Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 206†? Kloster Walkenried, Steinlager 1647

Beschreibung

Epitaph für den Rektor Johann Schmid. Stein. Oben gerundet. Unter einem Wappen Inschrift A. Auf der Rahmenleiste von unten links nach unten rechts umlaufend Inschrift B. Inschrift C in zwei Zeilen auf der unteren Schmalseite. Die vertieften Buchstaben waren in dem dunklen Stein hell (mit Gips) ausgefüllt.1) Der Stein war laut Reinboth bis 1977 im Nordflügel des Kreuzgangs aufgestellt. Seit etwa 2006 befindet er sich vermutlich im offenen Steinlager hinter der Abtei;2) er konnte ohne großen technischen Aufwand nicht ermittelt und angesehen werden. Reinboth hat eine Abzeichnung des Epitaphs gefunden,3) nach der hier ediert wird. Diese stimmt mit der Überlieferung bei Steinacker (Kdm.) weitgehend überein.4) Das Grab befand sich ursprünglich im Ostflügel des Kreuzgangs.5)

Inschriften nach Zeichnung in GWLB Hannover.

Maße: H.: 102 cm; B.: 59 cm6)

Schriftart(en): Kapitalis.

Gottfried Willhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover (Ms XXIII, 613, Bl. 1r) [1/1]

  1. A

    UERI, AEQUI ET BONI, / DUM VIXIT, / STUDIOSUS / D(OMI)N(US) / IOHANNES SCHMIDIUS / MANSFELDENSIS, / SCHOLAE WALCKENRITI=/NAEa) QVONDAM RECTOR / QUI / IPSIS NONIS FEBRUARII,7) ANNO SA=/LUTIS RECUPERATAE, POST MILLESIMUM / SEXCENTESIMUM QUADRAGESIMO SEPTI=/MO, QUADRAGESIMUM SEPTIMUM AETATIS / PIE AC PLACIDE IN DOMINO CLAUSIT ANNUM / HIC / RESURRECTIONEM / EXPECTAT8) .

  2. B

    IN PACE IN ID IPSUM DORMIAM ET REQUIESCAM: QUONIAM TU DOMINE SOLUS TUTO HABITARE FACIS ME.9) PSALM: IV. UERS: 10

  3. C

    QUAM METUENDUS EST LOCUS ISTE. / Uerè non est hic aliud, nisi Domus DEI, et Porta coeli.10) Genes: 28

Übersetzung:

Herr Johannes Schmid aus (der Grafschaft) Mansfeld, der zu Lebzeiten nach dem Wahren, Gerechten und Guten strebte, ehemals Rektor der Schule von Walkenried, vollendete genau an den Nonen des Februar im 47. Jahr nach dem Jahr 1600 des wiedererlangten Heils sein 47. Lebensjahr fromm und friedlich im Herrn. Hier erwartet er die Auferstehung. (A)

Im Frieden werde ich zugleich schlafen und ruhen: Denn du allein, Herr, lässt mich sicher wohnen; Psalm 4, Vers 10. (B)

Wie furchterregend ist diese Stätte. Hier ist wirklich nichts Anderes als das Haus Gottes und die Pforte des Himmels; Genesis 28. (C)

Wappen:
Schmid11)

Kommentar

Über der Biografie Johann Schmids (1600–1647) liegt ein weitgehendes Dunkel, in dem die Angaben auf der Grabplatte die sichersten sind. Seine Funktion als Rektor ist nur durch Inschrift A bezeugt. Unklar ist, ab wann er als solcher wirkte. Die Lücke in der Liste der Rektoren ab 1622/26 hat Leuckfeld dadurch zu füllen gesucht, dass er den Prioren Hildebrand (amt. 1622–1641) und Prätorius (amt. 1642–1654) zugleich das Amt des Rektors zuschrieb.12) Dies trifft aber nicht zu; vgl. den Kommentar zu Nr. 190.13) Leuckfeld führt Schmid als Bursar und Klosteramtmann, den Herzog Christian Ludwig ernannt habe.14) Dies ist durch keine weitere Quelle belegt. Belegt ist nur, dass Schmid im Juli 1642 durch den Herzog zum Konventualen ernannt und im April 1643 als solcher eingeführt wurde.15)

Schmid wurde vermutlich 1630 in Helmstedt immatrikuliert.16) Leuckfeld zufolge hat er mehrere Sprachen gesprochen, darunter wohl auch moderne. Er soll Freund mehrerer Helmstedter Professoren gewesen sein, besonders des Theologen Georg Calixt. Möglicherweise war Schmid vor seiner Immatrikulation Soldat gewesen. Offenbar reiseerfahren, begleitete er den Helmstedter Professor Andreas Kinderling in die Niederlande.17)

Die Ernährungslage in Walkenried muss gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges sehr schlecht gewesen sein, denn Leuckfeld zufolge litt Schmid, wie vor ihm Hildebrand und Prätorius, an Skorbut.18)

Textkritischer Apparat

  1. WALCKENRITI=/NAE] Walckenritianae Kdm.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach Kdm.
  2. Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 37. Heutger, Kloster Walkenried, S. 173.
  3. GWLB Hannover Ms. XXIII, 613, Bl. 1; laut dem Deckblatt stammt die Abzeichnung aus dem Nachlass der Gelehrtenfamilie Meibom (N 457), der sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in der Bibliothek befindet. – Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 39, mit Abb. S. 38.
  4. Die Bibelverse (B) u. (C) werden von Steinacker nur mit Stellenangabe nachgewiesen; Kdm. Kreis Blankenburg, S. 356.
  5. Auf der Abzeichnung des Epitaphs findet sich der Vermerk: His verbis legitur in Saxo è regione Sepulchri parieti affixo in Porticus parte Orientali: ‚Diese Worte sind zu lesen auf einem Stein, der gegenüber dem Grab im Ostflügel des Kreuzgangs an der Wand befestigt ist‘; GWLB Hannover Ms. XXIII, 613, Bl. 1.
  6. Maße nach Kdm. Kreis Blankenburg, S. 356.
  7. 5. Februar.
  8. Auf dem zweiten Blatt des Bogens mit der Abzeichnung des Epitaphs findet sich der (für die Ausführung erweiterte) Entwurf für die Grabschrift, den laut einem Vermerk ein Verwandter Schmids (Hoc modo poni voluit B. Schmidius) verfasst hatte: UERI, AEQUI, BONI, DUM UIXIT STUDIOSUS IOHANNES SCHMIDI(US) MANSFELDENSIS RESURRECTIONEM HEIC EXPECTAT; GWLB Hannover Ms. XXIII, 613, Bl. 2. – Bei dem Verfasser könnte es sich um Bernhardus Schmidt Ermslebensis handeln, der am 20. September 1619 in Helmstedt immatrikuliert wurde; Matrikel Helmstedt, S. 275 (Nr. 291). Ermsleben lag im Gebiet des Hochstiftes Halberstadt, unmittelbar an der Grenze zur Grafschaft Mansfeld. In Ermsleben gab es 1608 einen Diakon Adam Schmid, der acht (überlebende) Söhne und fünf Töchter hatte, als seine Frau Catharina starb, mit der er über 23 Jahre verheiratet gewesen war; vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 3, S. 419f. (R 2833).
  9. Ps. 4,9–10 (G): In pace in id ipsum dormiam et requiescam / quoniam tu Domine singulariter in spe constituisti me; (H): in pace simul requiescam et dormiam / quia tu Domine specialiter securum habitare fecisti me. Der vorliegende Text folgt zunächst der Übersetzung aus dem Griechischen (G); nach DOMINE steht er der Hieronymus-Übersetzung aus dem Hebräischen näher (habitare). Es handelt sich vermutlich um eine Neuübersetzung aus dem Hebräischen, die sich einreiht in zahllose Versuche einer präzisierenden Neuübertragung der Psalmen; als Überblick vgl. http://www.liberpsalmorum.info (19.02.2018). Die vorliegende Fassung findet sich in einer Sammlung von Bibelstellen für Kinder, die 1626 der bedeutende schwedische Theologe Johann Matthiae Gothus (Suecus) zusammengestellt hat: Johannes Matthiae Suecus, Libellus Puerilis, in quo continentur quinque primaria capita Doctrinae Christianae, … quinque linguis comprehensa, Latina, Suetica, Gallica, Germanica, Anglica. Omnia ex sola sacra … Scriptura desumpta, Stockholm 1626, S. 254. (Johann Matthiae Gothus (1592–1670), der mehrere europäische Länder besuchte, studierte von 1614 an in Helmstedt, 1617 war er Mitglied des Konvents; Matrikel Helmstedt, S. 234, Nr. 49, mit Anm.) 1640 wurde die Fassung auch auf dem Sarg des Herzogs Wilhelm Ketteler von Kurland (1574–1640) angebracht; Werner Raphael, Die Herzogsgruft im Schloß zu Mitau, in: Sitzungsberichte der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst, Bd. 1, Jelgava (Mitau) 1934, S. 1–64, hier S. 28.
  10. Vgl. Gn. 28,17: quam terribilis inquit est locus iste Die vorliegende, von der Vulgata abweichende Variante ist seit dem Hochmittelalter als Antiphon bei der Kirchweihe überliefert; vgl. Corpus antiphonalium officii, Bd. 3, Nr. 4065. Vgl. http://cantus.uwaterloo.ca/chant/459596 (St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 391, ca. 990/1000).
  11. Wappen Schmid (Eherne Schlange). Das alttestamentliche Motiv der Ehernen (sich um ein Kreuz windenden) Schlange (4. Mo. 21,8) wird im Johannesevangelium (Jh. 3,14–15) auf den Tod Jesu am Kreuz bezogen. Auf Grabdenkmalen: DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 185 (1572); DI 52 (Zeitz), Nr. 171 (1585); DI 61 (Helmstedt), Nr. 265 (1679).
  12. Vgl. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 151–156.
  13. Vgl. auch die Liste der Rektoren bei Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 39.
  14. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 144.
  15. Vgl. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 102, Bl. 18, 21 u. 28.
  16. Ein Johannes Schmid, Mansfeldensis wurde am 20. Oktober 1630 in Helmstedt immatrikuliert, am 11. November wurde er in den Konvent der Theologen aufgenommen; Matrikel Helmstedt, S. 322, Nr. 28 (mit Anm.).
  17. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 144.
  18. Ebd. – In einem Trauergedicht des Arztes Christoph Gerber auf Hildebrand ist die Rede von Asthmata, Scorbutus, Tabes (Schwindsucht), Anasarca maligna (Ödeme); vgl. die Leichenpredigt des Eberhard Schrader, Bl. [Hiv]v (wie Nr. 190, Anm. 7). Zu Prätorius vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 10, S. 102 (R 9144).

Nachweise

  1. Zeichnung in GWLB Hannover Ms. XXIII, 613, Bl. 1.
  2. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 356 (A).
  3. Reinboth, Bestattungen, S. 38 (Nr. 40, mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 206†? (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0020606.