Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 212 Osterode, St. Jacobi 1650

Beschreibung

Sarg für Bodo von Hodenberg. Holz. Fragmente, mit Draht auf eine papierbespannte Holzplatte geheftet. Fragment I zeigt am oberen Rand das untere Drittel eines schmalen Kranzes, der möglicherweise ein Wappen enthielt. Darunter der Name, der der leicht geschwungenen, originalen unteren Kante des Stücks folgt. Das (vermutlich nachträglich) in zwei Teile zerbrochene Fragment II enthält den Schluss des Sterbevermerks. Die vertieften Buchstaben waren ursprünglich ausgefüllt. Die 1951 bei einer Grabung im Chor gefundenen Fragmente wurden zunächst in einer Ausstellung im südlichen Anbau gezeigt, der heute eine kleine Kapelle beherbergt.1) Im Jahr 2018 wurden sie in einem neu eingerichteten Ausstellungsraum im Turmobergeschoss aufbewahrt.

Maße: H.: ca. 11,5 cm (I), 16 cm (II); B.: 50 cm (I), 48,5 cm (II); Bu.: 3–3,5 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. I

    BODO VON HODEN[B– – –]

  2. II

    [– – –] OBIIT ANNO 1650 [2– – –] / VIXIT A(NN)OS 46 MENSES 5 / DIES 17 .

Übersetzung:

Bodo von Hodenberg (…) starb im Jahr 1650 (…). Er lebte 46 Jahre, 5 Monate und 17 Tage.

Kommentar

Bodo von Hodenberg (1604–1650) entstammte einer nicht-ebenbürtigen Verbindung des lüneburgischen Adeligen Marquard von Hodenberg (1563–1629) und der Margarete Münnich. Am 1. August 1628 wurde er vom Kaiser legitimiert.2) Nach Besuch der Schulen im Kloster Möllenbeck (Lkr. Schaumburg) und in Hannover studierte er von 1617 bis 1620 an der Universität Gießen. Am 2. April 1622 nahm er seine Universitätsbildung in Helmstedt wieder auf. 1623 disputierte er in der juristischen Fakultät.3) 1626 wurde er in Marburg immatrikuliert4) und kehrte 1628 zu seinem Vater zurück, der von 1623 bis 1629 Landdrost von Grubenhagen war. 1630 trat Bodo von Hodenberg in das Regiment des Grafen Holk ein, der von protestantischer (dänischer) auf die kaiserliche Seite gewechselt war. Doch schon im Jahr darauf wurde er zum Residenten des Herzogs Christian von Celle bei der schwedischen Armee ernannt.5) In den folgenden Jahren nahm er immer wieder, teils allein, teils zusammen mit den wichtigsten Vertretern der drei Linien des Welfenhauses (Thomas Grote, Heinrich Langenbeck u. a.), diplomatische Missionen zum schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna (1632/35), zu den Generalen Banér (1639/40) und Torstensson (1645/46), nach Schweden selbst (1642/44) oder nach Kassel (1643) wahr.6) 1636/37 war er kurzzeitig Rat in der grubenhagenschen Kanzlei in Osterode, ab Mai 1638 gehörte er – von Seiten Herzog Friedrichs von Celle delegiert –, zu einem in Hildesheim gebildeten Gesamtrat des welfischen Hauses. 1640/41 begleitete er die ältesten Söhne Herzog Georgs von Calenberg, Christian Ludwig und Georg Wilhelm, zeitweise auf ihrer Grand Tour; in den Niederlanden, wo Georg Wilhelm in Utrecht studierte, war er ihr Hofmeister. Nach dem Tod Herzog Georgs 1641 wurde er von dessen Sohn und Nachfolger Christian Ludwig zum Geheimen Rat im Fürstentum Calenberg und zum Hofmarschall ernannt.7) Am 14. August 1646 wurde Bodo von Hodenberg, wieder von Herzog Friedrich in Celle, als Landdrost des Fürstentums Grubenhagen nach Osterode gesandt. Als Christian Ludwig 1649 seinem Onkel in Celle nachfolgte, bestätigte er ihn in seinem Amt, in dem er bis zu seinem Tod am 20. September 1650 blieb.8) Beim Tod des unverheirateten von Hodenberg lebte seine Mutter noch.9) Als sein (Allodial-)Erbe trat der Eisenfaktor Heinrich Heckenberg auf, woraufhin es von 1654 bis 1657 zu einem Rechtsstreit mit den Lehnserben Levin, Gerd und August Friedrich von Hodenberg kam.10) In einer Gruft der Jacobikirche wurde ein Siegelring mit seinem Wappen gefunden.11)

Bodo von Hodenberg trat auch als Dichter hervor. Am 20. Juli 1642 wurde er – zusammen mit Herzog Christian Ludwig – unter dem Namen der Enthärtende in die ‚Fruchtbringende Gesellschaft‘ aufgenommen. Als Devise nahm er Die ausgetrucknete Miltz, als Pflanze die Tamariske an. Seinen Gesellschaftsnamen erläuterte er in dem Gedicht („Reimgesetz“), mit dem er in die Dichtervereinigung aufgenommen wurde, als Absicht, das Harte, das zur Untugend führe, zu ‚enthärten‘ und zur Tugend zu führen. Der antik-frühneuzeitlichen Viersäftelehre zufolge ist die Melancholie ein Produkt der verhärteten oder vertrockneten Milz; diese werde durch die Rinde der Tamariske erweicht.12) Bodo von Hodenberg verfasste außerdem das Kirchenlied „Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“, das zuerst 1646 im hannoverschen Gesangbuch von Justus Gesenius gedruckt wurde, noch heute im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 629, gekürzt auf sechs Strophen) steht und von Johann Sebastian Bach als Choral (BWV 668: Strophe 1–5; vgl. auch BWV 641) vertont wurde.13)

Anmerkungen

  1. Martins, Bau- und Kunstgeschichte, S. 75f., mit dem Plan S. 71. Der Plan auch bei Pischke, Osterode im Mittelalter, S. 119.
  2. Conermann, Mitglieder, S. 435. Vgl. Stammtafeln der Freiherrn von Hodenberg. Aus dem Nachlaß des Landschaftsdirektor Wilhelm von Hodenberg, ergänzt und bearbeitet von Bodo und Gottlieb von Hodenberg. Vermehrt und herausgegeben von Wilhelm von Hodenberg, Hannover 1905, Tafel 8, Nr. 106 (mit falschem Todesdatum: „12. 12. 1650“).
  3. Matrikel Helmstedt, S. 291 (Nr. 21, mit Anm.). Die Gießener Matrikel weist von 1615 bis 1639 eine Lücke auf.
  4. 12. Juni 1626 Bodo ab Hodenberg, Lunaeburg(ensis); Matrikel Marburg, Bd. 1.4, S. 179.
  5. Zum Vorstehenden siehe insgesamt Bergius, Leichenpredigt Hodenberg, Personalia, Bl. [Div]r– E[i]v.
  6. Vgl. NLA HA Celle Br. 11, Nr. 160, 161, 193, 211, 222, 229, 233, 247, 265, 285, 288, 312; Cal. Br. 11, Nr. 489. Alle zit. nach Online-Findbuch.
  7. Bergius, Leichenpredigt Hodenberg, Personalia, Bl. Eij. Erst 1641 erscheint er in den Akten nicht mehr als vom Celler Herzog Friedrich beauftragt; vgl. NLA HA Cal. Br. 11, Nr. 489 (1643).
  8. Bergius, Leichenpredigt Hodenberg, Personalia, Bl. Eijv–Eiijr. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 417. NLA HA Cal. Br. 44, Nr. 36; Celle Br. 44, Nr. 36; Celle Br. 57, Nr. 177/1 u. 223 (alle zit. nach Online-Findbuch).
  9. Bergius, Leichenpredigt Hodenberg, Personalia, Bl. Fijr, Fiijv.
  10. NLA HA Celle Br. 61, Nr. 53 (zit. nach Online-Findbuch).
  11. Bremeneck (Giebel), Sösewasser, S. 60.
  12. Conermann, Mitglieder, S. 435–437 (Nr. 373); zum Herzog (Nr. 372) siehe S. 433–435. Vgl. Der Fruchtbringenden Geselschaft Nahmen, Nr. 373 (mit Bild). Das ‚Reimgesetz‘ lautet nach dem ‚Gesellschaftsbuch‘:
    Die Tamarisken rind’, erweicht die miltz so hart / Ja wie verdröget ist, die vielen angst gebieret
    Enthärtend ich mich nenn’, und mit aufrechter art, / Enthärte gerne das, was zur untugend füret
    Dahin mein fleis und müh’, in allem ist gekahrt / Das mit der Tugend werd’, ein edel hertz gezieret
    Was hart und lastbar ist, bey Menschen abgethan, / Und man zur hoflichkeit gewiesen nüzlich an.

    Vgl. das Digitalisat des Gesellschaftsbuches mit den eigenhändigen Einträgen des Herzogs und Hodenbergs (Bl. 175v–177r): http://diglib.hab.de/wdb.php?dir=mss/ed000035-1b&pointer=355 (11.07.2019).
  13. Conermann, Mitglieder, S. 436f. (mit Anm. 2). Vgl. ADB 12, 1888, S. 537 (Krause). Ein weiteres, vermutlich eigenhändiges, gereimtes Gebet im Anhang der Leichenpredigt: Bergius, Leichenpredigt Hodenberg, Bl. F[iv]–G[i]. Weitere lateinische und deutschsprachige Gedichte auf Hodenberg, u. a. von Johannes Rieffkohl, Bürger in Osterode, in den Epicedia zur Leichenprdigt; ebd., Bl. G2–I[ij].

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 212 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0021204.