letzten Tage und Stunden des Markgrafen einen anderen Verlauf nahmen, als es in der tendenziös gefärbten Forschung des 19. Jahrhunderts dargestellt wurde. Zwar wird der Sterbeort nicht ausdrücklich genannt, doch ist zu vermuten, daß der Markgraf sich in Durlach befand, als er den Tod nahen fühlte und am 13. April den Prediger Flurer zu sich rufen ließ. Jedenfalls starb er erst gegen Morgen des folgenden Tages – doch wohl im Durlacher Schloß – im Beisein seiner Familie und mehrerer Vertreter des Hofes.

Die Schilderung des Begräbnisses ist einem Reisebericht des Niederländers Ernst Brinck (geb. um 1580/83, † 1649) zu verdanken10. Danach wurde der Leichnam einbalsamiert und sechzehn Tage lang in der Durlacher Schloßkapelle in einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Holzsarg aufgebahrt. Zur Linken des Toten legte man ihm seinen Degen und die Sargtafel mit der hier wiedergegeben Inschrift bei. Die Sargtafel soll aus Zinn gewesen sein11. Dann wurde der Sarg in einen Bleisarg gestellt, rundum verlötet und von einem zweiten Holzsarg umgeben. Am Tag des Begräbnisses, dem 30. April 1604, wurde der Sarg auf einem von sechs Pferden gezogenen Wagen nach Pforzheim überführt, wobei ihm vierhundert Reiter das Geleit gaben. Der Trauerzug unter Führung des Markgrafen Georg Friedrich zog dort vom „äußersten Stadttor“ bis zur Schloßkirche. Nach der Leichenpredigt wurde der Sarg „in die aus Backsteinen gemauerte Gruft hinabgesenkt“; die „mitgeführten Fahnen“12 wurden auf das Grab gesteckt.

Die Schilderung von Brinck ist für die Geschichte der Pforzheimer Markgrafen-Grablege von Bedeutung, weil sie beweist, daß auch Markgraf Ernst Friedrich 1604 nicht in der sog. Alten Gruft unter der Reuchlin-Kapelle beigesetzt wurde13. Vielmehr spricht alles für eine Bestattung in einer individuellen, aus Backsteinen ausgemauerten und gewölbten Einzelgruft, die nach Auffüllung des Bodens durch eine schlichte Grabplatte im Chorboden gekennzeichnet wurde. Diese Grabplatte aus Sandstein ist noch in situ erhalten14. Die Funktion der Sargtafel bleibt unklar. Zunächst diente sie bei der öffentlichen Aufbahrung als Medium der Identifizierung, also quasi als Epitaph. Dann wurde sie entweder im Sarg verschlossen oder dem Sarg außen aufgeheftet. In jedem Fall war sie hier nach der Beisetzung des Sarges in einer Einzelgruft für die Mit- und Nachwelt unsichtbar. Ähnliche Sargtafeln sind auch für die Grablege der Kurfürsten von der Pfalz in Heidelberg sowie für Mitglieder des bayerischen Herrscherhauses in München überliefert15. Ihr Text enthält nur knappe Angaben zu den Lebensdaten, keine vollständige Titulatur des Fürsten, aber eine Schlußformel frommer Glaubensgewißheit. Die hier zugehörige Grabplatte aus Stein wirkt im Vergleich mit den übrigen Grabplatten der Markgrafenfamilie als Provisorium, denn sie trägt nur die Initialen des Fürsten. Eine ausführliche Laudatio des Fürsten war der Inschrift auf dem monumentalen Grabdenkmal vorbehalten, das Ernst Friedrichs Nachfolger Georg Friedrich seinen beiden älteren Brüdern errichten ließ16.

Anmerkungen

  1. So für Mühlburg (abgegangenes Schloß bei Karlsruhe).
  2. Zur Genealogie vgl. Europäische Stammtafeln I,2, Taf. 270. Zur Biographie vgl. NDB 4 (1959) 606f. (Vf. Friedrich Wielandt); Baumann, Ernst Friedrich von Baden-Durlach 1962.
  3. Kurfürst Ludwig VI. war in seiner ersten Ehe mit Elisabeth († 1583), Tochter des Landgrafen Philipp von Hessen, vermählt. Anna heiratete 1617 in dritter Ehe den lutherischen Herzog Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg und starb 1621.
  4. Vgl. nr. 220.
  5. Zur Konfessionspolitik Ernst Friedrichs vgl. Vierordt, Geschichte der evangelischen Kirche in dem Großherzogtum Baden, Bd. 2, Karlsruhe 1856, 29–41; Merkel, Geschichte des evangelischen Bekenntnisses in Baden 1960, 101–117; Baumann, Ernst Friedrich von Baden-Durlach 1962, passim.
  6. Merkel (wie Anm. 5) 115–117 mit Abdruck der Eidesformel der Pforzheimer. Leppin, Volker, Der Kampf des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden um sein Bekenntnis und der Widerstand aus Pforzheim. In: Reformierte Spuren in Baden 2001, 52–67; hier 62; ders., Eine Stadt im Aufruhr. Der Pforzheimer Widerstand gegen die Calvinisierung durch Markgraf Ernst Friedrich von Baden, 1601–1604. In: Ängste und Auswege 2001, 201–217.
  7. Vgl. Pflüger 1862, 365–374; Baumann, Ernst Friedrich von Baden-Durlach 1962, 171–174.
  8. Es ist das Verdienst von Albrecht Ernst, diese Quellen aufgespürt oder erstmals ausgewertet zu haben. – Flurers Bericht ist einer in Amberg 1604 gedruckten Veröffentlichung des „Stafforter Bekenntnisses“ Ernst Friedrichs beigefügt; Marburg, Universitätsbibliothek, Signatur VII eB 446-dm. Abdruck von Flurers Bericht bei Ernst, ebd. 72–82. Johann Christoph Flurer (1565-um 1633), 1600–1604 Superintendent in Durlach, 1604–1616 Pfarrer und Inspektor in Simmern, 1616 Pfarrer in Sobernheim; vgl. ebd. 69 Anm. 7.
  9. Stuttgart, HStA A 99 Bü 35. Abdruck bei Ernst, ebd. 82–86.
  10. Auswertung ebenfalls bei Ernst, ebd. 71f.
  11. Möglich wäre auch Kupfer als Material in Analogie zu der 1946 geborgenen und inzwischen wieder verschollenen Sargtafel des Markgrafen Friedrich V. († 1659).
  12. Nach Brinck trug ein Herr von Fleckenstein eine schwarze Damastfahne, die einerseits mit dem badischen Wappen, andererseits mit den Wappen von Sponheim, Eberstein und Mahlberg bemalt war. Die Verwendung von Funeralfahnen bei fürstlichen Begräbnissen ist schon seit dem 14. Jahrhundert bezeugt, jedoch sind solche Fahnen wegen ihres vergänglichen Materials (meist Seide) nur selten auf uns gekommen. Ein Exemplar von 1645 ist in Schloß Weikersheim erhalten; vgl. DI 54 (Mergentheim) nr. 496. Zum Begriff und zur Verwendung bei Trauerzeremonien vgl. RDK VI (1973) Sp. 1060–1168; hier 1126–1130 (Vf. Ottfried Neubecker).
  13. Zur Geschichte der Gruft vgl. Einl. Kap. 3. 3.
  14. Vgl. nr. 219.
  15. Ein frühes Beispiel ist eine Bleitafel vom Sarg des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz († 1576); vgl. DI 12 (Heidelberg) nr. 339.
  16. Vgl. nr. 220.

Nachweise

  1. Harderwiek (Niederlande), Oud Archief, Inv. Nr. 2048, Brinck, Ernst, Itinerarium Germanicum, Gallicum et Subaudicum, Belgicum et Anglicum. 1604.
  2. Ernst, Albrecht, Leben und Tod des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden-Durlach (1560–1604) in zeitgenössischen Dokumenten. In: Reformierte Spuren in Baden 2001, 68–86; bes. 71 (Wortlaut der Inschrift).

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 218(†) (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0021801.